Embedded-Bauteile für die Medizintechnik

Für gesunde Embedded-Systeme

14. April 2023, 12:52 Uhr | Ute Häußler
Dieses Modul zur drahtlosen Messung von Vitalzeichen kommt unter der Matratze zum Einsatz.
© Componeers GmbH

»Always Aware« – mit kleinsten Chip-Systemen, Energy-Harvesting und Echtzeit-KI waren sensorbasierte Medizingeräte und Wearables unter den Stars der embedded world 2023.

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Das kontinuierliche Patienten-Monitoring soll aus dem Krankenhaus (auch) in den Alltag einziehen und präventive Medizintechnik zur neuen Normalität machen.
Kaum ein aktuelles Medizingerät oder vernetzte IoMT-Systeme kommen ohne Halbleiter-Komponenten oder weitere eingebettete Bauteilen aus. Sensor- und Bilddaten wollen ausgelesen und analysiert werden, SoCs und FPGAs steuern smarte Medizinprodukte und auch KI hat längst Einzug in den MedTech-Geräten gehalten. Eine entscheidende Rolle nimmt neben der Hardware auch die medizinische Software und deren sicherheits- und Regularien-konforme Entwicklung ein.

Die Messe embedded world in Nürnberg ist jedes Jahr der Treffpunkt der Embedded-Community; Entwickler treffen Bauteile- und Komponentenhersteller, Software-Firmen oder Dienstleister und tauschen sich über die neuesten Trends und Möglichkeiten aus. Je stärker die Digitalisierung der Medizintechnik voranschreitet, je smarter und intelligenter die Medizingeräte werden, desto mehr wird die embedded world auch eine Pflichtmesse für Hard- und Software zu medizinischen Zwecken. Nicht zuletzt regulatorische Anforderungen zu funktionaler Sicherheit, Cybersecurity, der Einsatz von künstlicher Intelligenz und das Bauen zertifizierbarer Embedded-Medical-Systeme sind Themen, die für Medizintechnik-Entwickler in Nürnberg in all ihren Facetten greifbar sind.

Markt&Technik hat die Nürnberger Messehallen durchstreift und zeigt Ihnen Aussteller und Produkte, die für die Entwicklung von fortschrittlichen Medizinprodukten mit Embedded Medical einen Unterschied machen.

#ew23-Highlights für die Medizintechnik

Am Stand von Analog Devices konnten Medizintechnik-Entwickler sich wortwörtlich niederlegen. Der Elektronik-Hersteller hatte ein Bett aufgebaut: Unter der Matratze waren die neuesten Bauteile zur kontaktlosen Messung von Vitalzeichen versteckt. Die kleinen, batteriebetriebenen Würfel enthalten einen rauscharmen 3-Achsen-MEMS-Sensor (ADI ADXL), der über eine vierpolige, 10 MHz schnelle SPI-Schnittstelle an ein individualisierbares MCU-System angeschlossen ist. Dort werten Edge-KI-Algorithmen die Herz- und Atemfrequenz sowie deren Variabilität in Echtzeit aus – so sind kontinuierliche Langzeitmessungen ohne aktive Patienteneinbindung oder Wearables umsetzbar. Medizintechnik-Hersteller können die Bausteine kabellos oder auch kabelgebunden über WiFi, Ethernet, USB, Cloud oder Bluetooth z. B. in Betten oder Stühle integrieren und die Daten am PC visualisieren. Die Bausteine selbst haben keine medizinische Zertifizierung, Analog Devices unterstützt Medizingerätebauer aber mit umfangreichen Dokumentationen. Klinische Validierungsstudien zeigten eine sehr hohe Genauigkeit zwischen dem derzeitigen Gold-Standard, der kabelgebundenen Polysomnografie, und der neuen, nichtinvasiven Methode zur Patientenüberwachung.

Der Entwicklungsdienstleister Aries Embedded ist bereits seit 2008 konstant auf der embedded world vertreten. Geschäftsführer Andreas Widder erzählt, dass der Medizingerätemarkt im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden ist. Mit den neuen MDR-Regulatorien, der Bauteile-Verknappung durch Lieferkettenprobleme oder Abkündigungen sowie den starken Preissteigerungen lag und liegt der Fokus aktuell auf dem Redesign von medizinischen Geräten. Insbesondere der Wechsel von FPGA-Modulen stelle viele MedTech-Kunden vor Probleme, die Toolchain sei technologieabhängig und gestalte eine Konvertierung komplex. Aries unterstützt Medizingeräte-Hersteller technisch sowie beratend bei der Auswahl und Integration der neuesten CPU- und FPGA-Module, Evaluation-Kits, Bus-Systeme und passenden Schnittstellen auf dem Weg zu langzeitverfügbaren Embedded-Medical-Systemen oder einem möglichen Komponenten-Austausch ohne neue Zertifizierung. Widder stellt daneben für die Medizintechnik die Flash-Technologie heraus, da die Leistung sofort anliege und die Bauteile strahlungsresistent arbeiten – damit sind Flash-basierte Systeme auch in der Radiologie und Hochfrequenz-Chirurgie einsetzbar.

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Bosch Sensortec
Bosch Sensortec hat nach eigenen Angaben den weltweit kleinsten Feinstaubsensor im Programm.
© Bosch Sensortec

Der Elektronik- und IT-Distributor Arrow stellte auf seinem großflächigen Stand in Halle 3A mit seinen Produkt- und Technologiepartnern alle aktuellen Mega-Trends der Digitalisierung aus, die in verschiedenen Ausprägungen auch die Medizingeräte-Entwicklung betreffen: Elektrifizierung und Power-Management, autonome Systeme sowie smarte Sensorik. Für Pressesprecher Thorsten Hecking spielt insbesondere »Connected Health« und die Entwicklung von IoMT-Geräten in der Medizintechnik eine wichtige Rolle. Mit intelligenten Sensor-Systemen und deren (drahtloser) Anbindung an Krankenhaus- und Pflegesysteme sowie mobile Geräte wie Tablets oder Wearables könne eine neue Qualität in der Patientenüberwachung erreicht werden. Arrow sieht aktuell ein großes Potenzial im Zusammenspiel von MEMS-Sensoren und KI-Algorithmen für verschiedenste medizinische Indikationen wie Epilepsie oder Herz-Kreislauf-Krankheiten bis hin zum Einsatz von Raumsensoren zur Überwachung der Luftzusammensetzung für Inkontinenz-Alarme. Neben der Bauteile-Auswahl und Beschaffung unterstützen Arrow-Ingenieure Medical-Kunden auch bei der individuellen Entwicklung von Anwendungen in der medizinischen Bildgebung, der Aggregation und Integration von Sensoren, Telemedizin, Gesundheits-Kiosk-Systemen und Monitoring-Projekten.

Data Modul
Berührungslose Bedienung stand im Vordergrund am Messestand von Data Modul.
© Data Modul

Auch für Dr. Stefan Finkbeiner von Bosch Sensortec liegen Sensoren und MEMS-Sensoren im Speziellen ganz weit vorn für den Einsatz in innovativen Hör- und Medizingeräten. »Consumer-Anwendungen wachsen mit der Medizintechnik zusammen und eröffnen einen breiten Einsatz für die Sensorik«, sagt der CEO. Für die Sturzerkennung in der Pflege, der Bewegungsüberwachung in Sport oder Reha können Rotation, Orientierung im Raum oder auch einfach Schritte gezählt werden. Auf der embedded wold wurde u. a. das präzise und rauscharme Magnetometer BMM350 für die Bestimmung der absoluten Lage im Raum gezeigt. Der robuste Luftdruck-Sensor BMP585 und der aktuell weltweit kleinste Feinstaubsensor BMV080 dienen der Luft- oder medizinischen Atemüberwachung. Auch Lage-Sensoren für PCR-Tests oder die Blutzuckermessung hat Bosch im Programm. Für Hearables und Hörhilfen hat wurden in Nürnberg Initial-Sensoren und der Smart Sensor BHI360 ausgestellt – das programmierbare, IMU-basierte Sensorsystem kombiniert ein Gyroskop mit einem Beschleunigungsmesser. Die integrierte Sensorfusion-Bibliothek ermöglicht 3D-Audio mit Kopfausrichtung für personalisiertes Hören sowie eine einfache Gestenerkennung.

Bei Data Modul, Distributor und OEM-Hersteller für Displays, standen für die Medizintechnik vor allem das haptische Feedback an Bildschirmen wie auch eine berührungslose Bedienung in Hygiene-sensitiven Umfeldern im Vordergrund. Daneben steigt in medizinischen Anwendungen laut Jörn Wittig, Leiter Produktmanagement, die Nachfrage nach Displays mit vollflächig gebondeten Touch/Glas-Einheiten. Diese sorgen für eine exzellente optische Performance ohne Reflexion und mit hohem Kontrast sowie eine einfache Reinigung, Stromersparnis und eine lange Lebensdauer des Backlights. Speziell für den Einsatz in der Chirurgie wurden auf der embedded world Full Bonded Displays in Kombination mit der FALD-Technologie (Full Area Local Dimming) gezeigt. Dabei ist jede LED einzeln ansteuerbar und sorgt bei medizinischen Eingriffen für eine detaillierte Sichtbarkeit im Operationsfeld.


  1. Für gesunde Embedded-Systeme
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