Wie beeinflussen Grenzsituationen wie Schlaglöcher oder Bordsteinkanten die Zuverlässigkeit und Effizienz des elektrischen Antriebsstrangs eines Elektrofahrzeugs? Für Sicherheit unter allen Bedingungen sorgen entwicklungsbegleitende Messungen im Hochvolt-Umfeld.
In Elektrofahrzeugen sind Strom und Spannung wichtige Größen, die Sicherheit, Performance und Komfort im Wesentlichen bestimmen. Beim elektrischen Antriebsstrang handelt es sich um ein komplexes Gebilde, bestehend unter anderem aus HV- und NV-Batterie, Elektromotor, Inverter und diversen Nebenverbrauchern, die zueinander in Wechselwirkung stehen. Für einen idealen Betrieb des Fahrzeugs über die gesamte Lebensdauer müssen daher zahlreiche Tests – auf dem Prüfstand und im Fahrversuch – hochvoltsicher und präzise durchgeführt werden. Mit im Blick: Fahrsituationen, die Belastungen für das Antriebssystem bedeuten und die Analyse, ob und wie sich diese auswirken.
Um die Qualität und Funktionsweise aller elektrischen Verbraucher und des Antriebsstrangs für die geplante Lebensdauer zu prüfen, müssen Hersteller schon bei der Entwicklung neuer E-Fahrzeuge diverse Untersuchungen im Hochvolt-Umfeld durchführen. Mit den Tests soll ein reibungsloser und sicherer Betrieb für alle Szenarien der Benutzung überprüft werden. Allerdings sind nicht nur der „Normalbertrieb“ des Fahrzeugs von hoher Relevanz, sondern besonders die Ausnahmen – bezogen auf das elektrische Antriebssystem wären das beispielsweise Spannungsspitzen.
Diese treten unter anderem bei kritischen Fahrsituationen auf, ausgelöst durch Schlaglöcher oder Kollisionen mit dem Bordstein. Hier entstehen durch die äußeren Einwirkungen Lastwechsel, die sich negativ auf das HV-Bordnetz auswirken können. Aus diesem Grund sind neben dem Prüfstand auch Messungen im Fahrversuch notwendig, weil sich nur so solche Risikofahrten mit Belastungen im Grenzbereich realitätsnah überprüfen lassen.
HV-sichere Strommessungen lassen sich mittels Nullfluss-Stromwandlern oder durch Shunt-basierte Technologien realisieren. Messungen mit Nullfluss-Stromwandlern bieten sich vor allem da an, wo HV-Kabel nicht dauerhaft aufgetrennt werden können oder dürfen, weil sie auf einem kontaktlosen Messprinzip basieren. Wegen der hohen Leistungsaufnahme dieser Stromwandler müssen sie jedoch extern mit Strom versorgt werden. Durch den aufwändigen Messaufbau eignet sich die Variante daher nur bedingt für den Fahrversuch.
Bei Messungen mit Messmodulen, die auf einer Shunt-Technologie basieren, werden Ströme direkt in den HV-Leitungen gemessen, weshalb diese geöffnet und angeschlossen werden müssen. Werden in den Modulen außerdem Spannungen gemessen, kann gleichzeitig eine präzise und synchrone Leistungsberechnung erfolgen. Weil ein zusätzliches Leistungsmessgerät entfällt, können die Geräte im Fahrzeug bleiben - keine zwei Messaufbauten für den Prüfstand und Fahrversuch, sondern eine enorme Zeit- und Kostenersparnis durch einmalige Instrumentierung.
Für HV-sichere Messanwendungen hat CSM die HV-Breakout-Module (HV BM) speziell für Messungen in HV-Spannung-führenden Kabeln entwickelt.
In den Shunt-basierten, robusten Messmodulen werden die Rohdaten mit einer Messdatenrate von bis zu 2 MHz pro Kanal erfasst. Dabei können Spannung (U) und Strom (I) mit Arbeitsspannungen bis zu 1000 V (Messbereich bis zu ±2000 V) und Ströme bis zu ±1000 A (Nennwert), ±2000 A (Peak) gemessen werden.
Im Inneren der Module ist die Sensorik und Messelektronik gemeinsam in einem abgeschirmten und kompakten Gehäuse untergebracht. Auf diese Weise entfallen lange, störanfällige Signalleitungen, und die Messtechnik kann zudem dezentral an der Messstelle platziert werden. Weil in den Modulen Strom (über einen Shunt) und Spannung synchron abgegriffen werden, bieten sie die ideale Grundvoraussetzung für Leistungsberechnungen.
Darüber hinaus verfügen alle Varianten der HV-Breakout-Module über ein integriertes Schirmungskonzept: Zusatzarbeiten am Kabelschirm – wie sie bei der Anwendung von Stromwandlern nötig wären – entfallen. Dank der robusten Ausführung in Schutzklasse IP 67 und einem Betriebstemperaturbereich von -40 bis +120°C eignen sich die HV-Breakout-Module auch für den mobilen Einsatz im Fahrversuch. Unterschiedliche Modultypen können hierbei je nach individueller Messaufgabe ausgewählt oder miteinander kombiniert werden.
Soll einphasig zusätzlich noch der Schirmstrom erfasst werden, bietet sich das HV BM 1.2+S an: Es erfasst gleichzeitig Schirmströme bis zu ±250 A (Nennwert), ±500 A (Peak), weil ein weiterer Shunt integriert ist, an den der Kabelschirm angeschlossen wird. Sollen die Symmetrien der HV-Potentiale zur Fahrzeugmasse überprüft werden, kann stattdessen das HV BM 1.2+U eingesetzt werden: Es erlaubt die Messung von drei Spannungen und Strom.
Für die aktuellen Entwicklungstrends bei On-Board-Ladegeräten (OBC) hat CSM das HV BM 3.1 OBC entwickelt. Es eignet sich speziell für ein- bis dreiphasige Messungen von Strom, Spannung und Leistung in Netzspannung führenden Kabeln. Es kommt daher besonders für Messungen an AC-Ladevorgängen zum Einsatz, beispielsweise zur Interoperabilitätserprobung von On-Board-Ladegeräten.
Wenn in beengten Bauräumen Innenleiterstrom und Spannung gemessen sowie eine Leistungsanalyse der elektrischen Komponenten durchgeführt werden soll, können die HV-BM-Split-Varianten verbaut werden. Mit der gleichen Shunt-Technologie wie die übrigen HV-Breakout-Module ausgestattet, besteht die Split-Variante aus drei Komponenten: einem Sensormodul für die Strommessung, einem HV-Breakout-Modul oder -Kabel für den Spannungsabgriff und einem Messmodul für die Erfassung der Messwerte. Durch den geteilten Aufbau sind die einzelnen Komponenten deutlich kleiner und können dort verbaut werden, wo Platz für Messtechnik verfügbar ist.
Für Berechnungen direkt in den HV-Breakout-Modulen kann die Option Calculated Channels aktiviert werden. Mit ihr lassen sich aus den abgetasteten Messwerten Wirk-, Schein- und Blindleistung, Leistungsfaktor sowie die Effektivwerte für Strom und Spannung direkt im Modul berechnen. Die Effektiv- und Leistungswerte werden je nach Modultyp über CAN und XCP-on-Ethernet als gesonderte Messkanäle direkt an den Messrechner weitergegeben. Dadurch sind Signal- und Leistungsanalysen ohne den Einsatz von spezieller Hard- und Software durchführbar.
Tiefergehende Auswertungen der Messergebnisse können mit CANape und vMeasure von Vector Informatik erfolgen. Die Software bietet mit der Funktionsbibliothek eMobilityAnalyzer zahlreiche Analysen relevanter Leistungsparameter und ist passend auf die CSM-Messmodule abgestimmt.
Für Strom- und Spannungsmessungen im Rahmen der Entwicklung von E-Fahrzeugen sind ausführliche Tests im HV-Umfeld sowohl auf dem Prüfstand als auch im Fahrversuch nötig. Je nach Anforderung können hard- und softwareseitig unterschiedliche Technologien verwendet werden. Bei Anwendungen, die einen Eingriff im die HV-führenden Stromkabel erlauben, bietet sich Shunt-basierte Messtechnik wie die HV-Breakout-Module von CSM an. In robusten und abgeschirmten Gehäusen können sie auch im rauen Fahrversuch in den Testfahrzeugen verbleiben. So ist eine weitere Instrumentierung unnötig, während die Messdaten aus allen Tests durch die gleichbleibende Messtechnik miteinander vergleichbar bleiben.