Quasi Retrofit zur MDR-Konformität. Welche weiteren Themen warten auf Medizingeräte-Entwickler?
Nach der MDR ist vor der EMV – die elektromagnetische Verträglichkeit ist und wird das nächste große Thema für die Hersteller sein und wahrscheinlich ähnlich viel Arbeit verursachen. Seit Mai 2016 gibt es die IEC 60601-1-2:2014 (Ausgabe 4) als DIN EN 60601-1-2:2016 »Elektromagnetische Störungen – Anforderungen und Prüfungen«. Diese wurde Ende 2020 durch die Ausgabe 4.1 ergänzt. Ein elektronisches Gerät darf demnach keine Störquellen aussenden, die in einem anderen Gerät Fehler verursachen können. Es wurde festgelegt, dass weniger als 20 dB nach außen dringen dürfen. Dass bedeutet, dass jeder MedTech-Hersteller seine Geräte dahingehend anschauen und validieren muss. Ich halte die EMV damit für eines der wichtigen Themen in den kommenden Jahren. Die elektromagnetische Verträglichkeit muss von jedem Gerät zum anderen gewährleistet sein, egal ob Handy oder Elektrokardiograf.
Odu hat auf der Compamed einen Computermaus-ähnlichen Stecker für MRT-Geräte ausgestellt. Was ist daran das Besondere?
Der Maus-Stecker kommt an der Kopfkeule am MRT zum Einsatz. Das Entwicklungsziel mit Siemens Healthineers war, vom klassischen Coax-Kontakt wegzukommen. Zum einem, weil Coax durch die Stifte aufwendiger und damit teurer in der Produktion ist, und zum anderen, weil sie im Feld kaputtgehen können und sich Schmutz im Stecker ansammelt. Bei nur einem kaputten Stift muss in der Regel der ganze Stecker getauscht werden.
Der neue Maus-Stecker hat keine Stifte mehr, sondern eine flache Platine mit Kontakten, die auf der Gegenseite im geschützten Geräteteil über gefederte Kontakte abgegriffen werden, vergleichbar mit einem USB-Stecker. Die gefederten Kontakte sind praktisch unkaputtbar und sehr anwenderfreundlich. Siemens Healthineers hatte sich im Gegensatz zu den klassischen Steckern, die von oben gesteckt und dann verriegelt werden, eine intuitivere Handhabung gewünscht. Am MRT stört eigentlich alles, was hoch aufbaut, entweder die MTAs oder die Patienten. Der Maus-Stecker ist sehr flach, baut wenig auf und ist mit ein wenig Umgewöhnung super einfach zu stecken. Auf der Arab Health dieses Jahr in Dubai haben wir richtig gutes Feedback bekommen, alle lieben den Maus-Stecker.
Dazu spart er mit den gestanzten Kontakten Kosten, bei gleichen Leistungsmerkmalen wohlgemerkt. Das ist in der radiologischen Bildgebung mit das wichtigste Kriterium – die Bilder müssen verlustfrei und ohne Latenzen durchkommen.
Wie lange können Sie die Verfügbarkeit für solche Kunden-Entwicklungen garantieren?
Ein End of Life gibt es bei Odu nicht. Wir produzieren auch heute noch für Kunden, die vor 50 Jahren einen Stecker bei uns fertigen ließen. Da wird ins Archiv geschaut oder wir legen den Stecker auch wieder neu auf – das handhaben wir wie immer kundenspezifisch und finden gemeinsam die passendste Lösung.
Wie ist die Liefersituation für Steckverbinder und Kabel sowie speziell bei Odu gerade?
Odu hat einen wirklich sehr großen Vorteil, dass wir eine Fertigungstiefe von über 80 Prozent haben. Wie z. B. die Galvanik, die Umspritzung, die Dreherei – also alle Teile und Schritte, die es für einen Steckverbinder braucht, machen wir inhouse. Das Material ist der einzige Punkt, wo wir auf Zulieferer angewiesen sind: Rohlinge, um Kontakte zu machen, Granulate, um Kunststoff zu spritzen etc. Das ist ein sehr geringer Prozentsatz der Komponentenliste für einen Stecker, und damit bleiben wir sehr flexibel. Natürlich hatten auch wir Schwierigkeiten, aber Stand heute sind wir wieder bei unseren Lieferzeiten von vor der Krise angelangt.
Im letzten Jahr haben sich viele Kunden aufgrund der Weltmarktsituation noch mal die Lager vollgemacht, die großen Abnahmemengen haben die Engpässe noch verstärkt, aber diese Effekte sind 2023 nicht mehr zu sehen. Im Wesentlichen können Kunden mit einer Lieferzeit von vier bis sechs Wochen rechnen, mit einer Express-Online-Bestellung sind für Standardteile auch zehn Tage möglich. Die kurzen Lieferzeiten resultieren auch daraus, dass viele Teile modular aufgebaut sind und nach dem Baukastenprinzip relativ schnell produziert sowie konfektioniert werden können.