Prof. Armin Schnettler zur Rolle des VDE

Neutraler Partner für Gestaltung der gesellschaftlichen Zukunft

22. Oktober 2020, 14:43 Uhr | Heinz Arnold
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"Huawei aktuell führender Anbieter..."

Gerade hat die britische Regierung beschlossen, Huawei vom Aufbau des 5G-Netzes in Großbritannien auszuschließen. In Deutschland ebenso zu verfahren hielte der VDE für einen Fehler?

Huawei ist nach Ansicht vieler Mobilfunkexperten im Bereich 5G der aktuell technologisch führende Anbieter von Infrastruktur. Die Frage nach dem Aufbau des deutschen 5G-Netzes mit Technik von Huawei muss man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Aktuell sind Tendenzen für eine Marktabschottung wichtiger Märkte wie China, USA, EU und Russland erkennbar. Diese wird auch durch unterschiedliche Standards vorangetrieben. 5G bildet da aktuell noch eine Ausnahme. Die Frage nach sogenannten Backdoors, über die Daten unerwünscht abfließen können, wird diskutiert.

Eine ähnliche Diskussion sehen wir übrigens auch mit den USA und dem Verhalten der NSA, beispielsweise bei Cloud-Lösungen. Letztlich muss analysiert werden, wie überprüfbar sicher das System gestaltet werden kann. Wie bereits erwähnt, muss sich Europa die Frage nach dem Grad notwendiger technologischer Souveränität stellen. Allein der Begriff ist aber noch nicht genau definiert. Der VDE kann als neutrale, technisch-wissenschaftliche Organisation die richtigen Fragen formulieren und an deren Beantwortung mitarbeiten.

Wenn die Globalisierung zurückgedreht wird und einzelne Weltregionen ihr eigenes Süppchen kochen, könnte es für alle teurer werden. Hätte dann zum Schluss niemand gewonnen?

Die Pandemie hat gezeigt, dass die globalen Verflechtungen auch zulasten der Transparenz gehen. Schlüsseltechniken in der eigenen Region unter Kontrolle zu halten, um sich nicht zu stark abhängig zu machen, ist per se keine schlechte Idee. Diese Bestrebungen gab es auch schon vor Corona in verschiedenen Regionen. Europa stellt jetzt deutlicher denn je fest, dass es sinnvoll ist, Schlüsseltechniken in der eigenen Region zu halten. „Make America great again“ wird schon länger unabhängig davon gelebt, wer gerade in den USA Präsident ist.

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Prof. Armin Schnettler, VDE: »Wir wollen die Energiewende vorantreiben und setzen jetzt zusätzlich auf die Wasserstofftechnologie, ohne die eine globale Energiewende nicht erfolgreich umgesetzt werden kann. Deshalb sehe ich es als ein wichtiges Ziel des VDE an, einen Beitrag zur Akzeptanz der Wasserstoffwirtschaft zu leisten.«
© VDE

Wenn in verschiedenen Weltregionen beispielsweise Halbleiter und Smartphones so gefertigt würden, dass die dafür erforderlichen Infrastrukturen weitgehend unabhängig voneinander wären, dann müssten sie parallel unterhalten werden. Würde dann für viele das Smartphone einfach zu teuer? Würde das dann nicht auch für viele andere Waren gelten?

Ich weiß nicht, ob die Verbraucher dann wirklich mehr bezahlen müssten – es geht primär um eine Zahlungsbereitschaft, die durch einen Marktpreis abgebildet wird. Höhere Herstellkosten könnten auch zu geringeren Margen führen. Wenn ich mir anschaue, was ein Smartphone in der Herstellung kostet und zu welchem Preis es schließlich verkauft wird, dann meine ich, dass es da noch recht viel Luft gibt. Das ist natürlich nicht auf alle Sektoren zu übertragen. Wir dürfen nur nicht den Fehler begehen, eine Dezentralisierung in der Massenproduktion automatisch mit Preiserhöhungen gleichzusetzen.

Kommen wir zur Energiewende. In der Elektromobilität war vor allem von Batterien die Rede. Brennstoffzellen und die Wasserstoffwirtschaft im Allgemeinen waren etwas in der Versenkung verschwunden. Erlebt das Thema Wasserstoff jetzt eine Renaissance?

Definitiv. Derzeit sind 25 Prozent des Endenergieverbrauchs weltweit elektrifiziert. Ziel ist es, diesen Anteil auf 40 bis 50 Prozent zu steigern. Dann bleiben aber weiterhin noch 50, 60 Prozent, die nicht oder nur schwierig zu elektrifizieren sind. In diesem Sektor wird der CO2-neutral erzeugte Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen. Denn nur so können Kohlenwasserstoffe ohne fossile Energieträger synthetisiert werden. Die elektrische Energie, die über Wind, PV und Wasser generiert wird, ist heute so billig, dass sich Wasserstoff günstig über Elektrolyse herstellen lässt. Auch als Speichermedium lässt er sich gut nutzen. Wasserstoff passt somit wunderbar in die Energiewende.

In die der Elektromobilität auch?

Für kleinere Autos wird sich die Batterie durchsetzen, für Lastkraftwagen, Busse oder Züge wären Wasserstoff und Brennstoffzellen vorteilhafter.

Es gab schon einmal um 2000 einen Wasserstoff-Hype und dann Anfang des vergangenen Jahrzehnts noch einmal ein wenig. Damals hatten Firmen wie Siemens sehr fortschrittliche PEM-Elektrolyseure vorgestellt, die auf die Erzeugung von Wasserstoff durch Strom aus erneuerbaren Quellen optimiert waren. Was ist jetzt anders?

Die Technik kam etwas früh auf den Markt, zu früh ist eben auch nicht pünktlich. Denn die Nachfrage war vor fünf bis zehn Jahren noch nicht groß. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist jetzt deutlich kostengünstiger geworden. Deshalb zieht die Nachfrage spürbar an und nun können die Hersteller, die sich früh engagiert hatten, mit ihrer Erfahrung auf diesem Gebiet punkten.
Zähler zählen, optimieren aber nicht das Netz

Sie sprachen von der hohen Bedeutung, die der Normung zukommt. Ursprünglich sollten einmal die intelligenten Zähler ein wichtiges Element der Energiewende bilden. Sie sollten zudem sehr hohe Sicherheitsstandards erfüllen. Das hat zwar seine Zeit gedauert, doch sie sollten zum Vorbild für den Rest der Welt und zu einem Exportschlager zu werden. Ist es so?

Die Standards gibt es inzwischen; welchen Erfolg sie weltweit haben werden, wird sich zeigen. In der ganzen Diskussion um die intelligenten Zähler ist anfangs einiges falsch verstanden worden; viele haben sich davon zu viel versprochen und es wurde vergessen, dass Zähler eben zählen, aber nicht das Netz optimieren. Da hat es in der Diskussion etwas an Transparenz und ggfs. auch Kompetenz gefehlt.

Wäre das also ein Beispiel dafür, wie man Standards nicht vorantreiben sollte? Was kann aus dem Beispiel gelernt werden?

Das war ein besonderer Fall. Das Smart Meter Gateway sollte schnell eingeführt werden. Deshalb bekam das BSI von der Bundesregierung den Auftrag, ein Schutzprofil zu entwickeln. Idee dahinter: Wir machen das Smart Meter Gateway so sicher gegen Cyberattacken, dass von dort keine erfolgreichen Angriffe gegen das Stromnetz ausgehen können. Cybersecurity-Maßnahmen in den in Entstehung befindlichen Smart Grids wurden dabei nicht betrachtet. Deshalb ist man beim Schutzprofil Smart Meter Gateway quasi über das Ziel hinausgeschossen. Das Smart Meter Gateway war als intelligente Schnittstelle danach praktisch nicht mehr verwendbar. Aber inzwischen haben wir längst Workarounds für intelligente Energiedienstleistungen entwickelt.


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