Wir haben unseren Power-Experten Ralf Higgelke zu den aktuellen Batterietechniken, ihren Eigenschaften und Unterschieden sowie ihren Zukunftsaussichten für die Elektromobilität befragt.
Ralf Higgelke, Redakteur im Bereich Stromversorgung, gibt im Rahmen der Themenwoche »Alternative Antriebe« einen Einblick in die aktuellen Technologien für Batterien im Bereich neue Mobilität.
Bei der Elektromobilität dominieren Lithium-Ionen-Zellen derzeit unumschränkt.
Lithium ist als Ladungsträger quasi ideal. Nach Wasserstoff und Helium ist es das kleinste Atom mit nur drei Protonen und der leichteste Feststoff überhaupt. Damit hat Lithium gegenüber allen anderen Elektronendonatoren einen naturgegebenen Vorteil, wenn es um Dichte und Gewicht geht.
Daher haben alle anderen Batteriechemien für die Elektromobilität derzeit keine praktische Bedeutung. Und so wird es bis Mitte dieses Jahrzehnts bleiben. Dann aber könnten die Karten neu gemischt werden.
Stimmt. Lithium-Ionen-Zellen unterscheiden sich in erster Linie durch die verwendeten Kathodenmaterialien. Für die Elektromobilität haben sich zwei Materialien durchgesetzt. Die überwiegende Mehrheit setzt auf Nickel-Mangan-Kobalt, kurz NMC. Die andere Fraktion, zu der auch Tesla und Panasonic gehört, setzt auf Nickel-Kobalt-Aluminium, kurz NCA.
Dort stehen vor allem zwei Aspekte im Rampenlicht: Reichweite und Zyklenfestigkeit.
Geht es um Reichweite, ist die gravimetrische Energiedichte der Zelle der maßgebliche Parameter. Und da ist die Kleinheit die Trumpfkarte, die das Lithium-Ion ausspielen kann. Eine höhere gravimetrische Energiedichte gibt dem Automobil-OEM zwei Freiheitsgrade: Entweder er kann eine kleinere Batterie bei gleichbleibender Reichweite einsetzen oder bei gleichbleibender Batterie kann er die Reichweite des Fahrzeugs erhöhen.
Bei NMC-Zellen, wie sie die meisten Automobil-OEMs verwenden, liegt dieser Wert bei 150 bis 220 Wh/kg. Die Grenze liegt wohl bei um die 250 Wh/kg. Panasonic und Tesla nutzen NCA-Zellen, die eine etwas höhere Energiedichte von 240 bis 270 Wh/kg haben.
Zwar sind mit anderen Batteriechemien theoretisch viel höhere Energiedichten als die genannten möglich, aber dann leidet die Zyklenfestigkeit, also wie oft eine Zelle aufgeladen und entladen werden kann. Es muss also immer der optimale Kompromiss gefunden werden.
Bei den Zellformaten ist die Rundzelle 18650 am weitesten verbreitet. Sie ist ein wenig größer als eine Doppel-A-Zelle. Tesla hat da den Standard gesetzt, denn als das Unternehmen begann, war vor allem dieser Zelltyp in großen Stückzahlen verfügbar, weil er in Laptops verbaut wird.
Derzeit arbeitet Tesla zusammen mit Partnern an einem neuen Zellformat namens 4680. Damit ist sie ungefähr so groß wie eine Red-Bull-Dose. Tesla will sie noch in diesem Jahr vorstellen und soll die sechsfache Leistung und die fünffache Energiemenge der aktuellen Tesla-Zelle bieten, sodass die Reichweite bei gleichem Volumen um hochgerechnet 16 Prozent steigen könnte.
Seit Jahren wird an Batterien geforscht, die ohne Lithium und vor allem ohne Kobalt auskommen. Praktisch alles Lithium weltweit kommt aus vier Ländern: Australien, Chile, China und Argentinien. Man ist also von einigen wenigen Ländern abhängig. Außerdem ist die Gewinnung von Lithium nicht gerade umweltfreundlich.
Das noch größere Problemmaterial ist Kobalt, das in den Kathoden verwendet wird. Dessen Reserven sind begrenzt und es ist mit erheblichen ökologischen und humanitären Problemen verbunden.
Eine Batteriechemie, die großes Potenzial hat, ist die Natrium-Ionen-Zelle. Natrium gibt es buchstäblich wie Wasser im Meer; es ist das sechsthäufigste Element auf der Erde. Damit hat die Natrium-Ionen-Batterie das Potenzial, viel kostengünstiger zu sein als ihre Gegenstücke aus Lithium.
Und auch in deren Kathode kommt kein Kobalt mehr vor. In der Regel verwendet man dort Natriummetalloxid.
Der chinesische Batteriegigant CATL hat im Juli eine erste kommerzielle Natrium-Ionen-Zelle vorgestellt. Deren Energiedichte soll bei 160 Wh/kg liegen. Die nächste Generation soll mehr als 200 Wh/kg haben, also im Bereich heutiger Lithium-Ionen-Akkus liegen. Großer Vorteil der Natrium-Ionen-Zelle ist neben dem Preis, dass sie wesentlich unempfindlicher gegenüber Kälte ist als eine Lithium-Ionen-Zelle.
Im Rahmen einer Recherche haben wir verschiedene Batterieexperten befragt, wie sie die Marktfähigkeit von Natrium-Ionen-Zellen einschätzen. Die allermeisten sind der Meinung, dass sie Lithium-Ionen-Batterien in all den Anwendungen ergänzen oder sogar zu ersetzen könnten, wo Energiedichte nicht oberste Priorität hat. Das trifft beispielsweise auf stationäre Anwendungen zu, auf Flurförderfahrzeuge, leichte Nutzfahrzeuge, im Stadtverkehr, bei Lieferdiensten, bei der Müllabfuhr oder bei Stadtautos und Motorrollern.
Sicher nicht, das sagen alle Experten. Interessant ist auch, dass CATL zusammen mit der Natrium-Ionen-Zelle ein Batteriepack vorgestellt hat, das Lithium- und Natrium-Ionen-Zellen kombiniert, um das Beste aus beiden Welten zu nutzen. Das könnte mittelfristig ein guter Weg sein, um die mangelnde Temperaturfestigkeit von Lithium-Ionen-Zellen einerseits und die niedrigere Energiedichte von Natrium-Ionen-Zellen andererseits zu kompensieren.
Aber bis Natrium-Ionen-Zellen in größeren Stückzahlen verfügbar sind, sollen nach Aussage von CATL noch zwei Jahre vergehen.
Das ist ein Pluspunkt für Natrium-Ionen-Batterien. Alle von uns befragten Experten waren sich einig, dass sich diese ohne größeren Aufwand auf den gleichen Linien fertigen lassen wie Lithium-Ionen-Zellen. Das bedeutet, dass die überall wie Pilze aus dem Boden schießenden Gigafactories auch Natrium-Ionen-Batterien fertigen könnten.
Leider ist Europa bei Natrium-Ionen-Batterien wieder einmal nicht mit vorne dabei. Im Rahmen unserer Recherche bestätigten uns sowohl Professor Passerini vom Helmholtz-Institut in Ulm als auch Professor Jossen von der TU München, dass es hierzulande keine nennenswerten Forschungsanstrengungen zu Natrium-Ionen-Zellen gibt. Schade.
Lithium-Metall- und Lithium-Festkörper-Batterien sind sicher der nächste Sprung. Daran wird weltweit mit Hochdruck geforscht. Um zu veranschaulichen, warum man sich davon verspricht, will ich mal die gravimetrischen Energiedichten gegenüberstellen. Moderne Lithium-Ionen-Zellen haben um die 220 Wh/kg. Schätzungen gehen davon aus, dass Lithium-Metall-Batterien ungefähr um den Faktor 2,5 höhere Energiedichten haben. Das heißt in eine knapp halb so große Batterie bekomme ich die gleiche Energie rein und damit die gleiche Reichweite.
In diesen Korridor passt beispielsweise die Lithium-Metall-Batterie, die ein Team von Professor Passerini vom Helmholtz-Institut in Ulm kürzlich im Fachmagazin Joule vorgestellt hat. Ihre Energiedichte liegt bei 560 Wh/kg, und über 1000 Ladezyklen bleibt die Kapazität zu 88 Prozent erhalten.
Die heute gängigen Lithium-Ionen-Zellen haben eine Anode aus Graphit, eine Kathode aus diesen verschiedenen Metallen sowie einen flüssigen Elektrolyten.
Lithium-Metall-Zellen haben weiterhin einen flüssigen Elektrolyten, aber die Kathode besteht nun aus metallischem Lithium.
Bei Lithium-Festkörper-Zellen schließlich ist auch der Elektrolyt ein Feststoff und keine Flüssigkeit mehr.
Großer Knackpunkt ist das Wachstum von Dendriten. Wenn Lithium-Ionen beim Laden von der Kathode zur Anode aus metallischem Lithium wandern, kann es passieren, dass sie sich nicht gleichmäßig anlagern, sondern wie ein verästelter Baum in den Elektrolyten wachsen. Und wenn ein solcher Dendrit schließlich den Separator – also die Schicht, die Plus- und Minuspol voneinander trennt – durchsticht, dann kommt es zu einem Kurzschluss mit möglicherweise fatalen Folgen.
Wesentlicher Forschungspunkt ist daher, wie man das Wachstum von Dendriten verhindert oder so gestaltet, dass sie den Separator nicht durchstechen.