Umstieg auf alternative Kältemittel

F-Gase-Verordnung: Ab 2027 wird es richtig ernst

6. Februar 2025, 13:09 Uhr | Corinne Schindlbeck
Christoph Brauneis, Medienbeauftragter des VDKF e.V. und Vertreter der Landesinnung Kälte-Klima-Technik Hessen-Thüringen/Baden-Württemberg: » Die Verschärfung der Quoten wird den Druck auf Unternehmen erheblich erhöhen.«
© VDKF e.V.

Die neue F-Gase-Verordnung (also für fluorierte Treibhausgase) fordert die Kälte- und Klimatechnikbranche heraus: strengere Vorschriften, der schrittweise Ausstieg aus Hoch-GWP-Kältemitteln und neue Sicherheitsanforderungen müssen bewältigt werden, wie Christoph Brauneis erklärt.

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Markt&Technik: Herr Brauneis, welche zentralen Änderungen bringt die neue F-Gase-Verordnung für die Kälte- und Klimatechnik-Branche mit sich?
Die Verordnung basiert auf zwei zentralen Säulen: dem "Phase-Down", also der schrittweisen Reduktion der Gesamtmenge an fluorierten Treibhausgasen, die in der EU auf den Markt kommen dürfen, und den Inverkehrbringungsverboten, die den Einsatz bestimmter Kältemittel je nach Anwendung und Treibhauspotenzial (GWP) untersagen. Besonders ab 2027 wird die Reduktion drastischer – die erlaubte Menge an HFKW-Kältemitteln halbiert sich im Vergleich zu 2025. Das wird zwangsläufig zu Engpässen und Preissteigerungen führen.

Wie bewerten Sie die neuen Quotenregelungen und Verbote im Vergleich zur bisherigen F-Gase-Regulierung?
Die Reduzierung der Quoten wird den Druck auf Unternehmen erheblich erhöhen, auf alternative Kältemittel umzusteigen. Viele Hersteller haben sich bereits vorbereitet, doch auf Betreiberseite gibt es noch erhebliche Wissens- und Umsetzungsdefizite. Insbesondere Unternehmen, die bislang wenig mit natürlichen Kältemitteln gearbeitet haben, müssen umdenken. Wer weiter stoisch auf F-Gase setzt, wird ein Problem bekommen.

Sind Unternehmen ausreichend vorbereitet oder gibt es noch große Wissens- und Umsetzungslücken?
Viele Anlagenbetreiber haben das Ausmaß der neuen Verordnung noch nicht erkannt. Besonders problematisch ist, dass bestehende Anlagen nicht einfach auf neue Kältemittel umgerüstet werden können – sie müssen oft komplett ersetzt werden. Viele Betreiber werden wohl erst dann reagieren, wenn ihre bestehende Anlage nicht mehr gewartet werden kann.

Welche Marktsegmente sind besonders betroffen?
Sowohl große Hersteller als auch kleine Handwerksbetriebe stehen vor Herausforderungen. Während sich große Unternehmen wie Logistiker bereits auf die Umstellung vorbereiten, könnten kleinere Betriebe überfordert sein. Ein Beispiel: Ein großes Logistikunternehmen muss aufgrund der neuen Vorschriften rund 250 Millionen Euro in den Austausch seiner Kälteanlagen investieren.

Welche Herausforderungen entstehen für Hersteller durch den Ausstieg aus Hoch-GWP-Kältemitteln?
Die Hersteller haben ihre Produktpaletten bereits stark angepasst. Auch wer bisher keine natürlichen Kältemittel angeboten hat, bietet mittlerweile entsprechende Lösungen an. Schwierig ist die Umstellung jedoch in Spezialanwendungen, in denen brennbare oder toxische Kältemittel wie Propan oder Ammoniak problematisch sind.

Welche alternativen Kältemittel setzen sich aktuell am Markt durch?
Neben natürlichen Kältemitteln wie CO₂, Propan und Ammoniak spielen auch HFO-Kältemittel eine wichtige Rolle. Diese haben sehr niedrige GWP-Werte, stehen aber durch die parallel laufende PFAS-Regulierung ebenfalls unter Druck.

Sind Engpässe bei alternativen Kältemitteln oder Komponenten zu erwarten?
Bisher gibt es keine Berichte über Engpässe. Die Verfügbarkeit von Propan, Ammoniak und CO₂ ist grundsätzlich gesichert, doch die Anforderungen an die Reinheit dieser Stoffe für kältetechnische Anwendungen sind hoch.

Wie weit ist Deutschland mit der Umstellung? Gibt es Verzögerungen?
Die Hersteller haben sich bereits angepasst, doch die Endkunden sind vielfach noch unzureichend informiert. Besonders problematisch ist, dass viele Betreiber erst durch steigende Preise oder Serviceeinschränkungen auf die neuen Vorschriften aufmerksam werden.

Gibt es genügend Fachkräfte und Schulungen für den Umgang mit neuen Kältemitteln?
Hier gibt es ein großes Defizit. Der Umgang mit natürlichen Kältemitteln stellt höhere Anforderungen an Sicherheit, Installation, Planung und Betrieb. Die Nachfrage nach Schulungen an den Fachschulen ist enorm gestiegen, insbesondere zu brennbaren Kältemitteln wie Propan. Gleichzeitig gibt es jedoch Kapazitätsengpässe und die wenigen spezialisierten Schulungszentren reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Welche bürokratischen Hürden erschweren die Umstellung?
Ein großes Problem ist die Verzögerung bei der nationalen Umsetzung der EU-Vorgaben. Die neue Chemikalien-Klimaschutzverordnung ist noch nicht verabschiedet, sodass viele Unternehmen nicht wissen, welche Zertifikate erforderlich sein werden.

Wie stark sind Rechenzentrumsbetreiber betroffen?
Rechenzentren sind besonders herausgefordert. Die klassische Kälteversorgung mit fluorierten Kältemitteln steht durch die PFAS-Regulierung unter Druck. Gleichzeitig gibt es Sicherheitsbedenken beim Einsatz von Propan oder Ammoniak in großen Mengen. Betreiber stehen oft zwischen regulatorischen Vorgaben und praktischen Herausforderungen: So verweigern Brandschutzbehörden manchmal Propan-Anlagen, während Betreiber diese aus Redundanzgründen innerhalb des Werksgeländes halten wollen.

Welche innovativen Lösungen setzen sich durch?
Technologien wie Flüssigkühlung, Free Cooling und wasserbasierte Systeme gewinnen an Bedeutung. Jedoch gibt es in der Praxis oft regulatorische oder bauliche Hürden, die eine schnelle Umsetzung erschweren.

Sind die Übergangsfristen realistisch oder wird es Verzögerungen geben?
Viele Unternehmen stehen unter starkem Zeitdruck. Besonders kleine Betreiber könnten in Schwierigkeiten geraten, wenn bestehende Anlagen nicht mehr gewartet werden dürfen und Ersatzlösungen fehlen.

Wie bewerten Sie die EU-Strategie zur vollständigen Reduktion von F-Gasen bis 2050?
Die vollständige Reduktion bis 2050 ist technisch machbar, aber extrem herausfordernd. Besonders die PFAS-Regulierung könnte dazu führen, dass bereits in wenigen Jahren ein kompletter Umstieg auf natürliche Kältemittel erforderlich wird.

Was raten Sie Unternehmen, um sich frühzeitig vorzubereiten?
Unternehmen sollten sich dringend mit den neuen Vorschriften vertraut machen und ihre Investitionsplanung anpassen. Betreiber sollten sich bewusst sein, dass bestehende Anlagen nicht einfach weiterbetrieben und Ersatzlösungen frühzeitig geprüft werden sollten.

Wo gibt es weiterführende Informationen und Schulungsangebot?
Weitere Details zur Umsetzung der F-Gase-Verordnung, Schulungen und technische Leitlinien sind auf der Webseite der Bundesfachschule Kälte-Klima-Technik abrufbar. Dort finden Betreiber auch eine Übersicht über die neuen Dichheitskontrollen, die seit März 2024 im größeren Umfang als bisher verpflichtend sind.

 

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