Dietmar Harting stand Rede und Antwort

»Der Wettbewerb spornt uns an!«

29. Juni 2017, 14:03 Uhr | Alfred Goldbacher
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1967 lag der Umsatz bei 29 Mio. D-Mark

Elektronik: 65 Jahre sind eine lange Zeitspanne an sich und doch verblüffend kurz, wenn Sie auf die Jahrzehnte zurückblicken. Was waren aus Ihrer Sicht markante Ereignisse in Ihrem beruflichen Wirken?

Dietmar Harting: Als ich 1967 nach Abschluss meines Studiums in das Unternehmen meiner Eltern eingetreten bin – wir hatten knapp 1000 Mitarbeiter und der Umsatz betrug rund 29 Mio. D-Mark – lag der Schwerpunkt unserer Produkte in den Bereichen Industriesteckverbinder, Zigarettenautomaten, Autoelektrik und magnetische Systeme. Produziert wurde ausschließlich in Espelkamp. In den 1970er Jahren folgte der Aufbau des Geschäftsfeldes Leiterplatten-Steckverbinder, später wurden wir zum ganzheitlichen Anbieter von Connectivity and Networks bis hin zur Digitalisierung und Industrie 4.0. Diese permanenten Veränderungsprozesse in Entwicklung, Fertigung und Absatz und die Erschließung neuer Märkt waren und sind eine dauernde Herausforderung für ein Technologieunternehmen wie Harting. Gegenwärtig treiben wir die digitale Transformation unseres Unternehmens mit Hochdruck voran.

Für die Entwicklung unserer Technologiegruppe und deren Wettbewerbsfähigkeit war die strategische Entscheidung zur Internationalisierung von weitreichender Bedeutung. 1979 haben wir in Frankreich unsere erste Tochtergesellschaft gegründet. Inzwischen verfügen wir über 13 Produktionsstätten und Niederlassungen in 43 Ländern. Damit sind wir auch geografisch immer nah bei unseren Kunden. Mit unserem neuen European Distribution Center (EDC), das mit rund 40 Mio. Euro Investitionskosten veranschlagt ist und das gerade in Espelkamp gebaut wird, wollen wir die Liefer-Performance gegenüber dem Kunden weiter verbessern.

Wie schnell die Zeit vergeht, wurde mir besonders deutlich, als 2012 unsere erste Produktionshalle aus den 1950er Jahren auf dem Betriebsgelände in Espelkamp abgerissen wurde. Heute steht dort unser Qualitäts- und Technologiecenter (HQT), wo wir Qualitätsprodukte und Lösungen für die Welt von morgen entwickeln.
Persönlich nicht zu vergessen ist der Eintritt unserer beiden Kinder Philip und Maresa in das Unternehmen. Dazu haben sich beide eigenständig entschieden. Wir freuen uns, dass sie diesen Weg eingeschlagen haben. Und beide machen einen exzellenten Job.

Dietmar Harting stellt sich den Fragen der Elektronik
Dietmar Harting stellt sich den Fragen der Elektronik.
© Harting-Technologiegruppe

Elektronik: Was waren darüber hinaus von außen kommende markante Ereignisse, denen Sie sich in dieser Zeitspanne als Unternehmer stellen und Antworten finden mussten?

Dietmar Harting: Geprägt haben mich die Leistungen meiner Eltern. Sie haben nach dem 2. Weltkrieg aus dem Nichts ein Unternehmen geschaffen, das wir als Familie weiterführen durften. Damals war der Marshall-Plan der Grundstein für den wirtschaftlichen Aufstieg unseres Landes. Der Wiederaufbau ging einher mit der sozialen Marktwirtschaft als unserer neuen Wirtschaftsordnung und der Währungsreform von der Reichsmark zur D-Mark. Sie verbindet die Freiheit des Liberalismus mit einer Rahmenordnung des Staates. Heute frage ich mich oft, ob unsere Regierung und unsere Gesellschaft dies überhaupt noch wissen und wertschätzen.

Wie verletzlich diese fruchtbaren Anfänge waren, führte uns der Korea-Krieg vor Augen, ein Stellvertreterkrieg zwischen West und Ost so kurz nach dem 2. Weltkrieg, der uns in Deutschland sehr erschütterte. Diese Entwicklung hat mich nachhaltig geprägt, zeigte sie mir doch schon in jungen Jahren, dass unsere Freiheit ein fragiler Wert ist.

Elektronik: Wie sehen Sie die aktuellen Herausforderungen, die ein deutsches Mittelstandsunternehmen wie Harting heute generell im weltweiten Wettbewerb erkennen und aktiv angehen muss? Zum Beispiel protektionistische Bestrebungen in Europa und anderswo?

Dietmar Harting: Als global ausgerichtetes und tätiges Technologieunternehmen steht Harting im intensiven Wettbewerb mit anderen Anbietern unserer Branche, nicht zuletzt in Regionen und Ländern mit anderen, günstigen und oft staatlich gestützten Produktionsbedingungen. Diesen Standortvorteilen der anderen Player müssen wir durch effiziente Strukturen und Prozesse bei Produktion und Kosten, höchste Qualität unserer Produkte, hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung und durch die Vernetzung mit einschlägigen Partnern und wissenschaftlichen Einrichtungen begegnen. Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg.
Wettbewerb ist Grundbestandteil unserer Wirtschaftsordnung, und das ist gut so. Er ist Ansporn für uns. Wir müssen jedoch genau schauen, ob die Rahmenbedingungen vergleichbar sind. Das beginnt bei den Steuern, geht über protektionistische Maßnahmen bis hin zur Bildungslandschaft. In Deutschland stehen wir vor einigen Herausforderungen. Die Digitalisierung bietet uns die Option, wettbewerbsfähig zu produzieren. Dafür sind wir auf ein exzellentes Forschungs- und Wissenschaftsumfeld mit guten Rahmenbedingungen angewiesen, zum Beispiel auf ein Giga-Breitbandnetzwerk für die Indus¬trie 4.0 sowie auf Sicherheits-Software für die Informationstechnologie. Deshalb engagieren wir uns stark, beispielsweise als Gesellschafter im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Elektronik: Welche politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in unserer Gesellschaft sehen Sie mit Sorge?

Dietmar Harting: Das sind natürlich die europakritischen Partein und Bewegungen bis hin zur Ablehnung der Europäischen Union (EU). Dazu kommen die Sorgen um den Euro, die Sicherheit im europäischen Binnenmarkt und die Einschränkungen im freien Welthandel. Ein geeintes und starkes Europa ist ein Fürsprecher für unsere wirtschaftspolitischen Interessen. Eine politisch zerstrittene bzw. uneinige EU schwächt Europa gegenüber anderen starken Wirtschaftsräumen.
Was mir ebenfalls große Sorgen bereitet, ist der fehlende Konsens und das fehlende Engagement hinsichtlich infrastruktureller Großprojekte in den Bereichen Verkehr, Forschung und Datentechnik – sei es in Deutschland oder Europa. Das Zukunftsthema Industrie 4.0 darf nicht an mangelnder Infrastruktur wie schnelles Internet scheitern.

Elektronik: Was macht Ihnen und Ihrer Nachfolgegeneration Mut, dass Europa als Wirtschaftsstandort in den kommenden Jahrzehnten genauso erfolgreich sein wird wie in den vergangenen Jahrzehnten?

Dietmar Harting: Ungeachtet des Brexit und der rechtspopulististischen Entwicklungen in einigen europäischen Ländern ist Europa ein hervorragender Wirtschaftsraum mit bester Infrastruktur und weitgehend stabilen sozialen und politischen Verhältnissen. Ich sehe die EU als ein nachhaltiges, erfolgreiches Projekt, das uns 72 Jahre Frieden und Wohlstand gebracht hat. Genau dieses Bewusstsein muss bei der jungen Generation gestärkt werden.

 

Der Autor

Dietmar Harting, Vorstand der Harting-Technologiegruppe
Dietmar Harting, Vorstand der Harting-Technologiegruppe.
© Harting-Technologiegruppe

Dietmar Harting, Jahrgang 1939, studierte Elektrotechnik und Wirtschaftswissenschaften in München, Hannover und Köln. Nach seinem Eintritt in das Unternehmen im Jahr 1967 kümmerte er sich zunächst um den kaufmännischen Bereich. Heute ist er Vorstand der Harting-Technologiegruppe und darüber hinaus in einer Vielzahl von Organisationen und Verbänden aktiv. Für sein Engagement wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.


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