Eine der jüngsten Errungenschaften in Sachen CAD war die Möglichkeit, schon vor der Herstellung von Produktteilen oder eines Prototyps Simulationen durchzuführen – etwa hinsichtlich Flexibilität und Widerstandsfähigkeit von Materialien oder der Überhitzung von Teilen. Das wird zwar in voller 3D-Darstellung, jedoch auf einem zweidimensionalen Bildschirm angezeigt. Wir sehen sämtliche Details, sind aber auf eine flache Visualisierungsfläche und die Interaktion via Mausklicks beschränkt.
Mit Virtual Reality ist es gelungen, die Visualisierung simulierter Daten auf eine 3D-Welt auszudehnen und somit die Erfahrung der Visualisierung und Interaktion mit den Daten »immersiver« zu machen. Dabei fehlt aber immer noch die Möglichkeit einer immersiven Erfahrung in einer realen Umgebung.
AR dagegen bietet die Möglichkeit, Simulationsdaten zu erleben und sich gleichzeitig auf die reale Welt zu beziehen, und ermöglicht so einen effektiveren Bewertungsprozess und entscheidende Inputs. AR-geeignete HMD benötigen zum Beispiel keine Interaktions-steuerungen, sondern erkennen die Bewegungen der Hände und stellen diese holografisch dar. Dadurch kann sich der Träger des HMD fast genauso verhalten wie in der realen Welt, während er mit Hologrammen interagiert, die physische Objekte überlagern.
Ein weiterer Benefit von AR gegenüber einer klassischen Simulation ist die Multi-User-Erfahrung: AR erweitert entscheidend die Interaktion zwischen mehreren Personen, die von verschiedenen Standorten aus an denselben Hologrammen arbeiten.
Worum handelt es sich beim »Augmented Reality Engineering Space« (AR3S) von Holo-Light?
Der AR3S als holografischer digitaler Arbeitsraum ermöglicht Designern und Ingenieuren die präzise holografische Visualisierung von CAD-Daten und bietet Funktionalitäten für Aufgaben der Produktentwicklung sowie für produktbezogene Entscheidungen, ohne mit physischen Teilen interagieren zu müssen. Auch für Arbeitsszenarien in anderen Bereichen, etwa Qualitätskontrolle, Montagetraining, Wartung, Support oder Sicherheit, bietet AR3S nützliche Features.
Das Prinzip von AR3S ist es, die Interaktion mit Hologrammen ebenso natürlich zu gestalten wie die Arbeit mit einem physischen Objekt, und gleichzeitig den Nutzern zu ermöglichen, die Einschränkungen physischer Objekte zu überwinden, die mit Parametern wie Größe, Gewicht und Materialeigenschaften einhergehen können.
Was kann AR3S konkret leisten?
AR3S beruht darauf, originale native CAD-Dateien zu laden und sie als Hologramme in ihrem korrekten Maßstab und Detaillierungsgrad zu visualisieren, komplett mit ihrer vollständigen Produktstruktur und Teileanordnung, gemäß dem PLM-Organisationssystem. Alle Werkzeuge wurden unter Berücksichtigung etablierter Geschäftsprozesse verschiedener Fertigungsunternehmen entwickelt und sind so zugeschnitten, dass jeder Benutzer einen Teil seiner Aufgaben durch Tätigkeiten auf AR-Basis ersetzen kann.
Grundlegende Auswahl- und Manipulationsfunktionen ermöglichen es, mit dem visualisierten Produkt zu interagieren und Aufgaben in Bezug auf die Positionierung des Hologramms im realen Raum auszuführen, wobei Technologien genutzt werden, die beispielsweise Object Tracking ermöglichen.
Werkzeuge wie »Object Stacking and Comparison« ermöglichen es, Unterschiede im Design eines Produktteils zu bewerten. Sie können zwei verschiedene Design-Iterationen desselben Bauteils perfekt überlagern, wobei das Hologramm im Verhältnis zu einem bereits existierenden physischen Teil desselben Produkts positioniert wird.
Designer und Ingenieure können mithilfe von Tools wie »Cross Section« und »Model Explosion« komplexe Produkte mit Tausenden von Teilen in wenigen Sekunden auseinandernehmen und in das Innere von Produktbaugruppen blicken, um Struktur, Schichten, Kontaktpunkte und versteckte Details zu überprüfen.
Mittels holografischer Hände in Kombination mit Werkzeugen wie »Hand Pose Capture« und »Collision Detection« sehen die Benutzer, wann sich ihre Hände mit dem Hologramm überschneiden, sodass sie den Raum für eine Produktmontage bewerten können. So ist es möglich, Montage- und Demontagevorgänge schon vor der Herstellung eines physischen Prototyps zu überprüfen.
Multimedia-Tools bieten In-App-Support zur Visualisierung von Dokumentations- und Videomaterial, das verschiedene Phasen der Produktevaluierung unterstützen kann. Anmerkungssysteme helfen beim Sammeln und Speichern von Feedback zur Nachverfolgung der durchgeführten Aufgaben.
Schließlich ermöglicht ein genaues Messsystem, in AR3S Abstände und Winkel zu bestimmen. All diese Tools lassen sich in einem kollaborativen Szenario auch von mehreren Nutzern verwenden. In einer Netzwerkorganisation oder über eine Cloud-Connectivity können sie nahtlos zusammenarbeiten – so, als befänden sie sich im selben Raum.
Welche Alleinstellungsmerkmale bietet AR3S?
Jede Funktion in AR3S ist das Ergebnis kontinuierlicher Gespräche mit bestehenden Kunden und neuen Interessenten, die uns ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Arbeit mit physischen Objekten mitteilen.
Das Nutzererlebnis ist so gestaltet, dass sowohl Erstanwender als auch erfahrene Nutzer von AR3S profitieren. Es sind keine Vorkenntnisse im Umgang mit CAD-Software erforderlich, und Nutzer sind schon nach wenigen Stunden in der Lage, effizient mit dem HMD und der Software zu arbeiten.
AR3S unterstützt einen Großteil der etablierten CAD-Formate und kann diese dank seiner proprietären integrierten Streaming-Lösung unabhängig von ihrer Größe und ihrem Detailgrad laden und visualisieren. Die Streaming-Lösung kompensiert nicht nur die Rechenbeschränkung des HMD, sondern sorgt auch dafür, dass die Original-Designdaten geschützt und digitale Fußabdrücke der Daten innerhalb des HMD-Geräts überflüssig sind.
Nicht zuletzt haben wir AR3S im Hinblick auf die Zusammenarbeit entwickelt. Die Anwendung verfügt über ein Mehrbenutzersystem, das jede Infrastruktur unterstützt, ohne dass die Anzahl der Personen, die an der Arbeitssitzung teilnehmen, beeinträchtigt wird.
Wie sollten Industrieunternehmen konkret vorgehen, wenn sie Augmented Reality einführen und nutzen wollen?
Zunächst sollten sie sich mit den verschiedenen AR-Geräten und deren Fähigkeiten vertraut machen. Jede Lösung hat spezifische Vorteile: Die AR-Softwarelösungen auf dem Markt machen sich die Eigenschaften der verschiedenen Geräte zunutze und ermöglichen die Durchführung bestimmter Aufgaben.
Die Implementierung ist leicht und schnell erledigt. Für Unternehmen, die es gewohnt sind, mit CAD-Daten zu arbeiten, ist – abgesehen vom AR-Endgerät – keine zusätzliche Hardware erforderlich. AR-Softwarekomponenten für den Unternehmenseinsatz werden meist so entwickelt, dass sie sich nahtlos in bestehende Softwarelösungen integrieren lassen.
Um die Übertragung der ursprünglichen CAD-Daten in die AR-Software zu vereinfachen, verfügen AR-Unternehmenslösungen über eine native CAD-Unterstützung oder eine Datenumwandlungs-Pipeline.
Der wichtigste Schritt ist die Berücksichtigung der verschiedenen Geschäftsprozesse. Im Gegensatz zu vielen anderen technischen Lösungen der letzten 20 Jahre ersetzt AR lediglich die Interaktion mit physischen Objekten durch die Interaktion mit Hologrammen. Demnach müssen bestehende Prozesse nicht geändert werden, werden jedoch schneller und effizienter.
Mit dem richtigen Gerät und der richtigen Softwarelösung ist AR definitiv eine der am einfachsten zu implementierenden Lösungen und eine der Lösungen mit dem kürzesten Return of Investment auf dem Markt.
Herr Zocchi, vielen Dank für das Gespräch.