Integrierte Medizinelektronik – Teil 2

Der MAX86178 unter der Lupe

17. April 2023, 6:00 Uhr | Von Klaus Dembowski
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

EKG-Aufzeichnung

Die Plots-Seite (Bild 8) lässt sich für die Aufzeichnung mehrerer Kanäle, etwa für ein PPG- und ein EKG-Signal, konfigurieren. Für die EKG-Aufnahme sind die drei Elektrodenkabel mit dem Evaluation Board zu verbinden und passende Elektroden, die sich nicht im Lieferumfang befinden und über deren Qualität sich keinerlei Aussagen in der Maxim-Dokumentation finden lassen, auf die Druckknöpfe zu stecken. Genauso wenig gibt es Angaben, welches Kabel an welche Buchse gehört und wie die Elektroden am Körper zu positionieren sind.

Grundsätzlich wird das EKG-Signal bei den hier verwendeten einkanaligen Systemen differenziell zwischen zwei Elektroden gemessen, die beim Maxim-System mit ECGP und mit ECGN (EKG plus und EKG minus) bezeichnet werden, wofür das rote und das schwarze Kabel mit den entsprechend bezeichneten Buchsen auf der Hauptplatine zu verbinden sind.

Das weiße Kabel wird als RLD bezeichnet, was für Right Leg Drive steht, und kennzeichnet, dass diese Elektrode am rechten Bein aufzukleben ist. Deren Signal fungiert als Referenz zur Detektierung des zu unterdrückenden Gleichtaktpegels (DC-Offset) sowie für die Erkennung und die folgende Unterdrückung von Interferenzen, Rauschen und anderen Störsignalen. Ob diese Elektrode tatsächlich am rechten Bein positioniert wird oder am linken Bein, spielt bei dieser Messung im Grunde genommen aber keine Rolle.

Die EKG-Aufzeichnung mit dem MAX86178 Evaluation Board liefert gute und reproduzierbare Messwerte
Bild 9. Die EKG-Aufzeichnung mit dem MAX86178 Evaluation Board liefert gute und reproduzierbare Messwerte
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Unabhängig von den verschiedenen Standardableitungen und vereinfachend gilt ganz allgemein, dass die drei Elektroden ein Dreieck bilden müssen – rechte Schulter/linke Schulter/Bein oder auch linker Arm/rechter Arm/Bein. Die beiden ECG-Messkabel am Evaluation Board müssen dabei möglicherweise vertauscht werden, falls das EKG-Signal auf dem Kopf steht, also die dominante R-Zacke nach unten statt nach oben weist (Bild 9). Ein signifikanter Unterschied zwischen Schulter- oder Armposition der Elektroden zeigte sich in den Kurven nicht.

Als Elektroden wurde für die Messung der Typ 165-F-55 von der Firma Megro eingesetzt. Sie lassen sich einfach auf die Haut kleben, liefern gute Ergebnisse und sind auch noch recht preisgünstig.

Wichtige Einstellungsoptionen bietet die ECG-Channel-Seite
Bild 10. Wichtige Einstellungsoptionen bietet die ECG-Channel-Seite.
© Dembowski

Wichtig für die Messung ist, dass auf der GUI-Seite ECG RLD die Option RLD Enable eingeschaltet wird, denn andernfalls ist das aufgenommene Signal derartig verrauscht und gestört, dass es unbrauchbar ist. Außerdem ist auf der Seite ECG Channel (Bild 10) die Option ECG Enable einzuschalten, sonst werden die EKG-Signale nicht auf die Verstärker durchgeschaltet. Standardmäßig – nach einem Reset – sind diese beiden Punkte deaktiviert. Auf der ECG-Channel-Seite lässt sich im Übrigen sehr schön erkennen, welche Einflüsse die Software-ECG-Filter auf die Messungen haben, wenn sie aus und wieder eingeschaltet werden.

BioZ-Messung

Mit dem MAX86178 EVS ist eine bioelektrische Impedanz Analyse (BIA) durchführbar, die prinzipiell Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des menschlichen Körpers gestattet. Bekannt ist das Prinzip beispielsweise von den Körperanalysewaagen oder auch Geräten im Fitnessstudio.

Für die BIA [8] wird ein kleiner Wechselstrom über zwei Elektroden (DRVN, DRVP) in den Körper eingekoppelt und über zwei weitere Elektroden (BIN, BIP) wird die Spannung gemessen. Der Hautwiderstand spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Vielmehr soll er bei der bioelektrischen Impedanzanalyse möglichst ausgeschlossen werden, weshalb mit den vier Elektroden eine typische Vierleitermessung durchgeführt wird, die auch den Einfluss der Messkabel minimieren soll.

Bei der BIA handelt es sich um eine frequenzabhängige Impedanzmessung nach Betrag (Z) und dem Phasenwinkel zwischen dem eingespeisten Strom und der gemessenen Spannung. Der Phasenwinkel wird im Wesentlichen beeinflusst vom persönlichen Gesundheitszustand, von der Ernährung und der Anzahl der Muskelzellen, was daher oftmals als Vitalitätsindikator ausgewiesen wird. Allgemein gilt: Je höher der Phasenwinkel, desto besser (gesünder) ist die gemessene Person. Bei Frauen liegen typische Werte im Bereich zwischen 5 ° und 6 °, bei Männern im Bereich zwischen 6 ° und 7 °.

Der Realteil von Z (Rz: Resistanz, ohmscher Widerstand) ist abhängig vom Körperwasser der Zellen und der Imaginärteil von Z (Xc: Reaktanz, kapazitiver Widerstand) ist von den elektrisch geladenen Zellmembranen abhängig und wird durch die Organ- und Muskelmasse bestimmt. Die Impedanz setzt sich demnach aus dem Körperwasserwiderstand und dem Körperzellwiderstand zusammen, die über den Phasenwinkel miteinander verknüpft sind. Die Impedanzwerte bewegen sich jeweils im zwei- bis dreistelligen Ω-Bereich, z. B. Z = 500 Ω, R = 490 Ω, Xc = 50 Ω.

Für die Berechnung wird der menschliche Körper in fünf Zylinder – Arme, Torso, Beine – aufgeteilt, die elektrisch in Serie geschaltet sind, was entsprechend erfasst werden kann. Für Körpergröße, Gewicht, Alter und Geschlecht gelten typische Werte, die die Grundlage für die Berechnung bilden, sodass sich dann mithilfe der Impedanzmessung eine Vielzahl von Parametern berechnen lassen:

  • Total Body Water (Gesamtkörperwasser),
  • Body Fat (Körperfett),
  • Lean Body Cell Mass (Magermasse),
  • Basal Metabolic Rate (Stoffwechsel Grundumsatz),
  • Body Cell Mass (Körperzellmasse) und
  • Extra Celular Mass (Extrazelluläre Masse).

Insbesondere für die beiden letzten Parameter (BCM, ECM) ist es wichtig, dass eine phasensensitive Erfassung der Impedanz bei verschiedenen Frequenzen (Multifrequenzanalyse) erfolgt – der in den Körper eingekoppelte Wechselstrom also in der Frequenz für mehrere Messungen variiert wird. Der typische Bereich liegt zwischen 1 kHz und 100 kHz, wobei 5 kHz, 50 kHz und 100 kHz als charakteristische Frequenzen gelten und der Messstrom dabei 800 µA beträgt.

Die Position der Elektroden ist für die Messung relevant, insbesondere, wenn regelmäßige und vergleichende Messungen (Reproduzierbarkeit) durchgeführt werden. Als gewisser Standard gilt, wenn die Elektroden auf der rechten Körperhälfte am Arm und am Bein aufgeklebt werden. Die beiden einspeisenden Elektroden werden »außen« – hinter den Handknöcheln, vor den Zehen – und die Messelektroden »innen« – am Handgelenk, Fußgelenk – angebracht. Während der Messung sollte der Proband liegen.

Die BioZ-Drive-Seite bietet die wichtigen Einstellungen
Bild 11. Die BioZ-Drive-Seite bietet die wichtigen Einstellungen.
© Dembowski

Im BioZ-Abschnitt der GUI (Bild 7) befinden sich vier Konfigurationsseiten: Drive, Receive, Mux und Calibration. Auf der Drive-Seite (Bild 11) wird die BioZ-Messung unter BioZ Enable aktiviert, wobei sich die Option I-Channel oder Q-Channel statt Disabled selektieren lässt. Dazu ist allein die Angabe zu finden, dass I-Channel die BioZ-Messung der In-Phase-Komponente und Q-Channel die BioZ-Messung der Quadratur-Phase-Komponente ermöglicht. Weder aus den Dokumentationen noch aus dem Blockschaltbild, bei dem der BioZ-Schaltungsteil des MAX86178 den größten Anteil hat, lässt sich ersehen, warum hier diese Auswahlmöglichkeit besteht.

Grundsätzlich erlaubt es das sogenannte I&Q-Verfahren bei der Demodulation eines hochfrequenten Signals, daraus eine Phaseninformation zu gewinnen. Hierfür wird das Eingangssignal in zwei Verarbeitungswege aufgeteilt und einmal direkt (In-Phase) und einmal um 90 ° phasenverschoben (Quadratur-Phase) gemessen, wo- raus sich dann der Phasenwinkel φ (φ = arctan Q/I) berechnen lässt. Angenommen, dass im MAX86178 das I&Q-Verfahren angewendet wird, dann sind sowohl der I- als auch der Q-Anteil relevant und eine Auswahlmöglichkeit zwischen beiden Komponenten ist dann eigentlich unlogisch.

Die jeweilige Auswahl hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Messkurve unter Plots, und es sieht so aus, dass hier entweder der I- oder der Q-Anteil dargestellt wird, was von der Einstellung (BioZ Enable) unter BioZ Drive abhängt, die sogar noch einmal auf der BioZ-Calibration-Seite auftaucht, was unnötig erscheint. Auf dieser Seite findet sich die Funktion One-Shot Measure, durch die sich eine unkalibrierte Einzelmessung mit I- und Q-Data als Ergebnis ausführen lässt. Hilfreich ist dabei die Möglichkeit, verschiedene Testwiderstände selektieren zu können, um die Funktion auch ohne angeschlossene Elektroden auszuprobieren.

Zwei weitere Optionen sind auf der BioZ-Drive-Seite ausschlaggebend: Die DAC-Frequenzeinstellung für den auszugebenden Wechselstrom (Currend DAC Frequency Selection) sowie die Stromstärke (Drive Current). Diese Einstellungen wirken im Übrigen auch dann, wenn ein Testwiderstand (BioZ Calibration) für die Messung selektiert worden ist, sodass dann statt eines modulierten Elektrodensignals eine Gerade unter Plots dargestellt wird.

 Ohne die richtige Elektrodenzuordnung sind keine BioZ-Messungen möglich
Bild 12. Ohne die richtige Elektrodenzuordnung sind keine BioZ-Messungen möglich.
© Dembowski

Die BioZ-Receive-Seite ist zunächst nicht relevant, denn an dieser Stelle lassen sich im Wesentlichen Verstärkungs- und Filterparameter einstellen, deren Festlegungen auf den Default-Werten belassen werden können.

Die BioZ-Mux-Seite (Bild 12) verlangt auf jeden Fall eine wichtige Festlegung, und zwar die Angabe der Elektrodenzuordnung (DRVP, DRVN, BIN, BIP). Wenn diese nicht stimmt, was interessanterweise der Default-Einstellung entspricht, sind keine Messungen durchführbar.

Der Plot für den I-Anteil der Impedanz
Bild 13: Der Plot für den I-Anteil der Impedanz.
© Dembowski

Bei entsprechender Einstellung ergeben sich mit korrekt angeschlossenen und konfigurierten Elektroden – es wurde der gleiche Elektrodentyp wie bei der EKG-Messung verwendet – unter Plots (Bild 13) zwar reproduzierbare Messkurven im dreistelligen Ω-Bereich für I und Q, die sich allerdings nicht mit den typischen BIA-Werten in Einklang bringen lassen, weshalb sich daraus weder ein vernünftiger Phasenwinkel noch sinnvolle Körperdaten berechnen lassen. Außerdem sind die als Standard geltenden Parametereinstellungen (Frequenzen, Strom) nicht einstellbar, was Zweifel an der Aussagekraft dieser BioZ-Messung aufkommen lässt.

 

Der Autor

 

Klaus Dembowski von TU Hamburg
Klaus Dembowski von TU Hamburg
© TH Hamburg

Klaus Dembowski

ist Entwicklungsingenieur für Low Power- und Energy Harvesting-Systeme. Er wurde 2011 und 2017 von der Redaktion der Elektronik für seine Fachaufsätze »Sensornetze mit energiesparender Funktechnik« und »Funkelektroden zur Messung bioelektrischer Signale: EKG ohne Kabel« als »Autor des Jahres« ausgezeichnet. Sein Fachaufsatz »Raspberry Pi: Unterschätzte One Wire-Schnitt- stelle« war 2021 der meistgelesene Fachaufsatz auf elektroniknet.de.

dembowski@tuhh.de


  1. Der MAX86178 unter der Lupe
  2. EKG-Aufzeichnung
  3. Literatur

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