Verkehrstraining für KI

Wie künstliche Intelligenz Verkehrssituationen vorhersagen kann

12. April 2024, 12:07 Uhr | Irina Hübner
Im Forschungsprojekt KISSaF arbeiteten ZF, der Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik (RST) der TU Dortmund und der Entwicklungsdienstleister INGgreen gemeinsam an einer KI-basierten Szenenprädiktion für den Straßenverkehr.
© ZF Friedrichshafen

Im Projekt KISSaF trainierten ZF, INGgreen und die Technische Universität Dortmund künstliche Intelligenz darauf, die Handlungen von Verkehrsteilnehmern vorherzusagen. So können automatisierte Fahrerassistenzsysteme wie Abstandsregeltempomaten oder Spurwechselassistenten präziser agieren.

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Erfahrene Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer wissen: Wer vorausschauend fährt, fährt sicherer. Doch wie ist das bei automatisierten und autonomen Systemen? Noch stoßen KI-Algorithmen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, das wahrscheinliche Verhalten menschlicher Verkehrsteilnehmer vorherzusehen. Wenn sich die KI in diesem Punkt verbessert, kann sich das positiv auf die Sicherheit im Straßenverkehr auswirken.

Das war die Motivation hinter dem Forschungsprojekt KISSaF (KI-basierte Situationsinterpretation für das automatisierte Fahren). Konsortialführer ZF arbeitete gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik (RST) der TU Dortmund und dem Entwicklungsdienstleister INGgreen an einer sogenannten Szenenprädiktion für den Straßenverkehr. Nach rund drei Jahren ist das Forschungsprojekt nun erfolgreich abgeschlossen worden. Die Ergebnisse bestätigen: Die neue Methode funktioniert besser als bislang verwendete Ansätze.

KI-basierte Szenenprädiktion

KI-basierte Szenenprädiktion befähigt die Fahrzeugsteuerung, die wahrscheinlichsten Handlungen anderer Verkehrsteilnehmer einige Sekunden vorherzusagen und entsprechend zu agieren: Wird der offenbar von seinem Smartphone abgelenkte Fußgänger gleich unachtsam auf die Fahrbahn treten? Was ist bei einem automatisiert durchgeführten Spurwechsel zu beachten? Bremst der vorausfahrende Wagen noch ab? Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle?

»Um eine KI so zu trainieren, dass sie sicher solche Vorhersagen treffen kann, braucht es große Mengen an Daten aus dem echten Straßenverkehr«, erklärt Dr. Till Nattermann, Leiter des KISSaF-Projekts und Engineering Manager bei ZF. Um diese Realdaten aufzunehmen, konstruierten INGgreen und ZF ein Messfahrzeug – ausgerüstet mit seriennahen Sensor- und Aktuatoriksystemen.

Auf mehr als 100.000 Kilometern Strecke erfasste der Versuchsträger neben Kamera-, Radar- und Lidar-Daten auch relevante GPS- und Wetterinformationen. Die Rohdaten des Projekts KISSaF umfassen fast 800 Terrabyte, also 800.000.000 Megabyte. Von der TU Dortmund entwickelte Algorithmen zur Umfeldbeschreibung bereiteten die Daten für die weitere Verwendung im Projekt auf.

Auf Basis dieser Umfeldmodellierung trainierten die KI-Spezialisten des ZF-eigenen AI-Labs, des KI-Technologiezentrums in Saarbrücken, die künstliche Intelligenz. Die Prädiktion konnte dann in der Simulation und mit aufgezeichneten Realdaten in den von ZF bereits entwickelten Assistenzsystemen getestet werden.

Antizipieren statt reagieren

Nach dem Training konnte die KI besser abwägen, wie sich andere Verkehrsteilnehmer verhalten. Die in KISSaF entwickelte Szenenprädiktion könnte künftige Assistenzsysteme befähigen, vorausschauend zu handeln, potenziell gefährliche Situationen besser vorherzusehen und proaktiv zu bremsen oder auszuweichen.

Zum Beispiel erkannte die KI möglicherweise kritische Spurwechsel und brach sie entweder ab oder leitete sie gar nicht erst ein. Entstehende Lücken für einen Spurwechsel konnte sie ebenfalls vorhersehen und das Fahrzeug sicher durch den Verkehr leiten. Auch die Fähigkeit der KI, bei Gegenverkehr an Kreuzungen rechtzeitig zu stoppen, hat sich mit dem im Projekt KISSaF erarbeiteten Verfahren verbessert.

Die Erkenntnisse der Studie sollen insbesondere dabei helfen, hochautomatisierte Fahrerassistenzsysteme (ADAS) der Automatisierungsstufen 2+ und 3 nach SAE zu optimieren, die von zentralen Steuergeräten und Hochleistungscomputern wie der ZF ProAI gesteuert werden können.

Praxisnahes Setup

»Wir haben bewusst auf ein bereits heute praxisnahes Setup gesetzt – sowohl bei der Sensorik zur Datenermittlung als auch beim Automatisierungsgrad der KI-Systeme«, sagt Nattermann. »Diese Funktionen sind damit näher an der Marktreife als andere Systeme. Rohdaten aus dem Projekt sind darüber hinaus für zukünftige Entwicklungsvorhaben relevant. Das Projekt hat somit in mehrfacher Hinsicht hohe Praxisrelevanz für uns.«

Das Projekt KISSaF lief seit Januar 2021 und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.


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