Der KI-Chatbot »ChatGPT« hat vor kurzem das Thema Künstliche Intelligenz verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Generell wird KI allmählich in fast alle Lebensbereiche vordringen und dabei immer stärker für die Menschen direkt als Tool erkennbar werden.
Überall ist derzeit »Zeitenwende«, ob in der militärisch orientierten Sicherheitspolitik, in der Struktur von Weltwirtschaft und Weltmarkt, beim Klima auf der Erde – und bei der Bedeutung künstlicher Intelligenz für die Art und Weise, in der die Menschen leben und arbeiten. Die konkrete Lebenswelt der Menschen verändert sich vor allem durch die KI-Zeitenwende in noch nie dagewesener Geschwindigkeit – und es ist absehbar, dass KI das Rad immer schneller antreiben wird.
Aufsehen erregt hat in diesem Sinne vor kurzem der KI-Chatbot ChatGPT: Er erstellt auf Basis von Reinforcement Learning Texte, die auf den ersten Blick nicht als von künstlicher anstatt von menschlicher Intelligenz erstellt auffallen. Welche Auswirkungen ChatGPT, zukünftige Weiterentwicklungen und etwaige Wettbewerbsprodukte auf unser Leben haben werden, lässt sich noch nicht in jedem Detail bestimmen. Dass sie umwälzenden Charakter haben werden, steht jedoch außer Zweifel: Der Nutzer fragt, die KI antwortet; sie merkt sich, was der Nutzer geschrieben hat, und verwendet dies als Grundlage für spätere Antworten. Letztlich sind also auch KI-Chatbots „nur“ Tools – aber so mächtige, dass sie unseren Lebens- und Arbeitsalltag kräftig durcheinanderwirbeln dürften. Und es sind KI-Tools, die nicht nur im Hintergrund unmerklich ihren Dienst tun, sondern mit denen der Mensch direkt arbeitet.
Anwendungen von KI-Chatbots wie ChatGPT sind in vielerlei Bereichen denkbar: zur Bearbeitung von Kundenanfragen, im Gesundheits-, Bildungs-, Rechts- und Finanzwesen oder im Unterhaltungsbereich. Die Faktentreue der Antworten von ChatGPT lässt offenbar noch zu wünschen übrig, weil der KI-Chatbot auf einem Sprachmodell beruht. In Anwendungen, wo es nicht auf faktentreues Wissen ankommt, könnten KI-Chatbots aber schon jetzt ihre Stärken ausspielen. Und außerdem werden solche Techniken, wie man weiß, stetig weiterentwickelt.
Tanja Maaß, Geschäftsführerin von Resolto Informatik, bringt es auf den Punkt: »KI kann Leistungen, die bislang nur Menschen erbringen konnten, imitieren, und dadurch wird sie so stark, Dinge zu übernehmen, die bislang nur Menschen geleistet haben. Und in dieser Fähigkeit wird sie wachsen.« Neben Spektakulärem wie ChatGPT als Tool, das sich anschickt, die Gesellschaft zu verändern, etabliert sich KI still, aber unaufhaltsam in allen möglichen Anwendungen. »Es ist mittlerweile unwahrscheinlich, dass eine bahnbrechende technische Innovation keine KI enthält«, betont Johanna Pingel, Product Marketing Manager KI bei MathWorks. »Weil KI sich immer stärker in allen Branchen und Anwendungen durchsetzt, werden komplexe technische Systeme ohne KI zur Ausnahme.« Das hochautomatisierte Fahren beispielsweise ist ohne KI undenkbar – wie sonst sollen Fahrzeuge selbsttätig auf Verkehrssituationen und bewegliche Hindernisse reagieren können?
Auch die Bildverarbeitung innerhalb und außerhalb der Industrie beruht zunehmend auf Machine Learning oder Deep Learning als KI-Methoden. »KI ist schon jetzt aus der industriellen Bildverarbeitung nicht mehr wegzudenken«, erläutert Christoph Wagner, Product Manager und Business Developer für Embedded Vision bei MVTec Software. »Neben Machine-Learning-Algorithmen spielen dabei vor allem Deep-Learning-Technologien eine tragende Rolle. Bei einem solchen selbstlernenden Verfahren werden auf Basis großer Mengen von Bilddatensätzen neuronale Netze trainiert. Dadurch lassen sich die relevanten Bildeigenschaften gezielt identifizieren und auswerten, was zu sehr robusten Erkennungsergebnissen führt.«
Yonatan Hyatt, CTO und Mitgründer von Inspekto, bestätigt dies: »KI wird eine immer größere Rolle in der Bild- und Video-Verarbeitung spielen, sei es speziell in der industriellen Automatisierung oder im weiteren Sinne. Je mehr die KI kann, desto eher wird die Bildverarbeitung in der Lage sein, kritische Lücken beim Aufbau intelligenter und flexibler Automatisierung zu schließen, indem sie die autonome oder zumindest einfache Einrichtung von Automatisierungsaufgaben ermöglicht - sei es die Erkennung von Teilen im 3D-Raum, die Fehlerprüfung von Teilen in anspruchsvollen Anwendungen mit großen Abweichungen und Toleranzen, die Erstellung digitaler Zwillinge von physischen Gegenständen und vieles mehr.«
Laut Christoph Wagner hat Deep Learning aber auch seine Grenzen: »Auch wenn die KI-Technologie in vielen alltäglichen Anwendungen wie etwa in digitalen Assistenten oder selbstfahrenden Autos eine wichtige Rolle spielt, ist sie für industrielle Bildverarbeitungsszenarien nicht immer die erste Wahl. Häufig ist die Kombination aus beiden Systemwelten – Deep Learning und traditionellen, regelbasierten Bildverarbeitungsverfahren – der Königsweg.« Damit ließen sich in der Industrie die meisten Aufgaben erfolgreich lösen. »Und schließlich fungiert Deep Learning oft als Enabler für neue Anwendungsgebiete, die bislang nur schwer oder gar nicht mit industrieller Bildverarbeitung möglich waren.«
Eine typische Anwendung KI-basierter Bildverarbeitung ist die Führung von Roboterarmen: »Wenn die Aufgabe lautet, Produkte unterschiedlicher Größe, Form, Material oder auch Qualität mittels Robotern zu sortieren, muss nicht nur gegriffen, sondern vorher identifiziert, analysiert und lokalisiert werden«, sagt Heiko Seitz, Technischer Autor bei IDS Imaging Development Systems. »Mit regelbasiert arbeitenden Bildverarbeitungssystemen ist das gerade bei kleinen Losgrößen oft nicht nur sehr aufwendig, sondern auch kaum wirtschaftlich lösbar. Doch in Kombination mit auf KI-Basis erzeugten Schlussfolgerungen, sogenannten Inferenzen, lassen sich Industrierobotern schon heute die nötigen Fähigkeiten antrainieren.«
In der industriellen Bildverarbeitung ist KI mit am weitesten verbreitet, aber generell nimmt auf dem Weg in Richtung Industrie 4.0 die Nutzung von KI stetig zu. »Eine KI kann problemlos weltweit Produktionsstandorte überwachen, auf Fehler beobachten, Muster interpretieren, auch abweichende Muster erkennen und interpretieren«, hebt Tanja Maaß hervor. »Das macht die Chancen enorm groß.«