An die Kamera selbst stellt das Reverse-Pedestrian-Detection-System keine besonderen Ansprüche. Die meisten Rückfahrkameras, die heute im Einsatz sind, übertragen ihre Bilder analog in VGA-Auflösung an die Head Unit. Auch mit diesen Kameras kann das System der Fußgängererkennung eingesetzt werden. Bessere Ergebnisse liefern allerdings die neueren Megapixel-Kameras mit höherer Auflösung und digitaler Schnittstelle zum Infotainment-System. Diese Kameras sind aktuell noch teurer als die analogen Modelle, die in Deutschland ab etwa 200 Euro inklusive Monitor zu haben sind. Allerdings könnte die neue Reverse Pedestrian Detection den Fahrern sogar Geld sparen: über Software, denn für die Reverse Pedestrian Detection können Funktionen wie die Bildbearbeitung, die momentan in der Kamera selbst stattfinden, in die Head Unit des Autos verlagert werden. Dadurch ist es mittelfristig möglich, den Aufbau von Digitalkameras zu vereinfachen und den Preis dadurch zu senken.
Rückfahrkameras sind je nach Automodell entweder Standard- oder Sonderausstattung oder können auch vom Fahrer selbst nachgerüstet werden. Wobei auch der Monitor separat gekauft werden kann, wenn noch keiner vorhanden sein sollte. Das Harman-Reverse-Pedestrian-Detection-System selbst wird ab 2019 in voller Serienreife für die Fahrzeughersteller verfügbar sein.
Systemoptimierung unter realen Bedingungen
Schlechte Straßenverhältnisse, unvorhergesehene Situationen oder unaufmerksame Fahrer – Unfälle oder schwierige Situationen beim Fahren oder Einparken und Rückwärtsfahren haben oft ganz unterschiedliche Ursachen. Der Fahrer und auch die Systeme im Fahrzeug müssen sich an unterschiedliche Situationen anpassen. Aufgrund dieser Eventualitäten lässt sich auch in unzähligen Tests nicht jede einzelne Situation vorhersagen, die dem Fahrer und seinem intelligenten System schlussendlich auf der Straße begegnen. Um diese Systeme fortlaufend zu verbessern, entwickelt Harman momentan eine weitere Lösung: ADAS Analytics.
Diese Anwendung sucht aktiv mit einem Algorithmus nach Fehlern, wenn nach einer kritischen Situation auf der Straße das System nicht optimal reagiert hat. Angenommen, der Fahrer bremst plötzlich scharf: Das wird von ADAS Analytics als Trigger verzeichnet und als Hinweis darauf gewertet, dass beispielweise von der Reverse Pedestrian Detection ein Fußgänger nicht erkannt wurde. Die betreffenden Daten werden in die Harman Cloud geladen, um sie für die Systemverbesserung zu verwenden. Eine solche fortlaufende Verbesserung ist ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung von Fahrassistenzsystemen. Um im Vergleich dazu einen kompletten Autopiloten für autonomes Fahren fertig einsatzbereit auf die Straße zu bringen, müssen eine Million Fahrzeuge über vier Jahre hinweg getestet werden. Solche nachträglichen Optimierungen können bei solchen Systemen für autonomes Fahren nicht im normalen Straßenverkehr mit „normalen“ Fahrern durchgeführt werden. Bei Reverse Pedestrian Detection ist der Fall jedoch anders gelagert: Es ist, als befände sich ein Passagier auf dem Rücksitz, und dieser würde befehlen: „Links fahren! Geradeaus! Vorsicht!! Da ist ein anderes Auto!!“ Dann würde der Fahrer den Warnungen zwar durchaus Gehör schenken – allerdings würde er sich nicht selbst die Augen zuhalten und nur noch auf Anweisung vom Rücksitz fahren. Er würde vielmehr immer noch selbst auf die Straße achten und die Hinweise als zusätzliche Information verarbeiten. Genauso funktioniert Reverse Pedestrian Detection; das System wird und soll nicht die Augen des Fahrers ersetzen, sondern dazu beitragen, dass er sich auf das Wesentliche konzentriert.
Der Autor
Axel Nix |
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studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Darmstadt und hält einen MBA der Oakland University in Rochester, USA. Nix ist als Senior Director bei Harman für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen zuständig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Entwicklung eines Systems zur Validierung von Fahrerassistenzsystemen und Absicherung deren funktionaler Sicherheit – einer Grundvoraussetzung für zukünftige autonome Fahrzeuge. Vor seinem Eintritt bei Harman war Nix für den Bereich Systems Engineering bei Magna Electronics verantwortlich. |