Renesas Electronics riskiert einen Blick in die Zukunft seiner Automotive-Aktivitäten. Auch wenn das Unternehmen mit konkreten Details durchaus zurückhaltend ist, die damit verbundenen Ziele sind ambitioniert.
R-Car Gen5 umfasst SoCs und MCUs, die das Unternehmen laut Vivek Bhan, Senior Vice President und Co-General Manager, High Performance Computing, Analog and Power Solutions Group (HPCSG) von Renesas Electronics, in den nächsten Jahren auf den Markt bringen will. Laut seiner Aussage adressiert das Unternehmen mit R-Car Gen5 entscheidende Trends im Automotive-Markt, gleichzeitig will Renesas damit eine bisher nicht erreichbare Skalierbarkeit ermöglichen, sprich ein Software-Reuse soll über eine breite Palette von Anwendungen und Fahrzeugmodellen möglich werden.
Mit Blick auf Markttrends verweist Bhan auf den Wechsel bei den E/E-Architekturen, angefangen bei einer verteilten Architektur, über eine Domänen-basierte hin zu einer zentralisierten/zonalen Architektur. Darüber hinaus erwartet Bhan auch eine enorme Zunahme an Daten, die im Auto verarbeitet werden müssen, was in der Summe dazu führt, dass die Rechenkapazitäten erheblich steigen müssen, aber auch mehr Anwendungen mit einer höheren Echtzeitleistung auszuführen sind.
Bhan weiter: »Die Produktfamilien, die wir mit R-Car Gen5 einführen, adressiert die Bedürfnisse von morgen und von übermorgen.« Darüber hinaus zeichne sich das Automotive-Portfolio mit R-Car Gen 5 durch eine hohe Skalierbarkeit bei der Rechenleistung aus, angefangen bei hochleistungsfähigen SoCs über die neuen Cross-MCUs bis hin zu den 16-bit-Controllern. Damit decke Renesas die gesamte Bandbreite im Automotive-Markt ab, einschließlich der verschiedenen Fahrzeugklassen, verschiedenen Anwendungen und verschiedenen Generationen.
»Dank der Skalierbarkeit und den Gemeinsamkeiten bei der Software und den verwendeten IP-Cores innerhalb des Produktspektrums machen wir es möglich, dass die Entwickler einen Großteil ihrer geschriebenen Software weiterverwenden können, das beschleunigt die Time-to-Market und senkt die Entwicklungskosten«, betont Bhan.
Bis zur vierten Generation hat Renesas seine R-Car SoCs für spezifische Anwendungsfälle entwickelt. Hierzu zählen z. B. ADAS/Autonomes Fahren – also Anwendungen, die eine hohe KI-Leistung erforderlich machen – sowie Gateway-SoCs mit erweiterten Kommunikationsfunktionen. Für R-Car Gen5 setzt Renesas bei seinen SoCs auf einen Chiplet-Ansatz. Damit schafft Renesas eine flexible Plattform, die sich an die verschiedenen Anforderungen der einzelnen Anwendungsfälle anpassen lässt. Auf der neuen Plattform sollen mehrere Prozessorvarianten, vom Einstiegs- bis zum Highend-Modell, zum Einsatz kommen, aber auch verschiedene KI-Beschleuniger sowie IP von Partnern und Kunden. Bhan: »Dies gibt Anwendern die Möglichkeit, Designs nach ihren individuellen Anforderungen zu gestalten.«
Auch wenn Bhan genaue Details noch nicht verraten will, betont er, dass R-Car Gen5 eine komplett andere Architektur als R-Car Gen4 ist, die im Vergleich dazu aber deutlich leistungsstärker ist. Egal ob es um DMIPS, TOPS oder GFLOPs geht, bei allen Parametern sollen die R-Car Gen5-SoCs eine deutliche Verbesserung gegenüber Gen4 aufweisen.
Zum Vergleich: Ein R-Car V4H basiert auf vier Cortex-A76-Applikationsprozessoren, die mit 1,8 GHz getaktet sind und eine Rechenleistung von 49k DMIPS aufweisen. Dazu kommen noch drei Lockstep-Cortex-R52-Kerne mit 1,4 GHz für eine Rechenleistung von insgesamt 9k DMIPS, sowie dedizierte KI- und Vision-Beschleuniger mit einer Gesamtleistung von 34 TOPS. Auch wenn Bhan nicht spezifizieren möchte, welche Prozessorkerne in den neuen R-Car Gen5-SoCs zum Einsatz kommen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um den Cortex-M85 handelt.
Das Unternehmen hat erst vor kurzem seine RA8-Serie auf Basis des Cortex-M85 auf den Markt gebracht und betont, dass der Cortex-M85 mit 6,39 Coremark/MHz die branchenweit beste Leistung aufweist, plus der integrierten Helium-Technologie zur Steigerung der DSP- und KI/ML-Leistung, plus TrustZone.
Bhan weiter: »Wir bieten mit R-Car Gen5 eine sehr offene und flexible Architektur an. Das heißt, den Entwicklern wird eine Reihe von Prozessorkernen zur Verfügung gestellt. Diese können dank des Chiplets-Ansatzes mit diversen Beschleunigern verbunden werden. Dazu gehören unsere eigenen KI-Beschleuniger mit hohen Spitzenwerten, aber es besteht auch die Möglichkeit für die Entwickler, ihre eigenen KI-Beschleuniger zu nutzen, um spezifische Anwendungen oder eine einzigartige Differenzierung zu ermöglichen.«
Eine weitere Leistungssteigerung gegenüber der vierten Generation von R-Car SoCs bringt die genutzte Prozesstechnologie. Zum Vergleich: Die R-Car V4H-SoCs werden mithilfe eines 7-nm-Prozesses gefertigt. Auch hier will Bhan keine Details verraten, gibt aber an, dass die fünfte Generation auch in diesem Punkt einen Schritt nach vorne macht. Es werde ein fortschrittlicher FinFET-Knoten genutzt, sodass die Vermutung nahe liegt, dass es im Bereich von 4 oder 5 nm liegen wird. Bhan kommentiert dahingehend, dass das Unternehmen mit dieser Prozesstechnik in eine Führungsposition im Markt gelangen wird.
Und auf die Frage, welche TOPS-Werte mit den R-Car Gen5-SoCs erreicht werden, »200 TOPS, 500 TOPS oder 1000 TOPs?«, antwortet Bhan: »Auf jeden Fall. Das Schöne an der SoC-Familie ist, dass wir eine breite Palette von Produkten haben werden, von sehr komplexen Produkten bis hin zu sehr einfachen Produkten. Auch die 1000 TOPS liegen absolut in der Größenordnung dessen, was wir mit dieser Produktfamilie ansprechen werden, sowohl bei der Rechenleistung als auch bei den Beschleunigern, was die KI-Leistung betrifft. Aber um es noch einmal zu wiederholen: Die Produktfamilie deckt nicht nur die komplexesten und integriertesten Lösungen ab, sondern bietet auch eine Reihe von Produkten, die verschiedene Marktsegmente und unterschiedliche OEM-Anforderungen von Low-End bis High-End abdecken können«, so Bhan weiter.
»Mit R-Car Gen5 findet gleichzeitig auch eine sehr umfangreiche Erweiterung unserer MCU-Produktpalette statt«, erklärt Bhan. Es wird zwei Varianten geben: Eine MCU-Familie, die ebenfalls auf Arm basiert, sodass Entwickler von den Vorteilen der Software und des umfangreichen Ecosystems von Arm profitieren können, wenn sie diese neuen MCUs für die Entwicklung von Antriebsstrang-, Karosseriesteuerungs-, Fahrwerks- und Kombiinstrumenten-Systemen einsetzen.
Die zweite Variante sind die sogenannten Crossover-MCUs, die die Leistungslücke zwischen SoCs und traditionellen MCUs schließen soll. Diese Leistungsklasse ist aus der Sicht von Renesas notwendig, weil es mit der Weiterentwicklung der E/E-Architektur für Domain Control Units (DCUs) und Zone Control Units (ZCUs) immer wichtiger werde, sowohl eine hohe Rechenleistung als auch Echtzeitverarbeitung zu ermöglichen.
Und diese Anforderungen decke Renesas mit seiner Arm-basierten 32-Bit Crossover-R-Car-MCU-Plattform mit integriertem NVM (Non Volatile Memory) ab, die eine höhere Performance als herkömmliche MCUs bietet. Bhan betont abermals: »Alle Komponenten aus R-Car Gen5 basieren auf Arm-Cores und das erhöht die Skalierbarkeit und die Reichweite der Produktfamilie erheblich.«
Software-Entwicklungsumgebung
Da die Software in der Automobilindustrie immer umfangreicher und komplexer wird, ist der herkömmliche Ansatz, eine Hardware-Basis für die Softwareentwicklung zu nutzen, nicht mehr zeitgemäß. Grund hierfür ist der langwierige Hardware-Produktionsprozess. Renesas nimmt laut Bhan bereits jetzt eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung virtueller Entwicklungsumgebungen für Anwendungssoftware ein. Das Unternehmen bietet hierfür leistungsstarke Debugging- und Evaluierungstools zur Analyse und Bewertung der Softwareperformance an.
Renesas wird diese Tools ab dem 1. Quartal 2024 für die nächste Prozessorgeneration zur Verfügung stellen. Damit können Anwender ihre Softwareentwicklung beschleunigen, noch bevor Prototypen der nächsten Hardwaregeneration verfügbar sind. Dadurch lassen sich Produkte noch schneller auf den Markt bringen.
Bhan abschließend: »R-Car Gen5 steht für eine vollständige Skalierbarkeit, die von sehr einfachen Steuer-MCUs über halbkomplexe Zonal-Domain-MCUs bis hin zu komplexeren Crossover-MCUs und einer Reihe von SOC-Produkten reicht, die jedes Marktsegment in der Autoindustrie abdecken.«