Datenanbindung per Satellit

Zuverlässige Fahrzeugkommunikation auch im Notfall

14. März 2023, 14:00 Uhr | Autor: Paul Morris, Redaktion: Irina Hübner
Mobilfunknetze allein gewährleisten die Fahrzeugkommunikation für Kartierung, Infotainment und Notfallkommunikation nicht. Die Kommunikation per Satellit ist kosteneffizient als Ausfallschutz implementiert. Doch einige Herausforderungen gibt es
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Mobilfunknetze allein können die Fahrzeugkommunikation für Kartierung, Infotainment und Notfallkommunikation nicht zuverlässig gewährleisten. Die Kommunikation per Satellit lässt sich kosteneffizient als Ausfallschutz implementieren, doch dabei ergeben sich einige Herausforderungen.

Die Fähigkeit von Fahrzeugen, mit hohen Datenübertragungsraten zu kommunizieren, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Vernetzung treibt neue Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie voran, beispielsweise Abonnementdienste oder Mobilität als Dienstleistung. Datenanbindung ist daneben auch für die Sicherheit von immer entscheidenderer Bedeutung, da beim automatisierten und autonomen Fahren V2X-Kommunikation (Vehicle-to-Everything) für den Austausch von Informationen zu Gefahren zwischen den Verkehrsteilnehmern genutzt wird.

Die Insassen erwarten darüber hinaus, dass sie bequem von ihrem Platz aus telefonieren, »zocken« und Musik hören können – egal, wo sie sich befinden. Damit ist die Datenanbindung zu einer wesentlichen Anforderung an Fahrzeuge geworden. Die Herausforderung besteht darin, dass die herkömmlichen Optionen für die WAN-Anbindung (Wide Area Network) nicht die erforderlichen Verfügbarkeiten bieten.

Die Mobilfunkabdeckung in Deutschland reicht nicht aus, um ständige Datenanbindung für jede Anforderung zu garantieren
Bild 1. Die Mobilfunkabdeckung in Deutschland reicht nicht aus, um ständige Datenanbindung für jede Anforderung zu garantieren.
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Die ursprünglichen Pläne für V2X basierten auf der Nutzung von WLAN zwischen den Fahrzeugen sowie auf der Nutzung von 5G-Mobilfunk (Bild 1). Diese beiden Optionen reichen jedoch nicht aus, um den Bedarf an ständiger Datenanbindung zu decken. Selbst in Japan, wo eine flächendeckende 4G-Abdeckung vorhanden ist, gibt es immer noch Gebiete, in denen Geräte nicht auf eine Basisstation zugreifen können, weil sie zu weit entfernt oder durch geografische Gegebenheiten blockiert ist. Die einzige Technik, die praktisch überall auf der Welt eine Abdeckung im Freien bieten kann, ist die Satellitenkommunikation.

Der Umfang der Satellitenkommunikation nimmt rasch zu. Laut einer Studie von McKinsey aus dem Jahr 2020 wird die Zahl der aktiven Satelliten bis zum Ende des Jahrzehnts auf 50.000 ansteigen, gegenüber lediglich 3000 Stück im Jahr 2020. Obwohl ein Großteil dieses Wachstums auf Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn (Low-Earth Orbit, LEO) entfällt, werden geostationäre Satelliten (GEO) für die Kommunikation wichtig bleiben, da sie eine vollständige globale Ab- deckung in den entlegensten Regionen der Erde ermöglichen.

Die Vorteile des Ka-Bands für die Datenanbindung

Eine zweite Entwicklung, die das Skalieren der Bandbreite ermöglicht und somit die Anforderungen der Automobilindustrie erfüllen kann, ist der Mehrstrahl-/Multibeam-Betrieb, bei dem eine Reihe von Antennen mit digitaler Steuerung mehrere schmale HF-Strahlen parallel aufbauen und lenken. Damit lassen sich Daten mit hohen Übertragungsraten an verschiedene Nutzer weiterleiten.

In diesem Szenario bieten Satellitenbänder mit höheren Frequenzen einen entscheidenden Vorteil gegenüber den S- und Ku-Bändern, die von einigen bestehenden Satelliten-Kommunikationsdiensten genutzt werden. Das Ka-Band arbeitet im Frequenzbereich von 26,5 bis 40 GHz und ermöglicht die Verwendung kleinerer Antennen sowohl an der Bodenausrüstung als auch an den Satelliten – im Vergleich zu den S- und Ku-Bändern. Dies trägt auch dazu bei, die Kosten für den Start oder den Bau von Satelliten zu senken.

Mehrere Forschungsinitiativen haben dazu beigetragen, das Konzept der auf Beamforming basierenden Ka-Band-Kommunikation umzusetzen, darunter das von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ins Leben gerufene Programm Advanced Research in Telecommunications Systems (ARTES). ARTES hat maßgeblich an der Entwicklung praktikabler Systeme für den Einsatz in Satelliten als auch in Fahrzeugen am Boden beigetragen.

Beamforming hat zwar Vorteile in Bezug auf die möglichen Datenübertragungsraten pro Nutzer, stellt jedoch hohe Anforderungen, wenn die Erfordernisse sich bewegender Fahrzeuge berücksichtigt werden sollen. In der Regel bietet das Dach eines Fahrzeugs den besten Standort für eine Antennenanordnung. Es garantiert die Sichtverbindung zu LEO- und GEO-Satelliten, wenn sich das Fahrzeug auf offener Straße befindet. Die Krümmung des Daches verbessert auch den Zugang zu LEO-Satelliten, wenn diese sich dem Horizont nähern. Die exponierte Lage des Fahrzeugdachs stellt jedoch eine Herausforderung dar. Die Antenne und die zugehörige Elektronik müssen in der Lage sein, sehr weite Temperaturbereiche zu bewältigen, von Minustemperaturen bis über 60 °C.

Ein zweites Problem sind Vibrationen. Die horizontale Fortbewegung eines Fahrzeugs ist in den Zeiträumen, die zum Aufrechterhalten von Verbindungen mit lenkbaren HF-Strahlen erforderlich sind, einigermaßen vorhersehbar. Aber die vertikale Bewegung, wenn ein Fahrzeug Steigungen zurücklegt, ist groß genug, um die Leistungsfähigkeit der Sende- und Empfangselemente zu beeinträchtigen, wenn sie nicht kompensiert wird.

Dies erfordert den Einsatz von Beschleunigungssensoren, die Informationen über die Fahrzeugbewegung entlang verschiedener Achsen an den Transceiver weitergeben. Der Transceiver kann dann die Bewegungen durch Änderung der Empfangs-charakteristik und der Beamforming-Koeffizienten kompensieren und sicherstellen, dass er den Satelliten zuverlässig verfolgt. Das erfordert jedoch eine Architektur, die eine hohe Reaktionsfähigkeit beim Beamforming aufweist.

Elektronisch gesteuerte Phased-Array-Antennen

Einige Forschungsprojekte schlagen mechanisch lenkbare Antennenelemente oder Metamaterialien wie Flüssigkristall-Arrays vor, um die erforderliche Unterstützung für das Beamforming zu bieten. Diese Techniken sind für die Anforderungen im Automotive-Bereich allerdings nicht geeignet. Flüssigkristall-Arrays sind bei extremen Temperaturen und auch bei plötzlichen Bewegungen nicht verwendbar.

Ebenso reagieren lenkbare Antennen zu langsam, um bei Vibrationen eine gute Leistungsfähigkeit zu erbringen. Eine effektive durch Beamforming unterstützte Lösung für die Übertragung und den Empfang im Ka-Band erfordert eine wesentlich schnellere und robustere Steuerungstechnik. Dies führt zur Wahl von Phased-Array-Antennen mit rein elektronischer Steuerung.

Ein wesentlicher Vorteil der rein elektronischen Steuerung von Strahlen ist, dass der Prozess vollständig durch Phasenauslöschung und Verstärkung von Signalen gesteuert wird, die über eine Anordnung statischer Antennenelemente erzeugt werden. Dabei ergibt sich als ein weiterer Vorteil, dass das Design zu relativ geringen Kosten aufgebracht werden kann. Das Ergebnis ist eine Antenneneinheit, die eine hohe thermische Stabilität und Robustheit gegenüber Umgebungseinflüssen aufweist. Sie kann auch die Krümmung des Daches nutzen, um die Verbindung mit Satelliten in geringer Höhe aufrechtzuerhalten.

Bei diesem Aufbau kommt es vor allem auf die Leistungsfähigkeit der Steuerelektronik im Antennenarray an. Viele der derzeitig elektronisch gesteuerten Phased-Array-Beamforming-Implementierungen in Endnutzergeräten beruhen auf analogen Schaltungen. Die analoge Steuerung hat den Vorteil, dass sie ein relativ einfaches Design erlaubt. Sie hat aber den Nachteil, dass sie den Aufbau nur eines einzigen lenkbaren Strahls unterstützt. Obwohl dieser einzelne Strahl hohe Datenübertragungsraten bereitstellen kann, kommt es zu einer Unterbrechung der Übertragung und des Empfangs, wenn das System auf einen anderen Satelliten umschalten muss, wenn sich der Primärstrahl aus der Sichtlinie bewegt.

Digitale Antennensteuerung

Eine digitale oder hybride digital-analoge Steuerung ermöglicht es, jederzeit mindestens zwei Verbindungen aufrechtzuerhalten. Dies gestattet ein nahtloses Umschalten von einem Satelliten zum anderen, sobald die gemessene Signalstärke einen Schwellenwert unterschreitet. Nutzer, die Videos ansehen oder Anrufe tätigen, werden keine Unterbrechung bemerken, während es beim Umschalten mit einem einzigen Strahl zu Verzögerungen und Verbindungsabbrüchen kommen kann.

Der Aufbau des Ka-Band-Antennen-Arrays ENS92030 von EnSilica
Bild 2. Der Aufbau des Ka-Band-Antennen-Arrays ENS92030 von EnSilica
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Da die hybride Steuerung also für das beste Nutzererlebnis sorgt, entschied sich EnSilica für den Einsatz dieser Technik bei der Entwicklung des ENS92030, eines Transceiver-ICs mit der Fähigkeit, vier Empfangs- und vier Sendepfade durch eine aufgedruckte Antenne zu unterstützen (Bild 2). Durch sorgfältiges Design war EnSilica in der Lage, einen Bulk-CMOS-Prozess anstelle einer aufwendigen Silizium-auf-Isolator- oder Silizium-auf-Germanium-Fertigung für den Transceiver zu nutzen. Zusammen mit einer hybriden elektronischen Steuerung über eine passive Antenne führt dies auch zu einem niedrigen Strombedarf – ein wichtiges Leistungsmerkmal für Situationen, in denen das Fahrzeug nur über die Batterie betrieben wird, zum Beispiel bei Over-the-Air-Updates.

Da die Datenanbindung für Fahrzeuge immer wichtiger wird, müssen die Automobilhersteller Zugriff auf Lösungen bekommen, die sicherstellen, dass die Fahrzeuge immer mit dem Internet in Verbindung bleiben. Die Satellitenverbindung ist die einzige Möglichkeit, die das garantieren kann. Der Ansatz Ka-Band mit elektronisch gesteuerten Phased-Array-Antennen bietet dem OEM die bestmögliche Kombination aus Datenrate, Kosten und Strombedarf.

 

Der Autor

 

Paul Morris von EnSilica
Paul Morris von EnSilica.
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Paul Morris

ist CMO des ASIC-Designhauses EnSilica. Das Unternehmen hat ASICs für die Märkte Automotive, Medizintechnik und Satellitentechnik entwickelt, darunter Ka-Band-Fahrzeug-zu-Satelliten-Kommunikations-ICs für die Europäische Weltraumorganisation (ESA).


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