Gedruckte Touch-Sensoren

Eine kostengünstige Alternative zu Sensoren auf ITO-Basis

27. Mai 2024, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Nikolas Wagner (r.), Dr. Wolfgang Clemens: »Es sind vor allem die Kosten und der Trend, die jetzt dazu führen, dass sowohl im Automotive-Bereich, als auch bei der Weißen Ware mechanische Schalter durch Touch-Lösungen ersetzt werden. Die Industrie nutzen die Chance, die Schalter durch neue Technologien zu ersetzen.«
© PolyIC

Nikolas Wagner, Geschäftsführer der PolyIC und Dr. Wolfgang Clemens, Director Product Management & Business Development bei PolyIC, sehen gedruckte Touch-Sensoren insbesondere im Automotive-Bereich und bei Weißer Ware auf dem Vormarsch.

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: PolyIC hat vor Kurzem auf der Embedded World in Nürnberg ausgestellt. Wie eng sind die Verbindungen zwischen Ihnen und der Embedded Welt?

Nikolas Wagner: Wir waren ja nicht zum ersten Mal auf der Embedded World. 2017 waren wir auf einem Partnerstand präsent, seit 2018 stellen wir selbst aus, und nutzen dabei als Fürther unseren »Heimvorteil«. Wir treffen dort auf interessierte Entwickler, die entweder bei Tier-1-Herstellern der Automotive-Welt tätig sind, oder bei bekannten Herstellern aus dem Bereich der Weißen Ware, dazu kommen viele, die im Bereich der Vorentwicklung tätig sind. Unsere Touch-Sensoren, verbunden mit den dekorativen Oberflächenfolien unseres Mutterunternehmens Leonhard Kurz sind da absolut ein Unique Selling Point! Das macht sich auch dadurch bemerkbar, dass wir jedes Jahr neue Kontakte auf der Messe knüpfen können.

Ein Blick auf die Branchenprognose der OE-A zeigt, dass sich auch für die gedruckte und organische Elektronik die Marktsituation eingetrübt hat. Wie entwickelt sich für Sie das Jahr 2024 und was erwarten Sie für 2025?

Wagner: Wenn jemand in den vergangenen Jahren, bedingt durch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen, den Ukraine-Krieg oder seit Kurzem den Aktivitäten der Huthi-Rebellen im Roten Meer nicht die benötigten Komponenten für das von ihm gefertigte Endgerät erhält, dann bestellt er auch keine Touch-Sensoren. Für uns bringt das Bedarfsschwankungen mit sich. So haben wir im letzten Jahr deutlich mehr ausgeliefert, als ursprünglich geplant war, das hat zur Folge, dass wir 2024 bisher etwas hinter unseren Jahresplanungen zurückliegen. Diese Schwankungen, diese Unsicherheiten fasse ich gerne in einem Satz zusammen: »Prognosen für den Home Appliance Markt sind aufgrund der aktuellen Krisen schwer abzugeben.« Unser Ziel ist Wachstum, wir wollen unseren Marktanteil vergrößern, darauf arbeiten wir hin.

Können Sie das etwas konkreter machen? Wie groß ist ihr Marktanteil im Bereich Touch-Sensoren aktuell?

Dr. Wolfgang Clemens: Das lässt sich nicht so einfach eingrenzen. Als Touch-Sensor kann ich auch eine Carbonfläche bezeichnen, die ich mit einer Feder kontaktiere – mit unserer Art von Touch-Lösung hat das absolut nichts zu tun. Auch die Touch-Sensoren, die heute jedes Jahr zu hunderten von Millionen in Smartphones verbaut werden, haben mit unseren Produkten und Lösungen wenig gemein. Aus diesem Grund ist es schwierig da wirklich relevante Marktanteile zu nennen.

Können Sie das etwas genauer beschreiben, was Ihr Fertigungsverfahren von denen anderer Marktteilnehmer unterscheidet?

Dr. Clemens: Bei unseren Metal-Mesh-Sensoren bringen wir hauchdünne Metallstrukturen auf transparente PET-Träger auf. Das hat im Vergleich zu herkömmlichen Sensoren vor allem den Vorteil, dass sie sehr dünn, flexibel und leicht zu integrieren sind. Wir haben auch unsere Integrationsprozesse weiterentwickelt – vor allem das Integrieren mittels Heißprägen. Wir bezeichnen den Prozess heute als Functional-Foil-Bonding. Das mechanische Kleben des Sensors wurde damit automatisiert, wodurch wir eine wesentlich höhere Genauigkeit und Funktionssicherheit unserer Touch-Sensoren gewährleisten können.

Sie sprachen von Ihrer Mutterfirma Leonhard Kurz, einem Unternehmen mit 5500 Mitarbeitern und knapp 1 Milliarde Euro Jahresumsatz. Wie groß ist die Tochterfirma PolyIC heute?

Dr. Clemens: Bei uns arbeiten aktuell etwa 40 Beschäftigte. Da die gesamte Produktion bei Kurz erfolgt, arbeiten unsere Mitarbeiter ausschließlich in den Bereichen Entwicklung, Produktdesign, Anlagen- und Fertigungstechnik sowie im Laborbereich, zu dem auch unsere Pilotserienfertigung gehört.

Automotive-Anwendungen haben sich schnell zum wohl wichtigsten Absatzmarkt für gedruckte Elektronik entwickelt. Wie hoch ist der Automotive-Anteil aktuell bei Ihnen, und mit welcher Verteilung rechnen Sie zum Ende dieses Jahrzehnts?

Wagner: In unserem Fall entfallen aktuell 60 Prozent auf den Automotive-Bereich und 40 Prozent auf Weiße Ware. Da es in beiden Anwendungsbereichen noch unendlich viele Applikationsmöglichkeiten gibt, gehe ich davon aus, dass sich an der Umsatzverteilung wohl bis zum Ende dieses Jahrzehnts nichts ändern wird.

Dr. Clemens: Sowohl im Automobilbereich als auch in der Weißen Ware ist der Touch-Sensor die neue Lösung, die klassische mechanische Schaltelemente ersetzt.

Eine der auffälligsten Displayneuerungen im Automobilbereich ist sicher der Hyperscreen von Mercedes. Wäre das auch eine Möglichkeit für PolyIC?

Wagner: Das ist eine glasbasierte Highend-Lösung für die Topklasse im Automobilbereich. Wenn wir allerdings von Glas zu kunststoffbasierten Displays gehen, sieht die Sache schon anders aus. Mit Metal-Mesh-Touch-Sensoren können wir hier eine kostengünstige Alternative zu den bisher in Displayanwendungen verwendeten kapazitiven Multitouch-Sensoren aus Indium Tin Oxide, kurz ITO realisieren.

Dr. Clemens: Auf dem Displayforum der Embedded World habe ich dazu zusammen mit Elektrobit einen Vortrag gehalten. Nicht nur der »Headimpact« ist im Fall eines Unfalls bei einem Kunststoffdisplay gegenüber einem Glasdisplay geringer, ich kann das Display auch viel besser »seamless« in die Innenraumverkleidung integrieren. Letztlich wird eine Fläche, die zuvor nicht als Display erkennbar war, durch Berührung auf einmal zum Display. Das Stichwort heißt hier ShyTech. Und unser großer Vorteil ist dabei eben, dass wir Dekor und Touch-Sensor so zusammenfügen können, dass es funktionell und ästhetisch zusammenpasst!

PolyIC ist ein Spezialist für vielfältige Touch-Sensor-Lösungen. Gibt es Anwendungen, in denen ein mechanischer Schalter doch die bessere Lösung wäre?

Dr. Clemens: Nein! Genau umgekehrt wird ein Schuh draus! Es sind die Kosten, die den Einsatz von Touch-Sensoren vorantreiben, das gilt für den Automotive-Bereich ebenso wie für die Weiße Ware. Touch-Sensoren bieten entscheidende Kostenvorteile gegenüber klassischen mechanischen Schaltern. Und Sie müssen über den europäischen Tellerrand hinaussehen. In Asien sind die Wohnverhältnisse deutlich beengter als in Europa. Haushaltsgeräte, von der Waschmaschine bis zum Wasserkocher, stehen da oft den ganzen Tag im Sichtbereich der Bewohner. Das sollte dann bitte schick aussehen! Eine flache Designfront, eine gelackte Oberfläche, das wirkt sehr edel! Der zentrale, große Drehregler an einer Waschmaschine, ist eine sehr deutsche Eigenheit. Wie durch die E-Mobility im Automobilbereich erleben wir derzeit eine Phase, in der neue Technologien nun einfach zum Einsatz kommen. Es gibt eine Angleichung von Trends in den verschiedenen Anwendungsbereichen und er lautet: Jetzt ist es an der Zeit die mechanischen Schalter rauszuschmeißen!

Wagner: Auch wenn ich persönlich als Anwender aus liebgewonnener Gewohnheit der Ansicht bin, dass Schalter und Drehknöpfe durchaus ihre Berechtigung haben – so fahre ich etwa ein Auto ohne Touch-Lösungen – muss ich meinem Kollegen insofern zustimmen, dass die Industrie jetzt auf diesen Wandel setzt und ihn auch durchzieht. Letztlich wird sich dieselbe Entwicklung wie im Handybereich vollziehen. Da können sich heute auch nur noch die Älteren daran erinnern, dass es mal Mobiltelefone gab, die mit Tasten oder Eingabestiften bedient wurden. Letztlich hat sich die Steuerung über resistive Touch-Screens durchgesetzt.

Auf der diesjährigen LOPEC in München, wurde in verschiedenen Vorträgen deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit auch in der gedruckten Elektronik an Bedeutung gewinnt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Wagner: Wenn es um die Fertigung geht, dann ist das Thema Nachhaltigkeit bei Kurz schon seit Jahren gesetzt. Zur Reduzierung von Emissionswerten setzen wir massiv auf den Einsatz der Photovoltaik und regenerative Wärme- und Energieanlagen. Zudem setzt Kurz als Experte im Bereich der Dünnschichttechnologie immer mehr biobasierte Rohstoffe ein. Kurz gesagt, wir arbeiten an nachhaltigen Lösungen und verbessern unsere Dekorationsprozesse und Materialien kontinuierlich. Auch im Bereich gedruckter Elektronik arbeiten wir an Lösungen, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Da die Sensoren hauchdünn sind, bleibt die Recyclingfähigkeit des Bauteils erhalten. Das heißt, dass das Bauteil durchaus als Rohstoff wiederverwertet werden kann.

Täuscht der Eindruck oder konnten sich in Deutschland letztlich die Start-ups im Bereich gedruckter und organischer Elektronik am Markt behaupten, die eine starke Mutter im Rücken hatten?

Wagner: Es ist sicherlich hilfreich so jemanden im Rücken zu haben, das vermittelt Stabilität, auch in Zeiten, als es noch darum ging, die Marktfähigkeit unserer Produkte unter Beweis zu stellen. Aber man muss eben auch feststellen, dass es nur die allerwenigsten Start-ups wirklich schaffen, sich am Markt durchzusetzen. Wir erinnern uns immer nur an die Erfolgsgeschichten, nicht an die, die es nicht geschafft haben.

Dr. Clemens: Die, die sich etabliert haben, haben das im Allgemeinen in einer Nische getan. Das gilt auch für uns. Letztlich entwickeln wir dekorative Bedienoberflächen, die wir basierend auf unsere Technologie mit verschiedensten Funktionen ausstatten können. Aber es ist ein Nischen-Business, das nicht auf hunderte von Millionen oder Milliarden Stück pro Jahr basiert.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu PolyIC GmbH & Co. KG

Weitere Artikel zu Sonstige Sensoren

Weitere Artikel zu MEMS- und Halbleitersensoren