Druck trotz Krise: Ingenieurmangel reloaded

28. April 2009, 16:06 Uhr | Christine Demmer, Markt&Technik

Trotz Rezession bleiben Ingenieure Mangelware. Die Bewerberflut bleibt aus. Der Druck, wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen, bleibt trotz Entlassungen unvermindert. Für den nächsten Aufschwung sind Unternehmen – vor allem der Mittelstand – schlecht gerüstet, rügt die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften angesichts eines »Nachwuchsgipfels« in München.

Irgendein Gipfel tagt in diesen Wochen immer, ob zu medial aufgeblasenen oder zu wirklich wichtigen Themen. Wie diesem hier, auch wenn es leidlich abgedroschen klingen mag: »Deutschland droht langfristig ein Fachkräftemangel in den s genannten MINT-Berufen (Mathematiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler und Techniker, Anm. d. Red.), der weitreichende Folgen für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen nach sich ziehen könnte.« Mit dieser Meldung lud die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in München (Acatech) am 23. März zu einem Nachwuchsgipfel, auf dem Konzepte für eine mögliche Lösung diskutiert werden sollten.

Letztes Jahr sprachen die Verbände von rund 42.000 unbesetzten Stellen für Ingenieure, jetzt sind es schon 50.000. Als wäre das nicht beängstigend genug, steigt die Zahl der jährlich in den Ruhestand gehenden Ingenieure bis 2015 von heute 37.000 auf dann 43.000. Dem stehen derzeit etwa 44.000 Absolventen der Ingenieurwissenschaften gegenüber. In sechs Jahren aber werden das deutlich weniger sein.

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Wenn die Ersatzbank so dünn besetzt sein wird, wird sich schon in wenigen Jahren kein Ingenieur- Arbeitgeber leisten können, einen einzigen Spieler vom Platz geschweige denn in die Rente zu schicken. Lösungen? Keine schnellen in Sicht, selbst besten Willen vorausgesetzt. Die Weltwirtschaftskrise dominiert andere Tagungsordnungspunkte, HR-Strategien gehören vermeintlich nicht zu den drängendsten.

Doch was ist, wenn die Wirtschaft wieder anzieht? Tapfer wiederholt Acatech die bekannten Forderungen an die Betriebe und die Politik. Die haben aber im Augenblick ganz andere Sorgen: Alle starren auf die Entwicklung der Weltwirtschaft. Bis vor kurzem ruhte die Aufgabe, die absehbare Ingenieurlücke zu schließen, im bildungspolitischen ABC-Portfolio im Feld oben links: »Wichtig, aber noch nicht dringend«. Nun ist sie durch schieres Nichtstun ein Kästchen nach rechts gerutscht: »Wichtig UND dringend«. Wenn Unternehmen und Staat nicht trotz Rezession in den Nachwuchs investieren würden, meint Acatech, würde sich »der Mangel an Fachkräften bei einem konjunkturellen Aufschwung umso dramatischer auswirken.«

Durch den Mangel an Fachkräften gingen der deutschen Wirtschaft schon jetzt jährlich rund 29 Milliarden Euro verloren. Das dürften noch mehr werden. Denn um den Hebel kurzfristig umzulegen und mehr junge Menschen für technische Berufe im Allgemeinen und den Ingenieurberuf im Besonderen zu begeistern, ist es schlicht zu spät. In wenigen Jahren schon geht Deutschland die Jugend aus, und die wenigen, die dem demografischen Trend zum Oldie trotzig Widerstand leisten, wollen nicht Ingenieur werden, sondern Rapper, Superstar oder Top-Manager. Letzteres würden sich die Jugendlichen nicht wünschen, ahnten sie, was auf sie zukäme.

Um Nachwuchs kämpfen

 


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