Automatisierung braucht IT-Paradigmen

Industriekommunikation 4.0 muss neue Wege gehen

28. Juli 2016, 15:37 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

OPC UA als »Enabler« der Service-Orientierung

Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems
Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: »Wenn man OPC UA und DDS an den Fakten vergleicht, hat OPC UA absolut die Nase vorn.«
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Im Gegensatz zu den Feldbussen und Industrial-Ethernet-Systemen folgt OPC UA dem Grundsatz der SoA und macht daher eine Orientierung an Diensten statt Daten erst möglich. Die Service-Orientierung hat OPC UA aber auch neueren Standards wie DDS (Data Distribution Service) und MTConnect voraus, die ebenfalls als Kommunikationstechniken für Industrie 4.0 gehandelt werden. »DDS ist nur datenzentriert, da fehlt der gesamte Service-orientierte Ansatz; es ist also für Industrie 4.0 unbrauchbar«, stellt Heinrich Munz klar. »MTConnect ist erstens, wie der Name schon sagt, nur für Machine-Tools gemacht; ein proprietärer Standard für Werkzeugmaschinen. Der zweite Nachteil lautet: Nur read-only. Ein MES-System kann über MTConnect nur Daten der Werkzeugmaschine bekommen, die Maschine aber nicht steuern. Auch MTConnect ist also für Industrie 4.0 untauglich.« Es gebe aber Brücken von dort zu OPC UA: »Die OPC Foundation hat mit den Vertretern sowohl von DDS als auch von MTConnect Companion-Spezifikationen erarbeitet. Man kann also ganz ohne Probleme OPC UA als Obermenge nutzen, um diese proprietären und eigentlich untauglichen Techniken in die OPC-UA-Welt mitzuüberführen.«

Auch aus Sicht von Peter Seeberg, Business Development Manager Industrial Data Intelligence bei Softing Industrial Automation, hat OPC UA gegenüber anderen Techniken die Nase vorn: »Punkt 1 ist, dass OPC UA ein unglaublich mächtiges Informationsmodell hat, so dass alle Service-spezifischen Inhalte einen Platz finden«, erläutert er. »Punkt 2 ist die Security. Sie ist ein integraler Bestandteil von OPC UA, während DDS keine einheitliche Security hat. Jeder DDS-Anwender muss seine eigene Security machen.« Klaus-Dieter Walter, Geschäftsführer von SSV Software Systems, bestätigt dies: »Wenn man OPC UA und DDS an den Fakten vergleicht, hat OPC UA absolut die Nase vorn«, sagt er. »Security ist ein ganz wichtiger Baustein, den der OPC-UA-Anwender integriert hat und der DDS-Anwender selbst erstellen muss.« Und Dieter Meuser: »OPC UA hat sich durch seine Plattformunabhängigkeit durchgesetzt. Ich spreche für die MES-Ebene, und für mein Unternehmen als MES-Hersteller ist die Sache klar: Wir setzen auf OPC UA.«

Als Basis der Service-Orientierung von OPC UA dient dessen Informationsmodell: »Was OPC UA fehlt, so wie es von der OPC Foundation kommt, ist der semantische Inhalt«, legt Heinrich Munz dar. »Den kann OPC UA aber gar nicht machen, sondern das ist domänenspezifisches Wissen. Das Informationsmodell muss also gefüllt werden mit Informationen, und eine Werkzeugmaschine kommuniziert ganz andere Informationen mit dem MES-System oder einem Roboter als eine Spritzgussmaschine.« Die Organisation Euromap (European Plastics and Rubber Machinery) habe deshalb unter dem Dach des VDMA zusammen mit den MES-Herstellern einen Standard für die Service-Orientierung von Spritzgussmaschinen definiert – mit OPC UA als Basistechnik und einem spezifischen Datenmodell. »Und das Gleiche muss auch für alle anderen Automatisierungsgeräte geschehen.«

Der Sinn des Datenmodells ist, dass die Maschinen von der MES-Welt aus alle gleich aussehen. Inwieweit haben die Hersteller dann noch die Chance, sich durch Alleinstellungsmerkmale von ihren Wettbewerbern zu unterscheiden? Durch ihre Kernkompetenzen! »Es gibt im Modell einen Mandatory Set, in dem das drinsteht, was alle machen müssen«, formuliert Heinrich Munz. »Und es gibt einen Vendor-specific Set, in den jeder Hersteller oben drüber seine Alleinstellungsmerkmale hineinschreiben kann. Der Clou ist, dass das MES-System sieht, weil es die Daten der Maschine abfragen kann: Die Basisinformationen sind alle da, unter ein und demselben Label. Aber dann schaut es hinein und ermittelt, was die Maschine sonst noch kann. Dies vermag das MES-System individuell auszunutzen, wenn es das will. Und darin liegt die Chance der Hersteller, sich doch wieder zu unterscheiden.«

Andreas Mangler, Director Strategic Marketing & Communications von Rutronik, bringt es auf den Punkt: »Idealerweise haben Hersteller von Spritzgussmaschinen dann kein Schnittstellenproblem mehr, sondern das Problem, wie gut sie den Spritzvorgang beherrschen. Die Marktführer, deren Kernkompetenz nicht an der Schnittstelle, sondern beim Spritzvorgang liegt, brauchen keine Angst davor haben, sich für Standards zu öffnen.«

Ganz ohne Nachteile geht es aber auch bei OPC UA nicht. Ein gravierendes Manko lautet: OPC UA ist nicht echtzeitfähig. »Der einzige Vorteil, den DDS aktuell gegenüber OPC UA hat, ist die Deterministik, aber diesen Nachteil wird OPC UA in den nächsten Jahren aufheben«, erklärt Peter Seeberg. Heinrich Munz bestätigt dies und bringt gleich eine Lösung für das Problem ins Spiel: »DDS ist echtzeitfähig, was OPC UA heute fehlt. Deshalb hat DDS für eine gewisse Zeit eine Daseinsberechtigung. Momentan ist OPC UA noch nicht echtzeitfähig, aber künftig, durch OPC UA auf TSN, wird dieses Problem verschwinden.«


  1. Industriekommunikation 4.0 muss neue Wege gehen
  2. C# statt IEC 61131?
  3. OPC UA als »Enabler« der Service-Orientierung
  4. Echtzeitfähiges OPC UA durch Industrial Ethernet TSN

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