Forschungsbeirat Industrie 4.0

Wie KI die Arbeit in der Industrie verändert

30. Juli 2024, 12:55 Uhr | Corinne Schindlbeck
Prof. Dr. Bullinger-Hoffmann ist Mitglied im von acatech koordinierten Forschungsbeirat Industrie 4.0 und leitet seit 2012 die Professur für Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement an der Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz.
© Ph. Hiersemann

Angelika Bullinger-Hoffmann, Mitglied des Forschungsbeirats Industrie 4.0 und Professorin für Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement an der TU Chemnitz, sieht in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) ein enormes wirtschaftliches Potenzial für die industrielle Arbeit.

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Sie spricht hinsichtlich der Auswirkungen von KI auf industrielle Arbeitsprozesse von vier Entwicklungsszenarien: der Substitution menschlicher Arbeit, der Polarisierung sowie der Anreicherung von menschlichen Tätigkeiten und schließlich die Innovation. KI könne die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch die Aufwertung industrieller Arbeitsplätze erhalten. 

Bei der ersten Phase, der Substitution, könne KI menschliche Arbeit ersetzen, wie etwa beim Verfassen standardisierter Texte. Dieser Anteil sei in der Industrie jedoch gering. Polarisierung trete auf, wenn hochqualifizierte Mitarbeitende ein Sprachmodell trainieren, das weniger qualifizierte Mitarbeiter im Kundenservice unterstützt.

Am bedeutendsten sei jedoch die Anreicherung menschlicher Tätigkeit, womit etwa in der industriellen Fertigung zu rechnen sei. Hier könne eine KI einer Arbeitsplanerin/einem Arbeitsplaner verschiedene, in Echtzeit bewertete Handlungsoptionen präsentieren, die diese dann abwägt. Zudem entstünden neue Jobprofile, wie Fachleute für Data-Analytics-Plattformen oder KI-Robotiker, die die Schnittstelle zwischen Mensch, Roboter und KI gestalten.

Um die Integration von KI zu erleichtern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, betont Bullinger-Hoffmann die Bedeutung der wahrgenommenen Handlungsfreiheit und des frühen Einbezugs der späteren Nutzer.

„Fühlen sich die Menschen von der KI bevormundet, wird diese nicht als unterstützendes, sondern als einschränkendes Element wahrgenommen“, erklärt sie.

Führungskräfte sollten die KI-Entwicklung und den -Einsatz von Anfang an mit den Nutzenden diskutieren und gemeinschaftlich Lösungen finden - das sei ihre Aufgabe und erfordere Engagement. Denn gerade wenn es um Weiterbildung gehe, komme es in kleinen und mittleren Unternehmen schnell zu Engpässen. Hochschulen müssten daher Angebote zum humanzentrierten KI-Einsatz entwickeln, die auch einfache Befähigungskonzepte für KMU enthalten.

Angesichts des Klimawandels und der Ressourcenknappheit sieht Bullinger-Hoffmann in Industrie 4.0-Technologien, einschließlich KI, eine Möglichkeit zur ökologisch nachhaltigen Wertschöpfung. Echtzeitüberwachung und -steuerung von Produktionsanlagen könnten Energieverluste minimieren und den Materialverbrauch reduzieren. KI beschleunige diesen Prozess durch kontinuierliche Optimierung auf Basis maschinellen Lernens, was auch die Gestaltung von Lieferprozessen mit weniger Emissionen und die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft unterstützt.

Der Forschungsbeirat Industrie 4.0, koordiniert von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, bündelt das Expertenwissen von Vertretern aus Wissenschaft und Industrie und formuliert neue Forschungs- und Handlungsimpulse. Der Fokus liegt dabei auf Nachhaltigkeit, Resilienz, Interoperabilität, technologischer und strategischer Souveränität sowie der zentralen Rolle des Menschen.


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