Überspannungen berücksichtigen

Einmal geblitzt, immer geschützt

16. Juli 2018, 16:53 Uhr | Von Frank Stocker, Field Application Engineer bei Schukat electronic, und Dr. Wen Wu, Product Manager bei Mean Well Europe
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Nicht zu verwechseln

Dabei ist zu erwähnen, dass die in der Tabelle aufgeführte Impulsspannung nicht mit der in den Stromversorgungs-Datenblättern angegebenen Spannungsfestigkeit zu verwechseln ist. Beide Werte stehen zwar in einem mathematischen Verhältnis, werden jedoch unterschiedlich getestet. Bei der Impulsfestigkeit (nach Tabelle 1) ist der Spitzenwert der Spannung angegeben. Überprüft wird diese mit einem Surge-Generator, der Impulse in einer definierten 1,2/50-µs-Wellenform erzeugt. Bei der Spannungsfestigkeit hingegen wird im Datenblatt (Tabelle 3) der Effektivwert angegeben. Zudem ist der Test der Spannungsfestigkeit härter, da das Netzteil der Spannung über einen Zeitraum von einer Minute standhalten muss. 4000 Volt Impulsspannung entsprechen umgerechnet 2800 Volt Isolationsspannung (√2 ∙ VRMS). 

Tabelle 2: Vorgabe der einzuhaltenden Luftstrecken diverser Sicherheitsnormen für doppelte bzw. verstärkte Isolation
Tabelle 2: Vorgabe der einzuhaltenden Luftstrecken diverser Sicherheitsnormen für doppelte bzw. verstärkte Isolation
© Mean Well Europe/Schukat electronic

Sicherheitsnormen

Für die Impulsfestigkeit ist die Auslegung der Luftstrecken maßgeblich entscheidend. Die zu berücksichtigenden Luftstrecken für Produkte mit verstärkter Isolierung sind nach Vorgabe verschiedener Normen aufgeführt (Tabelle 2). Bis auf die IEC/EN 60950-1 mit einer Luftstrecke von 6 mm weisen Sicherheitsnormen 5,5 mm Luftstrecke laut IEC/EN 60664-1 auf. Mit der Ablösung der IEC/EN 60950-1 durch die neue Sicherheitsnorm IEC/EN 62368-1 wird sich auch hier der Abstand auf 5,5 mm reduzieren. 

Die Stromversorgungen von Mean Well sind oftmals nach der Sicherheitsnorm IEC/EN 60950-1 zertifiziert und als OVC-II-Gerät ausgelegt. Jedoch nehmen Anfragen nach OVC-III-Produkten vermehrt zu, insbesondere in der Industrie und Gebäudeautomation. Deshalb hat der Hersteller bereits eine große Auswahl an OVC-III-Netzteilen nach IEC/EN 61558-1 zertifiziert oder deren elektrisches Design danach ausgelegt. In der aktuellen Version dieser Norm, IEC 61558-1: 2005 + AMD1: 2009, ist definiert, dass eine Stromversorgung dann den Anforderung der OVC III entspricht, wenn sie zwischen der Primär- und Sekundärseite eine doppelte oder verstärkte Isolation aufweist. (Eine Angabe für OVC II bei verstärkter Isolation fehlt daher in Tabelle 2.)

Im aktuellen CB-Report zu IEC/EN 61558-1 ist die Überspannungskategorie nicht explizit ausgewiesen. In ihrer nächsten Version, also der dritten Ausgabe dieser Norm, werden noch deutlicher die Unterschiede zu den Testspezifikationen der einzelnen Kategorien aufzeigt werden und die Überspannungskategorie klar im CB-Report benannt. 

Betriebshöhe und Impulsspannung

Nach der aktuellen Version der IEC/EN 61558-1 erfüllen die genannten Produkte die Anforderungen an die OVC III, jedoch nur bis zu einer Betriebshöhe von maximal 2000 Metern. 

Oberhalb dieser Höhe weist das Datenblatt der Geräte (Tabelle 3) deshalb eine OVC II aus, obwohl bei den Produkten anhand des Multiplikationsfaktors für die Luftstrecken eigentlich ausreichend Abstände für eine Betriebshöhe bis 5000 Meter berücksichtigt wurden (Faktor 1,48). Dennoch muss auch der Impulsspannungstest der IEC/EN 61558-1 beachtet werden. Hier ist die maximale Testspannung von 6 kV für doppelte und verstärkte Isolation für OVC III jedoch nur für eine Betriebshöhe von maximal 2000 Metern spezifiziert. Da die Norm keine Testspannung oberhalb dieser Höhe angibt, ist es notwendig, für solche Anwendungen auf die niedrigere Testspannung der OVC II (4 kV für doppelte Isolation) zu reduzieren. Dabei darf die erforderliche Impulsspannung unter Berücksichtigung der Korrekturfaktoren für die anzunehmende Betriebshöhe die maximal getestete Impulsspannung von 6 kV nicht überschreiten. Bei 4 kV Testspannung multipliziert mit dem Faktor 1,48 für einen Betrieb bei 5000 Metern ergeben sich 5,92 kV Impulsspannung. Damit ist eine OVC II bis zu 5000 Meter gewährleistet (Tabelle 3). 

Mögliche Anpassungen

Passen die verfügbaren OVC-III-Netzteile aufgrund ihrer Bauform oder anderer Gegebenheiten nicht zur Applikation, lassen sich medizinische Netzteile nach IEC/EN 60601-1 häufig nach den Vorgaben der IEC/EN 61558-1 modifizieren beziehungsweise zertifizieren. Zu berücksichtigen ist hier die Auslegung der Y-Kondensatoren: Um die Vorgaben zu erfüllen, müssen ausschließlich Y1-Kondensatoren zum Einsatz kommen. 

Tabelle 3: Korrekturfaktoren für Luftstrecken nach Betriebshöhe und Auszug aus dem Datenblatt eines OVC-III-Netzteils
Tabelle 3: Korrekturfaktoren für Luftstrecken nach Betriebshöhe und Auszug aus dem Datenblatt eines OVC-III-Netzteils
© Mean Well Europe/Schukat electronic

Für Produkte wie etwa einige Robotersteuerungen, die den Standard IEC/EN 60204-1 erfüllen müssen, lässt sich ein zusätzlicher AC-Transformator in Reihe zwischen dem Stromnetz und einem OVC-II-Schaltnetzteil installieren, um die Impulsfestigkeit zu gewährleisten. Deutlich komfortabler ist jedoch die Verwendung eines zusätzlichen Überspannungsschutzes (SPD, Surge Protection Device) wie dem SPD-20HP von Mean Well. 

Denn der Einsatz eines Überspannungsschutzes Typ 2 nach IEC/EN 61643-11 (Anforderungen an Überspannungsschutzgeräte) ermöglicht zum Beispiel die Verwendung eines OVC-II-Netzteils in einer OVC-III-Applikation. Ein vorgeschalteter Schutz schwächt eine maximal anzunehmende Überspannung der Kategorie III derart ab, dass eine Überspannung am nachgeschalteten Netzteil die maximale Impulsspannung der OVC II nicht überschreitet. Obwohl diese Lösungen Kosten und Platzbedarf erhöhen, könnten sie dennoch eine akzeptable Lösung unter Systembetrachtung darstellen, sofern passende OVC-III-Netzteile nicht zur Verfügung stehen.

Die passende Stromversorgung

In den Stromversorgungen von Mean Well für unterschiedlichste Applikationen stecken über 35 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Produktion von Schaltnetzteilen. Mit den Serien LRS und RSP in geschlossener Bauform sowie der HDR-Serie und KNX-20E für die Hutschienenmontage bietet der Hersteller eine breite Palette an OVC III-Netzteilen an, die nach EN61558-1 zertifiziert sind. Darüber hinaus erfüllen die UHP-Serie (im U-Profil) und die vergossene IP67-Serie OWA die Vorgaben der Norm. Auch bei den Neuentwicklungen wird die OVC III berücksichtigt, um die Auswahl geeigneter Produkte weiterhin zu gewährleisten und zu erhöhen. Als einer der größten europäischen Mean-Well-Distributoren bietet Schukat die Netzteile des Herstellers ab Lager an. Bei kundenspezifischen Fragen zu Überspannungskategorien und bei allen Fragen rund um das Thema Stromversorgung berät zudem das technische Vertriebsteam von Schukat.


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