2022 wird ISA Pflicht

»Nur mit digitalen Karten lassen sich die Vorgaben erreichen.«

3. Dezember 2021, 6:36 Uhr | Iris Stroh
© Here Technologies/WEKA Fachmedien

Ab Mitte 2022 müssen alle neu in den Markt eingeführten Pkws, Lieferwagen, Lkws und Busse und ab 2024 alle neu in der EU verkauften Fahrzeuge ein ISA-System (Intelligent Speed Assistance) haben. Digitale Karten erhöhen die Zuverlässigkeit dieser Systeme und damit die Kundenzufriedenheit.

»Bereits heute gibt es ISA-Systeme im mittleren und im Premiumsegment. Sie basieren auf der Kombination einer Kamera-basierten Erfassung von Geschwindigkeitszeichen und einer digitalen Karte«, erklärt Philip Hubertus, Senior Manager, Product Management - Automated Driving Content bei Here Technologies.

Jetzt steht der Rollout in allen Segmenten bevor. Laut Hubertus gibt es für ISA verschiedenen Ausbaustufen:

  • Eine Anzeige der Geschwindigkeitsbegrenzung im Cluster, diese Ausbaustufe ist Pflicht und muss gepaart werden entweder mit …
  • einer visuellen oder akustischen Warnung, dass die Geschwindigkeit überschritten wurde, oder …
  • einem aktiven/passiven Eingriff in das Fahrzeug, so dass es die erlaubte Geschwindigkeit nicht überschreitet.

Dazu erklärt Hubertus: »Der Fahrer hat weiterhin die Kontrolle über das Fahrzeug, sprich, wenn er auf das Gaspedal drückt, wird das Auto trotz Warnung oder Eingriff wieder schneller.« Die ISA-Regularien sähen bislang nicht vor, dass das Fahrzeug aktiv gebremst werden muss. Der Fahrer kann das System auch komplett ausschalten, nur: »Wenn das Fahrzeug gestartet wird, muss das ISA-System immer angeschaltet sein«, so Hubertus.

Kameradaten reichen definitiv nicht

Die ISA-Regularien sehen vor, dass »bei 90 Prozent der gefahrenen Strecke das Geschwindigkeitslimit innerhalb von 2 s in der Anzeige richtig angezeigt werden muss«, erklärt Hubertus weiter. Er ist überzeugt, dass dieses Ziel mit Kameras allein nicht erreicht werden kann und verweist darauf, dass auch der TÜV zu diesem Ergebnis gekommen ist. Dafür gibt es diverse Gründe. Das fängt damit an, dass Verkehrszeichen zur Geschwindigkeitsbegrenzung (explizite Geschwindigkeitsbegrenzung) überdeckt sein oder aufgrund von Witterungsverhältnissen nicht erkannt werden können. Probleme bereiten auch implizite Geschwindigkeitsbegrenzungen, also kein Schild, das die Geschwindigkeit begrenzt, sondern beispielsweise ein Ortseingangsschild, das automatisch darauf hinweist, dass ab jetzt nur noch 50 km/h gefahren werden kann. Besonders die impliziten Geschwindigkeitsbegrenzungen sind problematisch, wobei Hubertus noch anmerkt: »dass in Europa über 60 % der Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht über ein Schild ausgewiesen sind. Und es gibt ein Gefälle zwischen Nord und Süd, in der Mitte und im Süden sind nur wenige der Geschwindigkeitsbegrenzungen explizit.« Darüber hinaus gibt es auch regionale Unterschiede. Beispielsweise gilt in manchen Regionen eine Geschwindigkeitsbegrenzung bei Regen, oder in der Nacht, was ebenfalls nicht explizit angezeigt wird.

Philip Hubertus, Here Technologies
Philip Hubertus, Here Technologies: »Wir müssen Vertrauen in die Technik schaffen und dazu müssen die Systeme richtig funktionieren.«
© Here Technologies

Wenn die User-Experience nicht passt

Die ISA-Regularien schreiben zwar nicht vor, dass ein ISA-System aus einer Kombination von Kamera und digitaler Karte realisiert werden muss. aber. »Wenn das ISA-System zu oft Fehler macht, sinkt das Vertrauen der Fahrer in dieses System«, betont Hubertus weiter. Mithilfe einer digitalen Karte lässt sich das verhindern. Here hat vor kurzem die ISA-Map vorgestellt, die neben den expliziten Geschwindigkeitsbegrenzungen auch implizite Tempolimits, die durch Verkehrsregeln und -vorschriften definiert sind, einschließlich nationaler oder regionaler Tempolimits und solchen, die auf anderen Bedingungen basieren, enthalten. Digitale Karten haben für Hubertus aber noch einen weiteren Vorteil: Aus einer Karte kann eine kommende Geschwindigkeitsbegrenzung bereits viel früher angezeigt werden, als dies mit Kameras möglich ist, was ein vorausschauendes Fahren ermöglicht.

Updates sind notwendig

Hubertus: »Über ein Jahr hinweg betrachtet, ändern sich rund 10 Prozent der Geschwindigkeitsbeschränkungen in Europa. Dementsprechend ist es wichtig, dass die Karten in verschiedenen Zeitabständen aktualisiert werden, sei es quartalsweise oder monatlich, wobei wir ein monatliches Update empfehlen.« Um die Karten aktuell zu halten, nutzt Here Daten, die mit einer eigenen Fahrzeugflotte erstellt werden, die aber auch von Autobahnmeistereien, Kollegen im Feld, oder auch von Here-Kunden kommen. Laut Hubertus fordern die ISA-Regularien, dass mindestens jährlich ein Update des Kartenmaterials zur Verfügung gestellt werden muss. »Aus unserer Erfahrung reicht das aber nicht aus, denn mit einem veralteten Kartenmaterial leidet ebenfalls die User-Experience«, so Hubertus. 7 Jahre lange sind diese Updates für den Endkunden kostenlos. Insgesamt 14 Jahre nach Zulassung des Fahrzeugs müssen noch Updates vom Hersteller verfügbar gemacht werden, damit ISA lange richtig funktioniert. 

Von »Low Cost« bis »Highly Sophisticated«

Here bietet eine ganze Reihe von Karten an, wie die bereits erwähnte ISA-Map. Darin sind Informationen zur Straßengeometrie, zu Straßenattributen (z.B. Autobahn), zu länderspezifischen Geschwindigkeitsregularien etc. enthalten, »also die Minimalanforderungen, um die ISA-Regularien zu erfüllen, selbst in günstigen Kleinwagen«, so Hubertus weiter. Darauf aufbauend gibt es die Navigation-Map, mit der es beispielsweise auch möglich ist, Adressen zu suchen, aber auch angezeigt werden kann, welche Fahrspur genommen werden soll. Ebenfalls bietet Here die so genannte ADAS-Map an, mit der die OEMs neben ISA weitere Assistenzsysteme realisieren können, einschließlich einem automatisierten Fahren bis Level 2. Ein weiteres Beispiel: Die HD Live Map, ein Cloud-basierter Dienst, der hochpräzise und aktuell ist. »Unsere HD Live Map eignet sich für automatisiertes Fahren auf Level 2 und höher. Sie enthält neben Straßen- und hoch präzisen Fahrspurdaten auch Lokalisierungsdaten, mit denen eine sehr genaue Positionierung des Fahrzeugs in und entlang der Fahrspur möglich ist. Diese Karte ist beispielsweise im Drive-Pilot von Mercedes integriert, dem ersten in Deutschland straßenzugelassenen System auf Level 3«, so Hubertus. Die digitalen Karten sind in verschiedenen Formaten erhältlich, einschließlich RDF für Hersteller, die selbst kompilieren, NDS.Classic für Systeme mit Onboard-Karten und NDS.Live für hochvernetzte Fahrzeuge. Hubertus abschließend: »Es ist zu erwarten, dass auch andere EU-Staaten, aber auch Nicht-EU-Staaten wie Norwegen oder die Schweiz, die bestehenden ISA-Regulatoren adaptieren werden.«


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