Ein gemeinsamer Standard für das Energiemanagement könnte zum Durchbruch beim Energiemanagement und bei der Batterieeffizienz von Elektrofahrzeugen (EVs) beitragen. Als Vorbild dient eine Norm aus der PC-Industrie.
Wenn es darum geht, die Effizienz von E-Auto-Batterien zu verbessern, kommt der Automotive-Sektor nur sehr langsam voran – ein entscheidendes Hemmnis, das den Wandel zur Elektromobilität bremst. Effizienzsteigerung beinhaltet dabei nicht nur, die Reichweite des Fahrzeugs zu erhöhen und Akku-Ladezeiten zu verringern. Mittelfristig müssen – durch Energieeinsparungen auf Fahrzeugebene – auch Größe, Gewicht und Kosten der Antriebsbatterie reduziert werden. Nur so kann eine nachhaltige globale Lieferkette für Elektrofahrzeuge entstehen. Schließlich stellen die Batterien aktuell einen enormen Kostenfaktor dar und sind zudem wenig nachhaltig.
Wie also lassen sich Batterien effizienter machen? Ein zentraler Hebel ist das Energiemanagement. Leider verfolgen dabei alle Beteiligten, vom Anbieter von Batteriemanagementsystemen bis zum OEM, bislang zum Teil sehr unterschiedliche Ansätze. Jeder EV-Hersteller gestaltet die E/E-Architektur seiner Fahrzeuge anders. Was bislang komplett fehlt, ist eine Standardisierung in diesem Bereich.
Die aktuelle Vielfalt an Ansätzen erschwert die Entwicklung interoperabler Lösungen zwischen verschiedenen Herstellern. Jedes Fahrzeug besteht aus einer Vielzahl an Steuergeräten von Dutzenden verschiedener Anbieter. Je unterschiedlicher die Komponenten sind, desto komplexer wird die Zusammenführung in einem System. Und desto aussichtsloser ist das Unterfangen, eine effiziente Fahrzeugarchitektur zu entwickeln.
Um den dringend benötigten Durchbruch bei der Energieeffizienz zu erreichen, sind proprietäre Innovationen der falsche Weg. Nur wenn die gesamte Automobilindustrie und ihre Partner entlang der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen, kann flächendeckend eine effizientere und nachhaltigere Elektromobilität entstehen. Ein gemeinsamer Standard ist die Voraussetzung dafür.
Erst kürzlich traf sich die Branche beim SAE World Congress 2024 zusammen, der Mitte April in Detroit stattgefunden hat. Die Konferenz brachte über 5000 Maschinenbau-, Elektro- und Software-Ingenieure sowie Führungskräfte und Entscheider von traditionellen und nicht traditionellen Mobilitätsunternehmen, OEMs und Zulieferern zusammen, um sich zu vernetzen und Branchenthemen wie Elektrifizierung, das softwaredefinierte Fahrzeug und Fahrzeugstandards zu diskutieren.
Für vergleichbare Erfahrungswerte lohnt ein Blick über den Tellerrand, insbesondere auf die PC-Industrie. Eine Branche, die sich vor mehr als zwanzig Jahren dank der Einführung eines offenen Standards namens »Advanced Configuration and Power Interface« (ACPI) gewandelt hat. Dieser hat den Stromverbrauch von CPUs um bis zu 60 Prozent gesenkt. Verantwortlich dafür war die Entwicklung eines zentralen Energiemanagements auf Ebene des Betriebssystems, das je nach Bedarf abgestufte Energiezustände ermöglichte. Dieses Konzept lässt sich problemlos auf vernetzte und softwaredefinierte Fahrzeuge (SDV) ausweiten.
Denn die Phase, in der sich E-Fahrzeuge aktuell befinden, ist vergleichbar mit der der ersten Laptops Anfang der 1990er Jahre, als die Welt den Sprung von Desktops, die eine konstante Stromquelle benötigten, zu einer neuen Ära mobiler Computer machte. Dank ACPI und anderer Standards konnte dieser verschwenderische Energieverbrauch nach und nach gesenkt werden, was zu wesentlich längeren Akkulaufzeiten und tragbareren Geräten führte.
Ganz ähnlich verhält es sich mit modernen Elektrofahrzeugen. Sie basieren häufig 1:1 auf einer konventionellen ICE-Fahrzeugplattform (Internal Combustion Engine: Verbrennungsmotor). Die Architektur eines Autos hat sich in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert. Sie ist entstanden rund um den Verbrennungsmotor – ausgelegt auf eine selbst im Leerlauf reichhaltige Energiequelle. Alle elektrischen und elektronischen Komponenten des Fahrzeugs, die im Laufe der Jahrzehnte hinzukamen, wurden daher auf einen kontinuierlichen Spitzenstromverbrauch hin entwickelt. Mittlerweile sind in jedem Auto jedoch durchschnittlich mehr als 100 elektronische Steuergeräte (ECUs) verbaut. Entsprechend riesig ist der (unnötige) Energieverbrauch. Warum sollte beispielsweise eine ECU für die Sitzheizung mitten im Hochsommer wertvolle Batterieleistung verbrauchen?
Wie bei den Laptops geht es bei EVs also darum, Energiezustände kontrollieren und anpassen zu können – abhängig vom jeweiligen Bedarf, der Umgebung und der Fahrsituation. Wie können die verbauten ECUs in dieser Hinsicht optimiert werden? Das ist die Frage, die ein gemeinsamer Standard beantworten muss, um das Energiemanagement entscheidend voranzutreiben.
Häufig hören wir den Einwand, dass mit modernen SDV-Konzepten, bei denen die Workloads auf einer zentralen Rechenplattform konsolidiert werden, die Zahl der ECUs abnimmt und sie deshalb eine weniger wichtige Rolle für das Energiemanagement spielen. Das verkennt jedoch die Tatsache, dass es sich beim zentralen Rechensystem selbst um eine ECU handelt – die vermutlich leistungsstärkste und energiehungrigste im gesamten Fahrzeug.
Die Antwort ist daher klar: Ein zentrales Energiemanagement auf Fahrzeugebene ist nötig, um den Energiezustand aller ECUs im Fahrzeug zu ermitteln und zu steuern. So lässt sich der Verbrauch des Gesamtsystems optimieren. Intel arbeitet deshalb an einem Standard, der genau dies in den Mittelpunkt stellt. Dazu hat das Unternehmen den Vorsitz in einer neuen internationalen SAE-Norm (J3311) angetreten, die sich aktuell mit der Ausarbeitung beschäftigt.
Die Kernidee ist die Definition eines Energie-Arbiters, der innerhalb des Fahrzeugs festlegt, wann jedes Steuergerät in einen niedrigen oder hohen Energiezustand übergehen soll – immer im Kontext der gesamten Fahrzeug-Plattform. Dadurch lässt sich der Stromverbrauch jeder einzelnen Komponente optimal konfigurieren. Der Standard orientiert sich eng an den Erfahrungen aus der Entwicklung von ACPI. Die Energiemanagement-Architektur besteht dabei aus drei Stufen:
Basierend auf dieser Methode des intelligenten Energiemanagements definiert der Standard drei Ansatzpunkte, mit denen sich signifikante Energieeinsparungen erreichen lassen.
Über allem steht das Ziel, den Energieverbrauch von EVs erheblich zu senken, um die Reichweite und den Verschleiß von Elektrobatterien langfristig zu verbessern, ohne dass die Leistung oder die Sicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigt wird.
Die Einführung eines solchen standardisierten Vorgehens wird keinesfalls dazu führen, dass sich Automobilhersteller nicht mehr von Wettbewerbern abheben können. Eine differenzierte Umsetzung muss und wird weiterhin möglich sein. So kann ein OEM beispielsweise festlegen, wann ein einzelnes Steuergerät in Abhängigkeit von den verschiedenen Fahrmodi in einen Zustand mit niedrigem oder hohem Stromverbrauch übergehen soll. Und der ECU-Zulieferer kann individuelle Algorithmen zur Energieeinsparung implementieren.