Wo steht die Industrie hierzulande, die sich ja zum Ziel gesetzt hat, mit der Energiewende weiter an der Spitze der exportierenden Nationen zu bleiben bzw. diesen Status noch weiter auszubauen?
Die Antwort auf diese Frage fällt zwiespältig aus. Zwar gibt es zahlreiche Produkte aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die als Früchte der Energiewende durchaus das Zeug hätten, zu Exportschlagern zu werden, doch steht die Industrie erst ganz am Anfang.
Sehr interessante Entwicklungen – darüber sind sich die Teilnehmer des Expertengesprächs der Markt&Technik einig – gebe es auf den Gebieten der Windkraft, der Komponenten für Photovoltaikanalgen, beispielsweise Wechselrichter, und auch in der Elektromobilität, Stichwort CCS. Ähnliches gilt für den Energiesektor: Dr. Thomas Benz erwähnt hier die regelbaren Ortsnetztransformatoren (RONTs) stellvertretend als eines von vielen Beispielen an Produkten, die zum Aufbau des Smart Grid erforderlich sind. Wichtig sei es jetzt laut Holger Krings, nicht nur einzelne Komponenten zu entwickeln, sondern vollständige, vorausschauende Konzepte: »Wir müssen eine langfristige und belastbare Roadmap entwickeln und aufzeigen, wo es hingeht.«
Darüber, wohin es geht, besteht offenbar noch viel Unsicherheit. Und das ist der Grund, warum viele Firmen immer noch in Wartestellung verharren, wie Krings beobachtet. Und auch Theis ist vorsichtig: »Ja, es eröffnen sich viele Chancen, aber ein Selbstläufer wird das Ganze nicht, da bleibt noch viel zu tun, gerade in Hinblick auf die Konzeptentwicklung.«
Auf der anderen Seite ist laut Benz auf der Ebene der Verteilnetze auch schon sehr viel geschehen. Und die Aufgabe sei gewaltig. »Ein über 120 Jahre gewachsenen System, das über all die Jahre laufend optimiert wurde, plötzlich radikal umzustellen, ist ja auch eine gewaltige Aufgabe!« Immerhin sei es aber bereits gelungen, 30 Prozent erneuerbare Energien ins Netz zu integrieren – ohne Verlust an Versorgungssicherheit. »Das kostet natürlich Geld, aber wir können es«, so sein Zwischenfazit. Und wir können aufzeigen, wie es künftig funktionieren wird, wenn der Anteil der Erneuerbaren weiter steigt, »und nicht zuletzt auch, wie wir mit Fehlschlägen umgehen.«
Jetzt sind wir in der Phase angelangt, in der die Flexibilität auf der Verbrauchsseite in das Zentrum der Betrachtungen rückt. Erst wenn die Stromerzeugung, die Verteilung und der Verbrauch miteinander verflochten sein werden, ist das Smart Grid Realität. »Das Ganze wird dann der Exportschlager sein, nicht der einzelne RONT«, so Benz. Dass dies insgesamt gelingen kann, davon ist er überzeugt. Auch wenn es sich um eine hochkomplexe Operation handele und es selbstverständlich sehr schwierig sei, die Energiewende umzusetzen, ohne dass der Strom ausfällt und ohne dass die Kosten explodieren.
»Zumindest haben wir ein Ziel«, konstatiert Theis. Doch er muss wieder auf den regulatorischen Rahmen zurückkommen – der eben leider noch nicht vollständig vorhanden ist. »Die Technik existiert weitgehend, obwohl auch auf diesem Gebiet durchaus noch viel Arbeit erforderlich ist. Die regulatorischen Lücken müssen dringend geschlossen werden, und wir benötigen unbedingt Planungssicherheit.«
Und schließlich sei es die Aufgabe der Industrie, die jeweiligen Geschäftsmodelle zu entwickeln, ohne die die Unternehmen die Früchte der Digitalisierung gar nicht ernten könnten, weder im Rahmen der Energiewende, noch in der Industrie-4.0-Welt insgesamt.«
Diesem Urteil können sich die übrigen Teilnehmer der Diskussionsrunde anschließen. Daraus ist vor allem zu ersehen: Wir befinden uns immer noch in einem frühen Stadium. Die wirklichen Herausforderungen der Energiewende kommen erst noch auf uns zu. Und weil die Beobachter aus dem Ausland nicht nur beobachten, sondern auch selber an Smart Grids entwickeln – wenn auch teilweise aus anderen Gründen als wir –, kommt es vor allem auch darauf an, mit Volldampf an der Umsetzung zu arbeiten, auf allen Ebenen. Sonst werden die Smart Grids zwar zum Exportschlager, aber nicht für uns.