Im Bild 3 ist die erste Entladestromspitze des ESD-Generators vergrößert dargestellt. Man erkennt, dass auf der Vorderflanke mehrere Einschwingvorgänge liegen. Im Weiteren wird dieser Vorgang als ESD Einschwingvorgang bezeichnet. Die Entladestromspitze und der ESD Einschwingvorgang erzeugen einen magnetischen Fluss B1 (Bild 1) mit gleichem Zeitverlauf. Der magnetische Fluss B1 induziert in einer Leiterschleife der Elektronikbaugruppe eine Störspannung uind (Bild 3). Die Leiterschleife hat eine Größe von 8 mm2. Die eingestellte Spannung des ESD-Generators beträgt 2 kV. Im Bild 3 erkennt man weiterhin, dass die größte Spannungsinduktion vom ESD Einschwingvorgang erzeugt wird. Der nach Norm definierte 0,7 bis 1 ns Anstieg der Entladestromspitze erzeugt eine geringere Störspannungsinduktion (Bild 3, Kurven ohne Einschwingvorgang).
Der ESD Einschwingvorgang des ESD-Generators besitzt eine höhere Störwirkung als die Entladestromspitze. Die nach Norm definierten Kurvenformparameter eignen sich damit nicht zur umfassenden Beschreibung der Störwirkung des ESD-Generators. In der Praxis sind die Einschwingvorgänge stark vom Typ des ESD-Generators abhängig.
Eine zusätzliche Störwirkung des ESD-Generators wird durch die Felder B2 und B3 (Bild 1) ausgelöst. Die vom Feld B2 in einer 8 mm2 großen Leiterschleife erzeugte Störspannung ist in Bild 4 dargestellt. Der Spannungsverlauf weicht vollkommen vom üblichen Verlauf der bekannten ESD-Vorgänge ab. Die größte Störwirkung auf ICs besitzt der 200 ps breite Nadelimpuls. Er hat eine Amplitude von 4,8 V. Für langsame ICs der älteren Generation war dieser Impuls zu kurz. Er konnte kaum Störungen hervorrufen. Moderne schnelle ICs können diesen schmalen Impuls verarbeiten und werden gestört. Die Besonderheit ist, dass dieser Vorgang (durch das Feld B2 induzierte Spannung) nichts mit dem Normpuls zu tun hat. Er tritt zusätzlich zum eigentlichen Prüfvorgang auf. Dadurch ist die Normprüfung nicht mehr eindeutig.
Im Bild 5 ist das Wirkprinzip der Spannungsinduktion (Ersatzschaltung) durch das Magnetfeld B des ESD-Generators dargestellt. Die Induktionsschleife kann sich außerhalb des ICs auf der Flachbaugruppe oder im IC-Gehäuse befinden. Außerhalb wird sie durch einen Leiterzug gebildet, der sich hier zum Beispiel über einen niederohmigen Treiber zur Masse schließt. Durch den Leiterzug wird die Störspannung leitungsgebunden in den IC geleitet. Innerhalb des ICs wird die Induktionsschleife durch Pins, Lead Frame und Bonddraht gebildet. Die in der Induktionsschleife induzierte Spannung uind steht am Eingang des ICs an. Beide Spannungen – die äußere und die innere – wirken im Inneren des ICs störend. Die Spannung uind hängt von der Steilheit des Entladestroms, bzw. des Magnetfeldes des ESD-Generators ab. Dieser Zusammenhang wird mit dem Induktionsgesetz: uind = -d Φ / d t beschrieben. Je steiler der Störvorgang ist, umso höher ist die induzierte Spannung. Beim Burstgenerator IEC 64000-4-4 ist die Steilheit des Impulses 5 ns. Die Magnetfelder des Burstgenerators induzieren eine geringere Spannung als der Störvorgang des ESD-Generators. Der ESD-Generator besitzt eine Flankensteilheit von 0,7 bis 1 ns und wird bei gleichem Strom fünf Mal mehr Spannung induzieren. Die Einschwingvorgänge auf der Flanke des ESD-Generators besitzen eine Steilheit von ca. 200 ps. Diese Einschwingvorgänge werden eine noch höhere Spannung induzieren.
Dieser Zusammenhang ist im Bild 6 dargestellt. Der dargestellte Strom erzeugt ein Magnetfeld B, das die Leiterschleife durchsetzt. In der Leiterschleife wird die Spannung uind induziert. Die Störvorgänge: Burst, ESD, ESD Einschwingvorgang erzeugen unterschiedlich hohe Spannungsinduktionen. Die Breite des induzierten Spannungsimpulses entspricht der Anstiegszeit des Stromes. Bei Burst entstehen Impulse, die 5 ns breit sind. Bei ESD 1ns und beim ESD Einschwingvorgang entstehen Impulse von 200 ps Breite. Bei modernen ICs wird auch bei 200 ps breiten Impulsen der IC die Störung verarbeiten und dadurch gestört. Das kann bis zum Totalausfall des IC führen.
Die Höhe der induzierten Spannung ist nach dem Induktionsgesetz umgekehrt proportional zur Steilheit (Anstiegszeit) des Störvorgangs. Die Messungen für Bild 6 wurden mit definierten Feldquellen durchgeführt (Bild 7). Diese besitzen für die unterschiedlichen Störvorgänge eine feste Geometrie für die Felderzeugung. Dadurch wird der Prüfstrom immer die gleiche Feldverkopplung erzeugen. Damit werden die Messergebnisse für die drei beschriebenen Störvorgänge vergleichbar. Ein IC kann den definierten Feldern ausgesetzt werden und seine Störfestigkeit unter Funktion geprüft werden.