Chemie-Nobelpreis

Die Zähmung der Quantenpunkte

5. Oktober 2023, 7:04 Uhr | Heinz Arnold
© Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences

Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Ekimov haben Quantenpunkte entdeckt, erklärt und gezeigt, wie sie sich herstellen lassen. Das brachte ihnen den Nobelpreis in Chemie.

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Quantenpunkte sind im Grunde halbleitende Nanokristalle, sie sind also nur wenige Nanometer groß und bestehen aus einigen Tausend Atomen. Deshalb gelten dort die Gesetze der Quantenmechanik. Die Elektronen in einem Quantenpunkt können durch UV-Licht von den Atomen getrennt werden, zu denen sie eigentlich gehören und verteilen sich im Quantenpunkt, also dem Kristall – so lange, bis sie ihre Energie wieder abgeben und auf ihren ursprünglichen Zustand zurückehren. Dann wird Licht einer bestimmten Wellenlänge emittiert. Sie hängt von der Größe des Quantenpunktes ab, nicht vom chemischen Aufbau. Kleine Quantenpunkte liefern energiereicheres Licht, also im blauen Bereich. Große Quantenpunkte strahlen Licht geringerer Energie aus, das längere Wellenlägen aufweist. Sie erscheinen also rot. 

1979 gelang es Alexei Ekimov (78), die bis dahin nur theoretischen Vorhersagen der Quantenmechanik am Staatlichen Institut für Optik in St. Petersburg erstmals experimentell nachzuweisen und Quantenpunkte tatsächlich herzustellen. Sie bestanden aus Kupferchloridkristallen, die in Glas eingebettet waren. Er wies nach, dass die Quantenpunkte ihre Farbe wie vorhergesagt in Abhängigkeit ihrer Größe ändern. Heute arbeitet Ekimov bei der Firma Nanocrystals in New York. 

Für praktische Anwendungen brachte dies allerdings nur wenig. Den nächsten Durchbruch erzielte Louis Brus (80), der 1983 in den Bell Laboratories in New Jersey die erste Quantenpunkte als freischwebende Partikel in einer Flüssigkeit herstellte. Doch auch für Brus, heute an der Columbia Universität in New York, lag die kommerzielle Anwendung damals noch in weiter Ferne. 

Erst der Gruppe um Moungi Bawendi (62), er hatte bei Brus als Postdoc gearbeitet, gelang es 1993 am MIT, ein Verfahren zu entwickeln, um Quantenpunkte in der Qualität zu fertigen und auf bestimmte Eigenschaften zuzuschneiden, die sie für den Einsatz in realen Umgebungen geeignet machte. Heute lassen sich im Labor ausgehend von seinem Rezept in einfachen Geräten Quantenpunkte »kochen«, wie die Chemiker sagen. 

Deshalb arbeiten Quantenpunkte bereits in vielen Haushalten: Sie sind in QLED-Displays für Fernseher und Computer zu finden, wo sie nicht nur sehr gute Farbqualität liefern, sondern dies auch über eine vergleichsweise lange Zeit tun, so dass die Farben nicht über die Lebenszeit des Geräts verblassen. 

Doch dürfte in den Quantenpunkten noch viel mehr Potenzial für weitere Anwendungen schlummern. So könnten sie sich für Photozellen nutzen lassen, die derzeit zwar in ihrem Wirkungsgrad den etablierten Techniken stark interherhinken, aber es ist noch viel Spielraum für weitere Entwicklungen vorhanden. 

In der Biochemie und Medizin können sie eingesetzt werden, um bestimmte Moleküle mit Markiergen zu versehen und dadurch besser verstehen zu können, wie sie genau interagieren. Hier spielt wieder ihre Langlebigkeit eine wichtige Rolle, denn sie verblassen nicht so schnell wie organische Farbstoffe. Das Nobelpreis-Komitee versäumte jedenfalls nicht, auch die möglichen Anwendungen in der Medizintechnik und dem Gesundheitswesen hervorzuheben. 

Und selbstverständlich können die Anwendungen auch in Richtung Quantencomputer gehen. Heute werden Qubits am häufigsten über supraleitende Josephson-Kontakte oder über Ionenfallen realisiert – doch auch Quantenpunkte könnten sich dafür eignen, stehen aber auch dort noch am Anfang, aber auch dort mit sehr viel Potenzial für die Zukunft.  

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