Seit gut einem Jahr ist Dr. Christina Hirschl Geschäftsführerin der Silicon Austria Labs (SAL). Im Gespräch stellt sie sich und die Erfolgsgeschichte des Unternehmens vor: eine außeruniversitäre Forschungsorganisation, die 2018 mit einer klaren Vision gegründet wurde.
»Unser Fokus liegt dabei einerseits darauf, genau das zu tun bzw. zu erforschen, was die österreichische Industrie gerade braucht«, erklärt Hirschl. Andererseits strebe man an, sich in ein europäisches Format einzufügen, langfristig also zu den führenden Forschungszentren Europas zu gehören. Die Themenfelder sind dabei breit gefächert: Ob Automotive, Papierfertigung, Chipdesign, Gesundheit oder Landwirtschaft – SAL arbeitet branchenoffen. Entscheidend sei allein, dass man die jeweilige Technologie beherrsche und diese für das österreichische Ökosystem relevant sei.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein im Jahr 2023 habe SAL rund 200 Projekte mit einem Projektvolumen von circa 50 Millionen Euro betreut. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück zur Carinthia Tech Research AG, einem Forschungszentrum mit 45 Angestellten in Kärnten, das über 20 Jahre tätig war. Seit der Gründung sei SAL auf 330 Mitarbeitende aus 40 Nationen angewachsen.
Vielfalt ist dabei ein gelebter Wert: »Je diverser unsere Projektteams sind, umso besser arbeiten wir und umso bessere Resultate können wir erzielen.« Diese Diversität bezieht sich nicht nur auf Geschlecht, Herkunft und Kultur, sondern auch auf die wissenschaftlichen Disziplinen. Die Teams setzen sich je nach Projekt aus Fachleuten der Mathematik, Computerwissenschaften, Elektronik, Chemie oder Physik zusammen. Geforscht werde an drei Standorten: Das Headquarter befindet sich in Graz, daneben gibt es Niederlassungen in Linz und Villach.
Gerade am Standort Kärnten sieht sich SAL in einer Brückenfunktion – zwischen der Grundlagenforschung an Universitäten und der angewandten Forschung sowie zwischen SAL und der Industrie. Hirschl erläutert, dass die Industrie meist dann in den Forschungsprozess einsteige, wenn aus einer ersten Idee ein konkretes Produkt absehbar werde. Der sogenannte »Technology Readiness Level« diene hier als Orientierungsmaßstab. »Uns geht es vor allen Dingen darum, die Schwierigkeiten, auf die die Industrie in dieser Kette üblicherweise stößt, zu überbrücken und weitestgehend aufzuheben«, so Hirschl. SAL identifiziere zukunftsrelevante Themen aus Universitäten, Fachkonferenzen und der „Blue Sky“-Forschung.
Besonders betont sie in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Kooperationen: In der Produktentwicklung sei es essenziell, mit den richtigen Partnern zusammenzuarbeiten – Materialherstellern, Equipment-Partnern, Endkunden. Eine frühe Einbindung aller Akteure könne Produkte günstiger, ökonomischer oder ökologischer machen. Gerade letzteres – die ökologische Dimension – gewinne zunehmend an Bedeutung. Wenn zudem die Entwicklungskosten geteilt würden, könnten auch Fragen des geistigen Eigentums von Anfang an geklärt werden. »Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten«, resümiert Hirschl.
Was Kärnten für die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und die Mikroelektronik besonders attraktiv mache, sei das gute Netzwerk. »Wenn man als Region einmal eine bestimmte Stärke für sich identifiziert und sie herausgearbeitet hat, siedeln sich weitere, gleichgesinnte Unternehmen fast schon automatisch an«, so ihre Einschätzung. Die Verbindung zwischen Kärnten und der Steiermark sei in den letzten Jahren im Bereich IKT und Mikroelektronik ausgesprochen stark geworden – mit Unternehmen wie Infineon, AMS, AT&S, NXP und TDK als treibende Kräfte. Gleichzeitig profitiere die Region auch von ihrer hohen Lebensqualität, Sicherheit und Bildung: »In Kärnten herrschen sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht quasi ideale Bedingungen.«
In Anlehnung an diese Entwicklung bezeichnet Hirschl Südösterreich ohne Zögern als das »Silicon Valley von Österreich«. Die Region habe sich hervorragend positioniert. Ein Beispiel: Der SAL-Reinraum mit 1.400 Quadratmetern zähle zu den fünf bis sechs größten in Europa. Der Silicon Alps Cluster, der als Netzwerk zwischen Kärnten und Steiermark agiere, sei dabei ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor.
Im europäischen Vergleich sieht Hirschl Kärnten sehr gut aufgestellt. Sie verweist auf das neue Förderprogramm „Chips JU“, durch das beträchtliche Mittel in die Mikroelektronik-Forschung nach Österreich und damit auch nach Kärnten fließen.
SAL sei neben Infineon und AVL unter den Top 3 der österreichischen Antragsteller gewesen. »Das war für mich gewissermaßen das Tüpfelchen auf dem i.« Zudem sei bemerkenswert, dass mittlerweile auch große europäische Player wie CEA-Leti, IMEC und Fraunhofer-Institute bei SAL anfragten. Das zeige, dass SAL mit seinen Stärkefeldern nun auch auf europäischer Ebene gefragt sei. »Ich begreife das als riesige Chance für Europa, aber auch für Kärnten im Besonderen«, so Hirschl.
Innerhalb dieses Netzwerks spielt neben den internationalen Tech-Giganten wie Infineon, TDK, AVL, AT&S, Qualcomm und STMicroelectronics auch die lokale Industrie eine zentrale Rolle. SAL arbeite bewusst mit regionalen Partnern wie Ortner Reinraumtechnik, Kelag oder Hasslacher Norica Timber zusammen. »Eine gute Balance aus Regionalität und Internationalität halte ich für wesentlich, um ein gesundes, florierendes Netzwerk zu etablieren.«
Bei rund 200 laufenden Projekten könne sie nur einige exemplarisch hervorheben. Besonders erinnert sie sich an die langjährige Zusammenarbeit mit Philips-Haushaltsgeräten oder an die Beteiligung am Matrix-Licht der Audi-Scheinwerfer. Der Kärntner Innovationspreis sei an das Projekt „SOLES“ gegangen – eine intelligente Schuheinlage, entwickelt von einer jungen Forschergruppe unter Leitung eines SAL-Mitarbeiters, mit Potenzial für Orthopädie und Sportmedizin. Weitere Projekte betreffen die Mikroelektronik, etwa im Bereich Virtual Reality, adaptive Fahrzeugbeleuchtung oder projizierte Warnhinweise. Aktuell sei auch die E-Mobilität ein wichtiges Thema – beispielsweise bei der Steigerung der Leistungsdichte von On-Board-Chargern oder der Optimierung von Wechselrichtertechnologien. Auch hier sei der ökologische Aspekt entscheidend: »Eine der zentralen Fragen unserer Welt muss heutzutage lauten: ‚Wie machen wir es künftig ökologischer?‘« Manchmal sei es nicht die wissenschaftlich beste Lösung, die zähle, sondern ein ausgewogener Konnex aus Ökonomie und Ökologie. Daraus ergibt sich für Hirschl eine Faustregel: »Um die besten Lösungen für unsere Industriepartner zu finden, sind drei Dimensionen nötig: Wissenschaft, Ökonomie und Ökologie.«
Die anwendungsorientierte Forschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sei dabei zentraler Bestandteil des SAL-Selbstverständnisses. Man forsche von der Mikroelektronik-Komponente bis zum Gesamtsystem – und Kooperation sei unerlässlich, um mit der wachsenden Komplexität Schritt zu halten. »Gemeinsam entlang der Wertschöpfungskette zu arbeiten, ist der einzig richtige Weg«, betont sie.
Dabei verstehe sich SAL nicht nur als internationaler Akteur, sondern auch als Partner kleiner und mittlerer Unternehmen in der Region. »Für uns ist nicht das Volumen ausschlaggebend, sondern der Impact eines Projekts«, erklärt Hirschl. Es bereite ihr nach wie vor Freude, Projektergebnisse im Alltag wiederzufinden – und dabei auch die eigene Region zum Blühen zu bringen.
Ein besonderes Highlight am Standort Villach ist der neue Forschungsreinraum, der größte seiner Art in Österreich. »Was wir in Villach geschaffen haben, ist wirklich eine Sensation«, sagt Hirschl. Der Reinraum ermögliche nicht nur klassische Forschung, sondern auch die Herstellung von Kleinserien – etwa für Industriepartner, die neue Materialien zunächst nicht in ihren eigenen Reinraum integrieren wollen. Gerade für den Mittelstand, Start-ups und KMUs biete SAL maßgeschneiderte Prozesse an. Die Idee sei, dass auch kleinere Firmen ihre Innovationen zur Serienreife bringen könnten. »Wir wollen eine Art ‚One-Stop-Shop‘ sein«, so Hirschl. Bei Bedarf werde mit anderen wissenschaftlichen Institutionen kooperiert – etwa mit dem Material Center Leoben, dem Polymer Competence Center oder mit Universitäten wie der TU Graz und der Universität Klagenfurt.
Derzeit interessiert sich Hirschl besonders für die Quantensensorik, die sich gerade auf dem Weg zur Industrialisierung befinde. Erste Projekte habe es bereits gegeben, etwa zur Vitamin-C-Erkennung im Entsafter von Philips. Zum Abschluss betont sie, wie wichtig es ihr sei, dass Beruf und Leidenschaft im Einklang stehen: »Mein Job ist auch mein Hobby.« Sie wünsche sich, dass mehr Menschen diesen Weg für sich entdecken – mit Herzblut, positiver Lebenseinstellung und Freude an der Arbeit. »Das positive Mindset, viel Lachen und Lebensfreude – das ist es, was ich an Kärnten ganz besonders schätze, als Wohnort und als Arbeitsplatz.«