Wäre ein Business-Case darstellbar, bei dem Stromversorgungen nur Online verkauft werden? Könnte sich so ein Konzept als Gefahr für die herkömmliche Stromversorgungs-Distribution erweisen? Aus Sicht von Hanausek ist ein solches Business-Konzept durchaus vorstellbar. »Es stellt sich dann halt nur die Frage, was will ich als Distributor wirklich machen? Im Prinzip betreibe ich dann nur einen Web-Shop und bewege Artikelnummern von A nach B. Mehr mache ich nicht und weiß ich auch nicht. So lässt sich vielleicht das Grundrauschen abdecken, aber ohne Nachfragen und Komplikationen, denn Kundenbesuche schließt so ein Online-Ansatz ja aus.«
Genau dieses Grundrauschen ist es aber, das den Online-Shop-Ansatz für alle Forums-Teilnehmer interessant macht. »Das spart Zeit und Arbeitskräfte, die wir an anderer Stelle sinnvoller einsetzen können«, versichert Bochmann. »Aus diesem Grund denken wir über die Schaffung eines solchen Online-Shops nach.« Aus Sicht von Bergstein dürfte so ein Konzept solitär aber nicht funktionieren: »Ich denke, das kann bei Vorserien und Mustern funktionieren, aber wenn es dann um große Stückzahlen geht, brauche ich einen Counterpart, mit dem ich verhandeln kann. Ich brauche ja für Hunderte von Stück monatlich Adressen, Standorte, an die ich die liefern soll und mehr.
Bicker sieht den Charme eines solchen Angebots unter anderem auch in der vereinfachten Betreuung nicht Deutsch sprechender Kunden; »die sind wirklich froh, dass sie in Englisch und mit der Kreditkarte einkaufen können«. Bicker kann sich auch vorstellen, dass jemand ein solches Business-Konzept aufstellt, um Off-the-Shelf-Produkte zu verkaufen. »Amazon und ähnliche Dienstleister haben da Standards gesetzt, aber für unsere Branche würden da Erwartungen geweckt, die speziell auch in der jetzigen Liefersituation wohl nicht immer umsetzbar wären«.
»B2C hat die Standards gesetzt, an denen sich ein solches Business-Konzept mit seinem Leistungsvermögen messen lassen müsste«, pflichtet Rehm bei, »aber auf die Stromversorgungswelt lassen sich die B2C-Standards nicht einfach übertragen«. Die Frage des Kunden, warum er das nicht wie gewohnt bei Amazon auch in einem solchen Online-Shop-Konzept machen könne, sei sicherlich gerechtfertigt, »aber das sind letztlich verschiedene Welten, das lässt sich nicht 1:1 duplizieren«. Kokot glaubt auch aus einem anderen Grund daran, dass so eine Geschäftsidee nur für sich betrachtet funktionieren würde. »Die Erfahrung lehrt, dass Online-Preise meist höher sind, als wenn ich dann direkt bei jemandem anrufe.«
Warten auf den Brexit
Nur noch weniger als 200 Tage trennen die EU und Großbritannien vom Brexit. Noch ist nicht erkennbar, ob und wenn ja in welcher Form es zu einem »weichen« Brexit kommen wird. Vielmehr deutet nach wie vor viel auf einen harten Brexit ohne Regelungen hin. Ein Thema, das natürlich auch die Stromversorgungs-Distribution betrifft. Von Vorbereitungen auf den Tag X, so die Forumsteilnehmer, ist nach wie vor nichts zu spüren.
»Natürlich macht man sich da Gedanken«, so Rehm, »schließlich haben wir eine Entwicklungsabteilung und eine kleine Fertigung in Swindon«. Wenn man aber das Verhalten der Anwender in Großbritannien betrachte, »dann geht man dort offenbar immer noch davon aus, dass es zu keinem harten Brexit kommt, dass alles wie bisher noch irgendwie weitergeht«. – »Wir stellen nur bei der jungen Generation einen Unmut über die Entscheidung fest«, so Rehm, »aber das hat keinen großen Einfluss auf den Markt«.
»Wir haben einen Lieferanten in Großbritannien, von dem wir Ware beziehen«, berichtet Egbers, »aber der Brexit war noch nie ein Thema zwischen uns«. »Die gehen nicht vom knallharten Brexit aus, die gehen davon aus, dass man sich schon irgendwie durchwursteln wird«. Das Hauptproblem, so die Diskussionsteilnehmer, sei weiterhin der Umstand, dass Fakten fehlen, welche aufzeigen könnten, welche Vor- oder Nachteile der Brexit habe. »Es stehen keine Zahlen im Raum, weder für Ein- noch für Ausfuhrzölle«, stellt Kokot fest, »das alles ist nicht greifbar, und darauf ist wohl auch in erster Linie das bisherige Verhalten der britischen Lieferanten und Kunden zurückzuführen«.
An eine Lösung, die den harten Brexit vermeidet, glaubt keiner der Forumsteilnehmer. Zwar wendet Rehm ein, dass die Hauptverhandlungsführer eigentlich kein Interesse daran haben könnten, »einen weiteren, zusätzlichen Krisenherd zu kreieren«, doch an der Stelle wendet Bochmann entschieden ein, »dass sich das die EU nicht leisten kann, wenn jemand aussteigt, nichts mehr zahlt, dieselben Rechte und Möglichkeiten wie zuvor hat, aber keine damit verbundenen Pflichten mehr, das würde mit Blick auf Osteuropa eine Riesenspirale in Gang bringen. Aus diesem Grund wird es wohl auf einen harten Brexit hinauslaufen«.