Über 1000 Kinder haben die Forscher um Bettina Braun, Muna Schönhuber, Katharina Zahner und Monika Lindauer seit der Gründung des Babysprachlabors im Jahr 2007 beobachtet und daraus Schlüsse gezogen. Was die Wissenschaft bislang weiß: Die Sprachen der Welt nutzen rund 800 Sprachlaute – und Säuglinge können schon in den ersten Monaten viele davon unterscheiden, wie Bettina Braun, Professorin des Fachbereichs Sprachwissenschaft, sagt. Japanische Babys seien dann zum Beispiel noch in der Lage, den Unterschied zwischen dem Laut »l« und »r« zu hören.
Wenige Monate später beginnt die Spezialisierung: »Die Babys konzentrieren sich dann auf die eigene Muttersprache«, sagt Braun. Konkret bedeutet das: Japanische Babys merken, dass der Unterschied zwischen »l« und »r« für das Japanische nicht so wichtig ist und nehmen den Kontrast nicht mehr wahr. Was nicht relevant ist, wird schlicht ignoriert. Dafür beginnen die Kleinen damit, den Strom von Lauten in einzelne Wörter oder Sequenzen zu zerlegen. Dabei helfen ihnen bisherige Erfahrungen mit der Muttersprache, zum Beispiel beim Rhythmus, der Betonung oder der Satzmelodie, wie Braun sagt.
Eine Studie der Forschungsgruppe beschäftigt sich damit, wie Erwachsene in einer angepassten Sprache mit Kindern sprechen. »Wir untersuchen, welche Sprachmelodien und Betonungsmuster besonders häufig vorkommen, wenn Mütter mit ihren Babys sprechen«, heißt es in einer Projektbeschreibung.
Die geografische Lage der Universität Konstanz ist für die Wissenschaftlerinnen dabei ein Vorteil – so können etwa Babys mit deutscher und mit schweizerischer Muttersprache verglichen werden. Untersucht wird auch, wie italienische oder türkische Kinder zwischen vier und acht Jahren Deutsch lernen.
Weitere Babysprachlabore gibt es deutschlandweit noch in Göttingen und Potsdam. Auch die Universität Tübingen befasst sich mit dem Thema Spracherwerb bei den ganz Kleinen: Die Forscher des »Baby- und KinderLabs« versuchen herauszufinden, wie Babys Wörter erkennen und wie diese Wörter dann mit einer Bedeutung kombiniert werden.
Vielleicht können diese Versuche dazu beitragen, neue Antworten auf alte Fragen zu finden. Und vielleicht auch der Antwort darauf näher zu kommen, wie Sprache, Denken und Geist zusammen hängen – und was wir eigentlich meinen, wenn wir von Künstlicher Intelligenz sprechen.
Genauso gut wäre es aber auch möglich, dass die Experimente mit Computern zeigen, wie Spracherwerb funktionieren kann. Diese Experimente haben der Forschung bereits wesentliche Impulse gegeben, es könnte also die Synthese aus beiden Forschungsrichtungen zum Ziel führen. Der atemberaubende Fortschritt, den etwa die Analyse großer Datenmengen und die Musterkennung auf Basis von neuronaler Netze und großer Speicher mit kurzen Zugriffszeiten über die letzten Jahre genommen haben, wäre ein Beispiel dafür, was die Computerwissenschaften beitragen können. Ob einer der Ansätze oder beide zusammen schließlich das Rätsel lösen können, was Geist ist. Wenn es ihn überhaupt gibt.