In der Vergangenheit haben Sie betont, dass Sie in Frankfurt/Oder zu den gleichen Kosten wie in China produzieren können. Trifft diese Behauptung heute noch zu?
Wir haben das vor knapp einem Jahrzehnt bei den PV-Steckverbindern versucht und uns dabei eine blutige Nase geholt. Das bezieht sich aber ausschließlich auf das Massengeschäft! Ganz anders sieht es bei kleinen und mittleren Stückzahlen aus. Bei diesem High-Mix-Low-Volume-Geschäft sind die Vorteile dieses Standorts unschlagbar. Wir fertigen hier aktuell in einem Zweischichtbetrieb, können bei Bedarf aber auch in drei Schichten, sieben Tage die Woche produzieren. Wir fertigen hier für Kunden Stückzahlen von 100 Stück bis über 1 Million. Und das mit einer sehr hohen Variantenbreite.
Als vor über einem Jahrzehnt die Entscheidung für die Ansiedelung in Frankfurt/Oder fiel, standen auch andere Standorte zur Auswahl. Warum dort?
Wir hatten damals die Wahl zwischen möglichen Standorten in Polen, Bulgarien und Rumänien. In den Gesprächen, die ich zu der Zeit mit meinem Bruder führte, kam auch zur Sprache, dass unser Großvater aus Lukau im Spreewald stammte und immer von dieser Region geschwärmt hatte. Es gab die Möglichkeit, mit der Entscheidung für Frankfurt/Oder etwas für den Standort Deutschland zu tun, und das haben wir getan. Für Yamaichi Electronics hat sich diese Entscheidung ohne Zweifel ausgezahlt.
Sehen Sie Yamaichi Electronics als eine Art Speedboat im Vergleich zu den Supertankern der Branche?
Speedboat trifft es sehr gut! Wir haben diese Firma in bester deutscher Tradition nach dem Studium 1986 als Zwei-Mann-Firma gegründet. Unser Asset war von Beginn an die Technologie. Yamaichi Electronics hat sich für unser Produkt interessiert, das Potenzial gesehen und ist 1991 als Hauptanteilseigner eingestiegen. Unser Anspruch war und ist es immer noch, die letzte technische Herausforderung für den Kunden zu lösen. Ich bin noch immer ein Technik-Freak, und ich stehe dazu! Vor diesem Hintergrund ist Yamaichi Electronics heute in den Bereichen, in denen wir von Frankfurt/Oder aus tätig sind, ein japanisches Unternehmen mit deutscher Ingenieurs-DNA.
In welchem Maße tragen heute die verschiedenen Anwendungsbereiche wie Industrieautomatisierung, KFZ-Elektronik oder das Testsockelgeschäft zum Unternehmensumsatz in Europa bei?
Unser größtes Absatzsegment in Europa war im Geschäftsjahr 2019/20 das Industriesegment mit 35 Prozent, gefolgt von Automotive mit 24 Prozent und dem Halbleitergeschäft mit 16 Prozent. Letzteres bezieht sich vor allem auf IC-Sockel. Es folgen Data Networking mit 10 Prozent sowie Medizintechnik und Instrumentierung mit jeweils 5 Prozent.
Welchen Beitrag leistet das Europageschäft zum Gesamtumsatz von Yamaichi Electronics?
Wir haben in Europa im Geschäftsjahr 2019/20 mit 65,6 Millionen Euro zum Gesamtumsatz des Unternehmens von 226 Millionen Euro beigetragen. Damit liegt unser Anteil wie in den letzten Jahren auch in etwa bei 30 Prozent des Unternehmensumsatzes.
Das Bundeskartellamt rechnet vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie mit einer steigenden Zahl von Übernahmen. Erwarten Sie das auch in der Verbindungstechnik? Würden Übernahmen in Ihr Business-Konzept passen?
Durch die Corona-Krise bedingte Übernahmen würde ich für unsere Branche ausschließen. Die Großen der Branche sind extrem gut finanziell ausgestattet. Da könnte ich mir höchstens den Zukauf kleiner Spezialisten vorstellen. Für Yamaichi Electronics kann ich Übernahmen ausschließen – wir investieren dagegen weiterhin massiv in die Entwicklung. Die Früchte dieser Entwicklung schützen wir dann mit Patenten – der Schutz unseres geistigen Eigentums ist für unsere Zukunft extrem wichtig!
Sehen Sie mit der heraufziehenden E-Mobility neue Ansatzpunkte und Geschäftsfelder für die Verbindungstechnik entstehen, ähnlich wie vor zehn Jahren im PV-Bereich?
Für die Überwachung der Batterien in den Hybrid- und Elektrofahrzeugen bedarf es spezieller Flachkabelsysteme. Wir arbeiten hier bereits an Projekten für große OEMs. Parallel dazu erfordert das autonome Fahren Hochgeschwindigkeits-Bussysteme für die dort eingesetzten Supercomputer im Auto. Die da zu transportierenden Datenmengen sind episch. Entsprechende Steckverbinder und Kabelsysteme werden in drei bis fünf Jahren in Serie gehen.