Software für Infotainment-Systeme

Komplexität beherrschen

22. April 2016, 10:43 Uhr | Von Anil Khanna und Andrew Patterson
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Vernetzte Infotainment-Systeme

Das Infotainment-System eines modernen Fahrzeugs interagiert mit mehr Komponenten als je zuvor. Es ist das Cockpit, über das Fahrer und Beifahrer die Generierung und Verteilung unterschiedlichster Daten innerhalb des Fahrzeugs steuern. Um Daten von verschiedenen ECUs sammeln zu können, muss das Infotainment-System mit dem Fahrzeugnetzwerk verbunden sein. Zudem erwarten die Anwender, dass sie Smartphones und Tablet-PCs mit dem Fahrzeug verbinden können. Dazu dienen Apps und Technologien wie Apple CarPlay, Google Android Auto und MirrorLink. Mit dem Aufkommen autonomer Fahrzeuge müssen die Infotainment-Systeme darüber hinaus auch mit anderen Fahrzeugen und der Außenwelt verbunden werden. Das Betriebssystem des Infotainment-Systems, typischerweise in der Head Unit, ist somit das sprichwörtliche Gehirn des Autos.

Angesichts dieser komplexen und vielfältigen Anforderungen an ein Infotainment-System ist auch die Software-Entwicklung für ein solches System eine zunehmend anspruchsvollere Aufgabe. Mentor Graphics hat deshalb in ein neues, als „Connected OS“ bezeichnetes Konzept investiert. Die Connected-OS-Software unterstützt eine modulare, GENIVI-basierte Linux-Plattform mit einem erweiterten Board Support Package („SuperBSP“) und einer optimierten Middleware-Schicht (OPTstack). Die Software-Plattform bietet sofort einsetzbare Schlüsseltechnologien wie Fast Boot, Instant-On und optimierte Audio/Video-Funktionalität, die zum Aufbau moderner Infotainment-Anforderungen erforderlich sind. Ein Beispiel hierfür ist die hochintegrierte Connected-OS-Architektur, die ein sehr schnell hochfahrendes System mit Audio- und Video-Funktionen ermöglicht. Diese Eigenschaft ist insbesondere für Infotainment-Systeme mit Rückfahrkameras eine wichtige Voraussetzung für eine gute Bedienbarkeit des Systems. Denn kein Fahrer möchte nach Einlegen des Rückwärtsganges lange auf das Erscheinen des Kamerabildes warten. Darüber hinaus bietet Connected OS Middleware-Support für neue Netzwerktechnologien wie AVB und A2B.

Der integrierte AVB Software Stack der Connected-OS-Plattform ist für die Entwicklung sowohl von ADAS- als auch von Infotainment-Funktionen hilfreich
Bild 1. Der integrierte AVB Software Stack der Connected-OS-Plattform ist für die Entwicklung sowohl von ADAS- als auch von Infotainment-Funktionen hilfreich. Die Abbildung zeigt ein typisches AVB-Netzwerk für solche Anwendungen.
© Mentor Graphics

Die Vorintegration des AVB Software Stack hilft insbesondere bei der Entwicklung von Anwendungen, die eine Echtzeitkommunikation mit niedriger Latenz erfordern, zum Beispiel Fahrerassistenzsysteme (ADAS). Da Connected-OS-basierte Systeme sowohl Multimedia-Protokolle wie AVB als auch die Verarbeitung von Videosignalen unterstützen, lassen sich mit ihrer Hilfe auch Funktionen wie etwa Rear Seat Entertainment (RSE) bereitstellen (Bild 1). Der AVB-Stack in Connected OS wurde gemäß den IEEE-AVB-Standards entwickelt und geht konform mit den Vorgaben der AVnu Alliance. Zu den unterstützten IEEE-Implementierungen gehören IEEE 802.1AS, 802.1Qat, 802.1Qav, 1722.1 und 1733. Unterstützung bietet Connected OS auch für den A2B Software Stack. Mit dessen Hilfe können Autohersteller Audio-Netzwerke mit geringeren Systemkosten entwickeln und gleichzeitig für ein verbessertes Audio-Erlebnis im Fahrzeug sorgen.

Unterschiedliche Sicherheitsebenen kombinieren

Safety und Security haben bei der Automobilentwicklung eine hohe Priorität. Doch je höher der Automatisierungsgrad bei Fahrzeugen wird, desto mehr drahtlose Angriffsflächen und externe Störquellen stehen potenziellen Hackern zur Verfügung. Sicherheitsaspekte müssen deshalb auf jeder Ebene der Fahrzeugarchitektur berücksichtigt werden – von der Hardware und Embedded-Software über die Anwendung bis hin zum Faktor Mensch.

Sicherheitskritische Display-Anzeigen laufen auf dem zertifizierten Nucleus SafetyCert RTOS
Bild 2. Sicherheitskritische Display-Anzeigen laufen auf dem zertifizierten Nucleus SafetyCert RTOS. Für die Berechnung komplexer Graphiken ist ein anderes Betriebssystem zuständig, sodass sich beide Systeme trotz unterschiedlicher Safety Levels auf einem SoC implementieren lassen.
© Mentor Graphics

Um Software-Fehler zu minimieren, ist eine Strategie für das gründliche Testen sicherheitskritischer Software erforderlich. So lassen sich sicherheitskritische Elemente durch sorgfältige Partitionierung isolieren und getrennt von komplexeren Systemen zertifizieren, die nur schwer Zeile für Zeile zu validieren sind. Mentor Graphics hat etwa für Kombiinstrumente mit unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen eine Lösung vorgestellt. Diese gestattet es, sicherheitskritische Grafikanzeigen zusammen mit detailreichen 3D-Grafiken auf einem Display zu kombinieren. Die sicherheitskritischen Grafiken werden in einem speziellen Hardware-Bereich verarbeitet und laufen auf dem eigenständigen, sicherheitszertifizierten Nucleus SafetyCert RTOS. Dadurch sind sie vor externen Störungen und Denial-of-Service-Attacken geschützt (Bild 2).

Unterstützung mehrerer ­Betriebssysteme

Zum Konzept von Connected OS gehört mehr als nur ein grundlegendes Linux-Betriebssystem. Denn neue Multicore-Architekturen hosten mehrere Betriebssysteme und unterstützen eine enge Kommunikation zwischen ihnen. Dazu gehören zum Beispiel das AUTOSAR-Basic-Software-Betriebssystem (BSW), Echtzeitbetriebssysteme wie das Nucleus RTOS und sogar Links zu Android, das nativ oder in einem Linux-Container (LXC) laufen kann.

Sobald mehrere Betriebssysteme verwendet werden, wird eine sichere Kommunikation mit speziellen Protokollen wie Remote Processor Messaging (rpmsg) und VirtIO aktiviert, sodass Informationen, die in einer Domäne generiert wurden, in eine andere übertragen werden können. Dies ist beispielsweise erforderlich, um eine Telefonstatusmeldung auf einem sicheren Fahrerinformations-Display anzeigen zu können. Die unterschiedlich sicheren Domänen werden dabei durch ein Multicore-Framework oder mit Hilfe eines Embedded Hypervisor voneinander getrennt. Die Software-Plattform Connected OS bietet also eine skalierbare Grundlage für Fahrzeug-Infotainment-Systeme und ADAS-Anwendungen, die automobilspezifische Herausforderungen auf der Betriebssystemebene löst und so hilft, die Entwicklungszeit zu verkürzen.

 

Die Autoren

Anil Khanna

verantwortet als Senior Manager der Embedded Systems Division von Mentor Graphics die Produktmarketingstrategie des Lösungs-Portfolios für IVI, Fahrerinformation und Audio-Anwendungen. Nach einem Master-Abschluss in Elektrotechnik und Informationstechnik an der Portland State University hat er über 15 Jahre Erfahrung im technischen und Produktmarketing gesammelt.

 

 

Andrew Patterson

ist Business Development Director der Embedded Systems Division von Mentor Graphics. Bevor er zu Mentor kam, arbeitete Patterson über 20 Jahre lang im Bereich Design Automation. Er hat einen Abschluss als Master in Elektrotechnik und Elektrowissenschaften von der Universität Cambridge, Großbritannien.

 


  1. Komplexität beherrschen
  2. Vernetzte Infotainment-Systeme

Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Mentor Graphics (Deutschland) GmbH

Weitere Artikel zu Mentor Graphics (Deutschland) GmbH Mechanical Analysis Div.

Weitere Artikel zu Safety und Security