SPE hat das Stadium der Marktreife erreicht, darin sind sich die Experten einig. Ein Beleg dafür ist z. B. die starke Nachfrage auf den Messen des letzten Jahres. Wer in diese neue Technologie einsteigen will, findet die passende Hardware zum Beispiel beim Verbindungstechnikhersteller Weidmüller.
Eine aktuelle Studie von HMS Networks über industrielle Netzwerke hat den Übergang von der Feldbus- zur Ethernet-Kommunikation unter die Lupe genommen und ergeben, dass dieser sich in den vergangenen Jahren stark beschleunigt hat (Bild 1).
So waren im Jahr 2015 noch 66 Prozent der industriellen Kommunikation feldbusbasiert, wobei 34 Prozent auf Ethernet entfielen. Acht Jahre später macht die Feldbuskom-munikation nur noch 24 Prozent aller installierten Netzwerke aus, während Ethernet 68 Prozent der gesamten Kommunikation ausmacht und jährlich um rund 10 Prozent wächst.
Bei der herkömmlichen Technik konnten nur ein oder wenige Datenwerte übermittelt werden. Analoge oder digitale Größen wurden in standardisierte Signale umgewandelt und auf verschiedene Weise an das Leitsystem, etwa eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), übertragen mit dem Ziel der Übermittlung des aktuellen Zustands des gesteuerten Elements sowie der Übermittlung von Befehlen zur Änderung des Zustands und des gesteuerten Prozesses.
Zudem war meist die Bandbreite dieser Signale aufgrund des Verdrahtungsaufwands für die Eingangs- und Ausgangssignale und den damit verbundenden Kosten pro Signal begrenzt. Die daraus resultierende Komplexität erhöhte das Risiko von Fehlern. Auf der Ebene der SPS wurden dann alle Einzelsignale, die die Maschine oder den Prozess steuerten, zusammengefasst, und man musste jede einzelne Funktion programmieren.
Galt es, Daten an übergeordnete Ebenen zu übertragen, musste auf der SPS ein Mapping auf ein anderes Protokoll sowie der Kommunikationsablauf programmiert werden. Dies erhöhte nicht nur die Leistungsanforderungen, sondern auch den Engineering- und Inbetriebnahmeaufwand sowie die Anzahl der möglichen Fehlerquellen.
Mit dem Aufkommen von immer leistungsfähigeren Mikrocontrollern kam mehr Intelligenz in die Geräte. Einfache, in verschiedenen Komponenten implementierte Funktionen wurden zusammengeführt und direkt im Gerät realisiert. Damit entfiel die Notwendigkeit, jede Grundfunktion auf der SPS zu programmieren.
Intelligente Geräte bieten den Nutzern eine höhere Abstraktionsebene und stellen Komplettlösungen für einzelne Aufgaben dar. Darüber hinaus bieten sie eine wesentlich höhere Anzahl an Signalen und Daten, die sich mit übergeordneten Systemen austauschen lassen. Solche Geräte ermöglichen auch den Zugriff auf mehr Daten, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen, da die Daten über ein Kommunikationssystem anstelle von separaten digitalen und analogen Signalen übertragen werden. Darüber hinaus sind intelligente Geräte oft nicht nur in übergeordnete Systeme integriert, wie beispielsweise in eine SPS, sondern auch in zusätzliche Geräte, die für die Prozessvisualisierung oder Anlagenverwaltung zuständig sind.
Gleichzeitig haben die Verwendung von Ethernet-Kommunikationsprotokollen für Automatisierungsgeräte und die damit verbundenen Sicherheitsanforderungen stetig zugenommen. Single Pair Ethernet verspricht die Nutzung von Ethernet-basierten Kommunikationsprotokollen für einfache Geräte, für die Ethernet bisher nicht infrage kam. Dies ermöglicht eine leichte Geräteintegration über verschiedene Ebenen der Automatisierungspyramide hinweg, eine Verringerung der Verdrahtungs- und E/A-Kosten sowie die Nutzung der inhärenten Sicherheitsmerkmale und bewährten Verfahren, die in Ethernet-basierten Kommunikationsprotokollen verfügbar sind.
Simon Seereiner, Buisness Development Manager bei Weidmüller, kann den Trend hin zu SPE aus eigener Erfahrung bestätigen: »Im vergangenen Jahr haben uns viele der großen Sensorikhersteller auf den Messen angesprochen und nach Single Pair Ethernet gefragt. Die Sensoren werden immer komplexer, aber der Platz bleibt knapp. Da ist ein System, das einen Sensor mit nur einem Kabel gleichzeitig mit Energie und mit Ethernetdaten versorgen kann, höchst attraktiv. Ein großes Feedback kam auch von Anlagenherstellern aus der Prozess- und Gebäudeindustrie sowie aus den Bereichen Factory und Maschinenbau. Alle wollen jetzt endlich Single Pair Ethernet einsetzen.«
Das ist aber nicht der einzige Vorteil des Systems in der letzten Meile des Anlagenfeldes. Normale Feldbusse bieten meistens nur geringe Bandbreiten im Kilobit-Bereich. Single Pair Ethernet leistet um Größenordnungen mehr. Anwendungsübergreifend punktet es mit Reichweiten von bis zu 1.000 m bei 10 Mbit/s und auf kürzeren Distanzen mit Übertragungseigenschaften von bis zu 1 Gbit/s.
Gleichzeitig ist das Einsparpotenzial enorm, da SPE ohne Gateways zwischen Maschinen, Steuerungen und einem konzernweiten IP-basierten Netz auskommt. Die neue Technik unterscheidet sich nur auf dem Physical Layer von dem klassischen Ethernet der IT-Welt. Alle Schichten darüber, die Protokolle, die Transporte, die Applikation, bleiben unverändert – ein im Wortsinn direkter Draht vom Sensor bis zur Cloud, für den Weidmüller die komplette Infrastruktur liefert (Bild 2).
Das Unternehmen ist ein Gründungsmitglied der Single Pair Ethernet System Alliance, einem Zusammenschluss von derzeit 65 führenden Technologieunternehmen aus verschiedenen Branchen und Anwendungsbereichen, die ihr Know-how im Bereich Single Pair Ethernet bündeln, um diese Technologie für das Industrial IoT und alle anderen Anwendungsbereiche zu fördern.
Eine nahtlose und direkte Verbindung zu IIoT-Sensordaten ohne spezielle Gateways und Protokollübersetzung ist für alle Aspekte der Maschinendigitalisierung förderlich.
Dieser Ansatz bietet einen einfachen Zugang zu sensorbasierten Informationen, zum Beispiel für Umweltmessungen oder Zustandsüberwachung. Das Sensordesign kann nun von allen Vorteilen profitieren, die Ethernet bietet, wie:
Auch zeitkritische Netzwerkfunktionen für Anwendungen mit geringer Latenzzeit lassen sich implementieren. Die Sensoren sind so konzipiert, dass sie diese Dienste autonom und dezentralisiert im Netzwerk ausführen können.
Bei Anwendungen wie kleinen, elektronischen Montagemaschinen oder Schaltschränken ist es von Vorteil, die Anzahl der Sensoren zu minimieren und gleichzeitig volle Kommunikationsfähigkeit zu gewährleisten. Durch den Einsatz von SPE anstelle von Standard-Ethernet lässt sich das Gerät platzsparender konstruieren, sodass keine zusätzlichen Stromversorgungsanschlüsse erforderlich sind. So ermöglicht Power over Data Line (PoDL) die Stromversorgung über zwei Drähte mit einem kleinen Stecker. Mit diesen minimierten Steckverbindern ist es möglich, das Design von Sensorgehäusen zu optimieren und den Platzbedarf für die Montage zu verringern.
Im Bereich der Fördertechnik oder bei Containerkrananwendungen müssen Sensoren über große Distanzen ohne teure Extender oder Repeater angeschlossen werden. SPE mit 10BASE-T1L ist dabei optimal für eine robuste Kommunikation in Verbindung mit der PoDL-Stromversorgung. Wenn der Stromverbrauch die PoDL-Fähigkeit übersteigt, bietet sich eine hybride SPE-Verbindung (Zweidraht-SPE 10BASE-T1L mit Zweidraht-Stromversorgung) an. Das Gerätedesign muss nur für den Stecker angepasst werden.
Für Geräte, die in einer ATEX-Umgebung betrieben werden, ist eine Punkt-zu-Punkt-Kommunikation über große Entfernungen erforderlich, die entsprechende Sicherheitsanforderungen abdeckt. Mit APL, das eine 10-Mbit-Ethernet-Kommunikation bereitstellt, können Gerätekonstruktionen nun eine vollständige Ethernet-basierte Funktionalität unterstützen. Die Sensoren lassen sich so konzipieren, dass sie ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen und leistungsstarke Datendienste für Diagnose und Überwachung bereitstellen. Da rüber hinaus sind schnelle Software-Updates, zum Beispiel im Falle von Sicherheitsproblemen, möglich.
Der RJ45 ist zweifelsohne der erfolgreichste Steckverbinder in der Kommunikationstechnik auf Basis der Twisted-Pair-Verkabelung. Aus industrieller Sicht weist er jedoch einen Nachteil auf: Im gesteckten Zustand wird er nur einseitig an einer definierten Kontaktstelle kontaktiert. Daher kann es unter extremen Bedingungen wie starken Vibrationen oder Erschütterungen zu Kontaktunterbrechungen kommen.
Eine sicherere und industrietauglichere Variante ist die Verwendung eines beidseitigen elektrischen Kontakts, wie etwa eines Tulpenkontakts. Das Design industrieller SPE-Steckverbinder, wie es in der Norm IEC 63171 definiert ist, entspricht den Anforderungen der Industrie und bietet Vorteile wie sichere Kontaktierung, einen geringen Übergangswiderstand, Vibrationsfestigkeit und ein verbessertes Verhalten beim Ziehen unter Last. Darüber hinaus bietet SPE durch die Verwendung von einpaarigen Kabeln grundlegende Vorteile gegenüber dem Standard-Ethernet mit zwei- oder vierpaarigen Kabeln.
Zu diesen spezifischen Vorteilen gehören:
Diese Vorteile kommen vor allem in der Praxis (Sensor-/Aktorebene) zum Tragen, gelten generell für SPE-Anwendungen und sind ein Grund dafür, dass SPE in Zukunft verstärkt genutzt werden wird.
Im industriellen Gerätebau ermöglichen kleine Steckverbinder einen reduzierten Bauraum. Dank der kompakten SPE-Steckverbinder (Bild 3) lassen sich im Vergleich zu bestehenden Anschlusstechniken deutliche Platzeinsparungen erzielen. So lassen sich Geräte mit der doppelten Portdichte bauen, da SPE-Steckverbinder nur die Hälfte des Bauraums eines RJ45 benötigen. Bei gleichbleibenden Gehäuseabmessungen lassen sich durch die Verdopplung der Anzahl der Ethernet-Ports eines Gerätes die Kosten pro Ethernet-Anschluss spürbar senken
Weidmüller bietet sowohl mit feldkonfektionierbaren Steckverbindern (Bild 4) für die Vor-Ort-Montage als auch mit fertigen Patchkabeln sowie der gesamten Geräteanschlusstechnik ein komplettes Portfolio für alle Verbindungsaufgaben im Anlagenfeld, und dies in den Schutzarten IP20 und IP67.
Die Verbinder weisen das derzeit kleinste Steckgesicht gemäß IEC 63171 am Markt auf. Zum Vergleich: Das Volumen beträgt nur 20 Prozent desjenigen einer RJ45-Buchse. Die Komponenten sind integrierbar in standardisierte M8-Gehäuse und -Steckverbinder, genau wie bei IO-Link oder Profinet. Das System bietet volle Kompatibilität zwischen IEC 63171-2 (IP20) und IEC 63171-5 (IP67). So kann ein IP20-Stecker als Servicestecker für IP67 verwendet werden.
Im Jahr 2024 will Weidmüller sein Portfolio weiter ergänzen. Neben einem reinen Datenswitch mit sieben Ports und SFP-Modul soll eine Version mit vier Ports und PoDL zur Verfügung stehen. Sie ermöglicht eine Energieversorgung von bis zu 50 W.