Horiba ist Experte auf dem Gebiet des Automotive Tests. Ursprünglich aus der Abgasmesstechnik kommend, hat sich das Unternehmen zum Komplettanbieter entwickelt. Wohin die Reise nun weitergeht, erklärt Dr. Robert Plank, Geschäftsführer Automotive Test Systems von Horiba Europe im Interview.
Markt&Technik: Herr Dr. Plank, Horiba hat sich immer breiter aufgestellt. Bitte fassen Sie kurz zusammen, welche Akquisitionen Sie getätigt haben und warum.
Dr. Robert Plank: Aktuell steht Horiba auf fünf Säulen: Automotive-Test-Solutions, Prozess- und Umwelttechnik, Medizintechnik, Halbleiter und Naturwissenschaft/Scientific. Automotive ist das größte und wichtigste Segment für das Unternehmen. Basis des Erfolgs ist in erster Linie die Abgasmesstechnik, in die wir bereits in den 60er/70er-Jahren eingestiegen sind. Von dort aus haben wir uns zum Weltmarktführer für die Zertifizierung von Verbrennungsmotoren entwickelt. 2005 haben wir uns durch den Zukauf von Schenck, Experte für Fahrzeug-, Bremsen- und Antriebsstrangprüfstände, strategisch verstärkt und sind jetzt in der Lage, ganzheitliche Lösungen für die Automobilindustrie anzubieten. 2015 haben wir die britische Firma Mira als Engineering- und Testing-Spezialisten übernommen. Damit können wir nun die gesamte Kette vom Engineering und Testing bis hin zu den Prüfständen und den Messeinrichtungen anbieten. Unsere bislang letzte strategische Akquisition – 2018 – war die Fuelcon AG, Spezialist für Testsysteme im Bereich Batterie- und Brennstoffzellentechnologie. Damit sind wir jetzt auch für die Elektromobilität bestens aufgestellt.
Welche Synergien erschließen sich aus den Geschäftsbereichen und welche Alleinstellungsmerkmale zeichnen Horiba aus?
Das vermutlich wichtigste Alleinstellungsmerkmal ist unsere breite Aufstellung – sowohl auf den Unternehmensverbund bezogen als auch auf die vielfältigen Automotive-Testsysteme und -technologien. So profitieren wir beispielsweise sehr von dem, was unsere Kollegen aus dem Geschäftsbereich Scientific an neuen Messtechniken entwickeln – z.B. für noch genauere Partikelmessungen und -analysen. Beim Testen von Bremsen ist unser USP sicherlich unsere langjährige Erfahrung im Bereich Dynamometer, die wir mit der Partikelmesstechnik kombinieren können. Ein weiterer USP ist, dass wir uns nicht nur mit der Emission von Fahrzeugen beschäftigen, sondern auch mit der Immission. Als Immissions-Marktführer sind wir mit unseren Produktpalette von Gas- und Partikelgeräten in (fast) allen deutschen Messnetzwerken vertreten, einschließlich dem des Umweltbundesamtes. Wir wollen Gemeinden und Kommunen einen ganzheitlichen Ansatz zur Verfügung stellen: Mit der portablen Messtechnik am Auto messen wir, was aus dem Auto rauskommt, und können die Ergebnisse in Relation zu dem setzen, was auf der Straße ankommt. Diese Verbindung bietet außer uns kein Hersteller an.
Welche Trends adressiert Horiba Automotive Test Systems aktuell?
Da wäre zunächst die Frage nach dem Energieträger der Zukunft. Heiß in der Diskussion ist natürlich die Elektrifizierung, doch auch der Verbrennungsmotor ist noch im Rennen. Benzin, Diesel, Gas, Batterie, Brennstoffzelle und Hybrid konkurrieren – das fordert die Tier-Ones und OEMs extrem heraus, denn weil nicht klar ist, welche Technologie 2030 bis 2035 vorherrschen wird, müssen sie alles bedienen. Die Szenarien sind unterschiedlich. VW stellt sich ganzheitlich auf, kann alles bedienen. Andere setzen ausschließlich auf Batteriebetrieb, verlieren aber die anderen Märkte. Ein weiteres Trendthema ist natürlich das automatisierte Fahren. Dabei spielt das Thema Connectivity – also die Verbindung der Fahrzeuge untereinander und zur Infrastruktur, V2V- oder V2X – eine große Rolle, ebenso wie Cyber-Security. Drittes strategisches Schwerpunktthema ist die sogenannte Shared Mobility.
Wie adressieren Sie diese Trends?
Historisch bedingt haben wir einen starken Footprint im Bereich des Verbrennungsmotors – also alles, was im klassischen Verbrenner und in der Emissionstechnologie eine Rolle spielt. Da wollen wir natürlich die Nummer 1 bleiben. Aber die Märkte verändern sich: Die R&D-Budgets der OEMS und Tier-Ones verschieben sich von der klassischen Verbrennungstechnik hin zu alternativen Antrieben. Darauf müssen wir uns einstellen und unser Portfolio anpassen und ergänzen.
Als Konsequenz daraus haben Sie im vergangenen Jahr Fuelcon übernommen?
Ja. Fuelcon ist in Deutschland Marktführer im Bereich Testsysteme für die Brennstoffzellentechnologie. Fast alle namhaften Hersteller hierzulande sind mit Fuelcon-Testsystemen ausgestattet. Der Bedarf an Brennstoffzellentechnologie nimmt weltweit zu – insbesondere in China und Japan ist das Interesse groß. Daher hat Fuelcon einen Partner gesucht, der mit ihnen zusammen die Produkte globalisieren kann. Insofern war das ein perfekter Match.
A propos China. Welchen Stellenwert hat der chinesische Markt für Horiba ATS?
Vor allem im Bereich der Brennstoffzellentechnologie ist China für uns ein überaus interessanter Markt. Dort ist man sehr früh und mit hoher Geschwindigkeit in die Elektrifizierung eingestiegen. Die ganze chinesische Politik und Regierung ist darauf ausgerichtet, New-Energy-Vehicles auf den Markt zu bringen. Technologisch sind sie durchaus gleichauf mit europäischen Herstellern. Aber während wir hier in Europa noch diskutieren, ob wir die Brennstoffzellentechnologie wirklich wollen, hat China bereits die nächsten Förderprogramme aufgelegt. Darüber hinaus sind auch Japan und Korea auf diesem Gebiet sehr aktiv. Die Forschung dort läuft auf Hochtouren, und die ersten Fahrzeuge asiatischer Hersteller sind bereits auf dem Markt. Die arbeiten viel stärker an ihrem Gesamtenergie-Management – auch mit Wasserstoff – als wir hier in Europa. Da kommen wir mit den Fuelcon-Testsystemen genau richtig. Wir unterstützen damit sowohl den existierenden Markt als auch die Forschung – und zwar in Sachen Brennstoffzellen-, Batterie- und Hybridtechnologie.
Die ideale Ergänzung zum Horiba-Portfolio also?
Horiba hat seine Stärken bei Verbrennungsmotoren, Fuelcon bei Batterie- und Brennstoffzellen-Prüfsystemen. Jetzt können wir neben den klassischen Getrieben, Steuergeräten und dem Gesamtantriebsstrang auch das Energiemanagement und die Batterie- oder auch Brennstoffzellen-Technik testen.
Wo sehen Sie für Europa die Zukunft?
„Dieselgate“ hat Deutschland einen massiven Vertrauensverlust beschert. Nun kämpfen die Automobilhersteller damit, wie sie den Umschwung von der Verbrennungsmotortechnologie hin zur Elektromobilität schaffen. Dabei ist Diesel an sich eine hochausgereifte Technologie und schneidet in der Gesamt-CO2-Bilanz gut ab – je nach Strommix sogar besser als Elektrofahrzeuge. Denn der Strom muss ja auch produziert werden. Und man muss sich die Frage stellen, wo der Strom eigentlich herkommt und wie es mit der Batterieproduktion in der Gesamtbilanz aussieht. Das gesamtpolitische Klima ist derzeit so stark auf Elektromobilität ausgerichtet, dass der Verbrennungsmotor einfach an Image verloren hat. In der Außenwirkung schaut man nur auf Tank-to-Wheel – daher bezeichnet man E-Fahrzeuge als Zero-Emission. Well-to-Wheel oder gar ‚Cradle to Grave‘ betrachtet sieht das schon ganz anders aus.
Mit „grünem“ Strom würde das anders aussehen?
Gemessen an anderen Ländern haben wir in Deutschland mit fast 40 Prozent einen relativ hohen Mix an alternativen Energien. Aber selbst in diesem Mix kann der Diesel in Bezug auf CO2 immer noch mithalten. Man bräuchte einen größeren Anteil an regenerativen Energien. Aber das wird noch eine Zeitlang brauchen. Ich mache mir momentan Gedanken, wie wir unsere CO2-Ziele erreichen wollen, wenn wir ausschließlich auf E-Mobilität setzen, insbesondere aufgrund der Herausforderungen bezüglich Infrastruktur, Ladezeiten etc. Die verschiedenen Antriebstechnologien stehen also nach wie vor im Wettbewerb miteinander und es ist noch nichts entschieden.