Forum "Stromversorgungsdistribution"

Die Renaissance der Buffer-Stocks

1. Oktober 2018, 17:28 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Reiner Salesman-Talk?

Auch wenn dieses Nachjustieren bei Mean Well aus Sicht von Stocker etwas mit Feiertagen zu tun hatte, so zeigt sich auch Stocker vorsichtig: »Wir beobachten eine Entwicklung, in der sich im Zweiwochenrhythmus die Lieferzeiten langsam nach oben bewegen. Man könnte daraus schließen, dass die Lieferzeiten im restlichen Jahr also noch mal anziehen«. Eine Entwicklung, die nach Einschätzung von Bicker auch einer gewissen Eigendynamik geschuldet sein könnte: »Alle bauen Lager auf, nicht nur wir, sondern auch unsere Kunden. Bis dann die Abflüsse nicht mehr so stattfinden wie gewohnt und das Ganze wieder in die andere Richtung schwingt. Wann dieser Scheitelpunkt erreicht wird, werden aber erst die nächsten Monate zeigen«.
Entsprechend vorsichtig fallen auch die Ausblicke in die Zukunft aus. Kokot rechnet etwa damit, dass es bei Stromversorgungen, die MLCCs der Größen 1206 oder 0805 einsetzen, weil sie Spannungen von 35 oder 50 V zur Verfügung stellen müssen, in den nächsten Monaten durchaus schwierig werden könnte; »der Markt und die Nachfrage sind aber auf jeden Fall auch 2019 noch da«. Bicker verweist auf die Gesamtsituation: »Wir müssen sehen, wohin sich die Schutzzoll-Spirale zwischen Trump und China noch dreht, denn das könnte durchaus noch Auswirkungen haben.« (Anmerkung d. Redaktion: Zum Zeitpunkt des Forums hatte Trump seine nächste Runde an Importzöllen für Waren aus China noch nicht bekanntgegeben.) Gleichzeitig weist Bicker darauf hin, »dass wir uns seit 2008/09 wirtschaftlich in einer Daueraufwärtsbewegung befinden; wenn es also jetzt irgendwann zu einer Delle kommen sollte, wäre das nur natürlich«.

Bochmann verweist auf diverse Risikofaktoren, die eigentlich ständig mehr werden, anstatt sich zu minimieren. »Wir sollten das für die Zukunft nicht unterschätzen, da ist weltweit viel Bewegung drin. Es ist unruhig, dafür aber immer noch erstaunlich stabil.« Dem pflichtet Stocker bei: »Von diesen Risikofaktoren hat sich die Wirtschaft in den letzten Jahren relativ unbeeindruckt gezeigt. Es gab genug Vorkommnisse, die keinen Einfluss auf die Realwirtschaft hatten. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis das mal in eine andere Richtung ausschlägt.« Es könne, schiebt er aber noch nach, auch sein, »dass wir einfach in einer sehr angenehmen Branche arbeiten, in der sich immer wieder neue Märkte auftun und damit die Möglichkeit besteht, schwächelnde Märkte zu kompensieren«.

Sehr einig waren sich die Diskussionsteilnehmer aber wieder bei der Frage, womit man sich am besten vom Wettbewerb differenziere: Added Value. »0815 kann jeder verkaufen«, so Bergstein, »ich differenziere mich dadurch, dass ich entweder besondere Serviceleistungen oder dem Kunden gleich eine komplette Lösung anbieten kann«. Vom Fullfilment zum Design-in, das ist letztlich das Ziel aller Stromversorgungs-Distributoren. 

Wobei auch hier zu unterscheiden ist. »Es hängt von der Kundenklientel ab«, wirft Stocker ein. »Es gibt die Kunden, die sich vergleichsweise spät mit dem Thema Stromversorgung beschäftigen und die deshalb auf Standardware setzen müssen, da kann ich als Distributor keinen kundenspezifischen Mehrwert mehr bieten. Und dann sind da die Kunden mit dem größeren Vorlauf; in der Zusammenarbeit mit diesen Kunden entstehen dann kundenspezifische Projekte.« Wobei Stocker auch darauf hinweist, »dass die Kernkompetenz des Distributors ja nicht in handwerklichen Fähigkeiten liegt«. Kundenspezifische Veränderungen müssten darum am besten mit dem Hersteller abgewickelt werden, »da bilden wir die Schnittstelle und der Hersteller bürgt mit seiner Qualitätsgarantie für die kundenspezifischen Veränderungen«.
»Wenn es der Hersteller selbst macht, ist das mit Sicherheit die beste Lösung«, pflichtet Egbers bei; »wenn das nicht möglich ist, muss man sich an einen externen Dienstleister wenden«. Oder man verfügt über die entsprechenden Kapazitäten im eigenen Haus. Wobei hier noch zu unterscheiden ist zwischen der kundenspezifischen Konfiguration modularer Netzteile und mechanischen und technischen Veränderungen an Geräten, wie das etwa im Fall der Fortec-Gruppe gegeben ist. »Wenn ich das Know-how und die Manpower habe, kann ich sowas auch selbst realisieren«, betont Bergstein, »und mich auch in puncto Schnelligkeit und Flexibilität vom Wettbewerb abheben«.

Rehm und Kokot weisen aber auch darauf hin, das Semi-Custom dann zu einer Herausforderung werden kann, wenn der betreffende Hersteller so ein Projekt nicht annehmen will. »Das kann schlicht daran liegen, dass er mit anderen Volumina arbeitet als wir«, meint Rehm, »das passt dann einfach nicht in seine Taktung aus Entwicklung und Fertigung.« – »Unser großer Vorteil als Distributor liegt ja gerade darin, „Best-Fit-Lösungen“ anzubieten«, flicht Kokot ein, »das reicht von Low Cost bis High Level, was Qualität und Preis betrifft; vor diesem Hintergrund sollte dann auch eine passende Lösung gefunden werden, schließlich ist mehr als die Hälfte unseres Geschäfts in diesem Bereich projektbasiert«. Fazit: Für Semi-Custom-Lösungen bedarf es der richtigen Partner auf beiden Seiten, und in diesem Punkt können Distributoren als Schnittstelle zwischen Kunden und Herstellern ihr Leistungsportfolio voll ausschöpfen.


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