In Medizingeräten bildet die Stromversorgung das »Rückgrat«. Man stelle sich nur eine Herz-Lungen-Maschine vor, deren Netzteil während der Operation den Geist aufgibt. Zwar haben viele Hersteller Standardstromversorgungen für den Medizinmarkt, dennoch gibt es gute Gründe, hier auf eine kundenspezifische Lösung zu setzen. Wir fragten Herrmann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter von inpotron Schaltnetzteile, warum kundenspezifisch oftmals besser ist.
MEDIZIN+elektronik: Herr Püthe, Stromversorgungen und Hersteller gibt es doch eigentlich sehr viele auf dem Markt. Kann ich für mein Medizingerät nicht irgendeine Standardstromversorgung verwenden?
Herrmann Püthe: Gerade medizinische Stromversorgungen sollten sehr zuverlässig sein und eine hohe Qualität aufweisen. Da auf Kundenseite die Zulassungskosten hoch sind und vom Endkunden keine Ausfälle akzeptiert werden, sollte der Systemhersteller hier genau hinschauen, was er für sein Geld bekommt. Oft kommt der Systemhersteller gar nicht auf die Idee, dass er sich mit einer Standardstromversorgung in Wirklichkeit unnötig quält. Damit meine ich, dass er zwar ein Standardnetzteil verwendet, dann aber als Workaround Zusatzkabel, Zusatzfilter und weitere Montageelemente für die Integration verwenden und auch bezahlen muss.
Wir bei inpotron passen den Formfaktor genau auf die beste Lösung an und haben auch keinen Universal-Schnickschnack in unseren Stromversorgungen, der gegebenenfalls gar nicht für den Kunden produktrelevant ist. Zudem fordern Kunden oftmals »exotische« Ausgangsspannungen oder Lastprofile, die über Standardlösungen nur schwer darstellbar sind. Netzteile mit mehreren Ausgangsspannungen für komplexe medizinische Systeme werden nahezu immer mit kundenspezifischen Lösungen realisiert (Bild 1).
Worin unterscheiden sich Stromversorgungen für Medizingeräte von Netzteilen beispielsweise für industrielle Anwendungen oder die Unterhaltungselektronik?
Die Zulassungskriterien sind wesentlich umfangreicher, alleine die IEC 60601-1 3rd Edition umfasst samt Inhaltsverzeichnis 786 Seiten - das ist gewaltig! Dort werden in einer Matrix insgesamt 18 Anwendungsfälle bezüglich Ableitströme in Richtung Patient oder Operator unterschieden. Hier muss detaillierter über die Applikation des Kunden und die Fehlerfälle beraten werden. Die galvanische Trennung der Stromversorgung ist komplexer, und dies erfordert in Summe deutlich mehr Know-how, um die Störabstrahlung zum Beispiel nach EN 55022 Klasse B in den Griff zu bekommen. Zudem sind die sicherheitsrelevanten Anforderungen medizinischer Applikationen sehr hoch.
Bevor ich als OEM zu Ihnen als Spezialist für Stromversorgungen gehe, worüber sollte ich mir im Klaren sein? Welche Hausaufgaben sollte ich gemacht haben?
Es ist sehr wichtig, den genauen Anwendungsfall des Gerätes und den Einsatz zu kennen. Daraus resultierend muss eine Spezifikation erarbeitet werden, welche die genaue Last - also sowohl die Nominal- als auch die Spitzenlast - sowie alle Randbedingungen und Einbausituationen beschreibt. Wir haben hierfür auf Anfrage eine detailliert ausgearbeitete Spezifikation, damit der Kunde eine leichtere Selektion der relevanten Normen findet.
Gegenüber einer Standardstromversorgung sollte der Kunde ein Budget für Einmalkosten und externe Zulassungen wie UL oder CSA haben. Da sich fast immer Vereinfachungen, Montagevorteile oder sogar kostenneutral Zusatzfunktionen implementieren lassen, schätzen unsere Kunden die Eliminierung von nicht benötigten Komponenten und Schnittstellenaufbauten sehr.
Welche Aspekte einer medizinischen Stromversorgung sind besonders beratungsintensiv, und warum?
Oft ist der Kunde selbst nicht so tief in die vielen Fachnormen eingestiegen. Somit ist der Anwendungsfall für die medizinische Healthcare-Applikation nicht ganz klar, oder der Kunde ist sich unsicher. Ein Griff in die Schublade bei einem Standardhersteller sagt noch lange nichts darüber aus, ob die Kriterien alle erfüllt werden.
Auch die benötigte elektrische Gesamtleistung wird oft zu spät ermittelt; somit fehlt die Zeit, proaktiv als Lieferant und Hersteller mitzuwirken. In einigen Fällen übersehen die Kunden das drastische Derating bei Temperaturen im System von über 40 °C.
Bei inpotron haben die Stromversorgungen fast immer kein Derating - und das bis +70 °C. Das Know-how wird immer schmaler, dafür tiefer in der Applikation.
Außerdem haben die Anwender kaum noch Zeit, sich in die speziellen Anforderungen einer medizinischen Stromversorgung einzudenken, daher ist eine Applikationsunterstützung mit umfangreicher Beratung für ein ganzheitliches Powerkonzept sehr gefragt (Bild 2).
Zwar haben Sie sich auf kundenspezifische Lösungen spezialisiert, aber Sie werden eine Stromversorgung sicher nicht von Grund auf neu entwickeln. Wie sieht Ihr Konzept aus?
Wir haben exzellente Topologien mit hohen Wirkungsgraden bis 94% oder auch sehr wirtschaftliche Lösungen mit einfachen Sperrwandlern. Aufgrund der hohen Erfahrung von über 500 Entwicklungen wissen wir, dass unsere Stromversorgungen äußerst zuverlässig arbeiten. Trotzdem passen wir die Lösungen immer komplett an die Kundenwünsche an. Außer der Mechanik gibt es viele Vorschläge von unserer Seite, dem Kunden das Leben einfacher zu machen.
Natürlich arbeiten wir - wie auch unsere Marktbegleiter - mit Konzepten, die größtenteils mittels eines Baukastenprinzips an die Kundenwünsche adaptiert werden. Es sind immer individuelle Entwicklungen, keine oder nur teilweise neue Erfindungen. Die verwendeten Schaltkreise sind bewährt, markterprobt und zukunftssicher - »konservativ modern« würde ich es beschreiben, genau für den medizinischen Markt passend.
Dazu ein Beispiel: Mit geringstem externem Kabel-Wirrwarr, geringem Montageaufwand mit Zugang von genau der richtigen Seite bekommt der Kunde eine effiziente, bezahlbare Plug&Play-Lösung - und das Made in Germany. Hierfür garantieren wir mindestens zehn Jahre Lieferbarkeit bei sehr geringen, belegbaren Ausfallquoten. Mit solchen Aussagen tun sich die Standardhersteller mitunter doch nicht so leicht.
Das Interview führte Ralf Higgelke.
»Durch den kundenspezifischen Ansatz können wir fast immer Vereinfachungen, Montagevorteile oder sogar kostenneutral Zusatzfunktionen implementieren. Auch schätzen unsere Kunden die Eliminierung von nicht benötigten Komponenten und Schnittstellenaufbauten sehr.«
Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter von inpotron Schaltznetzteile