Interview mit Robert Cap, Sepa Europe

»Der ungeliebte Lüfter bleibt«

25. November 2025, 8:00 Uhr | Corinne Schindlbeck
Robert Cap, Geschäftsführer Sepa Europe GmbH: »Was Sepa Europe ausmacht? Rückblickend sind es zwei Dinge: Verfügbarkeit und Weiterverarbeitung. Wir halten in Eschbach ein breites Lager an Standardprodukten vor – nicht alles, aber eine große Bandbreite an Baugrößen, Spannungen und Zubehör. Das hat uns in vielen Lieferengpässen handlungsfähig gemacht, während Seefracht aus Asien heute etwa zehn Wochen dauert.«
© SEPA Europe

Sepa Europe feiert in diesem Jahr Jubiläum – Geschäftsführer Robert Cap blickt zurück auf 35 Jahre: den unschätzbaren Wert von Verfügbarkeit in angespannten Lieferketten, Innovation aus Kundenprojekten, smarte künftige Lüfter und den meistunterschätzten Fehler im thermischen Design.

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Markt&Technik: Herr Cap, wenn Sie auf die Anfänge von Sepa Europe zurückschauen – welche technologischen und strategischen Meilensteine würden Sie hervorheben?

Robert Cap: Als mein Vater vor 35 Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, war der AC-Lüfter der Lüfter seiner Zeit. Kleine DC-Lüfter kamen gerade erst auf, allerdings mit zum Teil erheblichen Qualitätsproblemen – je nach Anbieter und Konstruktion. Hersteller, die verlässlich Kleinstlüfter mit Kugellagern und vollständigem Burn-in liefern konnten, waren rar. Genau diese Kombination  -  klein, robust, temperaturfest  -  war unser Fundament.

Über die Jahrzehnte hat sich die Technik stark verändert. Kugellager wurden in vielen Anwendungen durch moderne Hypro-Lager ersetzt, und die früher gefürchteten „Öler“, also durch Ölverlust frühzeitig ausfallende Lüfter, sind dank besserer Konstruktionen weitgehend verschwunden. Aus dem Laptopbereich haben sich zudem flache Radial-Blower etabliert, die bis heute gefragt sind.

Stolz bin ich auf meine Eltern. Dass sie den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben und damit den Grundstein  -  ich nenne es Gründerzündfunken  -  für unser heutiges Unternehmen gelegt haben. Ohne ihren Mut gäbe es Sepa Europe nicht. Und ich bin dankbar, seit 2004 selbst an der Entwicklung mitwirken zu dürfen. Zusammen mit einem stetig gewachsenen Team konnten wir die Firma zu einem europaweit agierenden bekannten Anbieter für Elektronikkühlung entwickeln.

Welche wichtigen Innovationen oder Produktideen würden Sie als die Game Changer in der Firmengeschichte bezeichnen?

Viele Innovationen entstehen bei uns gemeinsam mit Kunden, wenn eine konkrete Fragestellung eine neue Kühllösung erfordert. Das hat zu komplexen 3D-gedruckten Aluminiumstrukturen geführt, die selbst kleinste Kühlkörperoberflächen ausreizen. Auch unser Standardprogramm hat sich weiterentwickelt. Lüfter mit PWM-Ansteuerung -  Pulsweitenmodulation  -  haben das Tachosignal erstmals sinnvoll ergänzt. Die EC-Modelle mit Weitbereichseingang, die wir ADC-Lüfter nennen, waren ein weiterer wichtiger Schritt. Dann gibt es den RaAxial, einen Kleinstlüfter, der je nach Einbau axial oder radial arbeitet und so zwei Prinzipien vereint. Und die LF40P-Serie fasst vieles zusammen: den markanten PressureGap in der Flügelgeometrie, den ECO-Motor, unser MagFix-Lager und den PWM-Eingang  -  eine Bündelung von Optimierungen, die Maßstäbe gesetzt hat.

Gemeinsam ist diesen Entwicklungen, dass sie Rotorgeometrien verbessert, Motorwirkungsgrade erhöht, die Leistungsaufnahme reduziert oder die Luftleistung gesteigert haben  -  immer bei möglichst angenehmem Geräusch.

Was unterscheidet Sepa Europe heute am deutlichsten von anderen Playern am Markt?

Rückblickend sind es zwei Dinge: Verfügbarkeit und Weiterverarbeitung. Wir halten in Eschbach ein breites Lager an Standardprodukten vor  - nicht alles, aber eine große Bandbreite an Baugrößen, Spannungen und Zubehör. Das hat uns in vielen Lieferengpässen handlungsfähig gemacht, während Seefracht aus Asien heute etwa zehn Wochen dauert.

Der zweite Punkt ist unsere Weiterverarbeitung. Wir haben eine hauseigene Kabelkonfektionierung aufgebaut, inklusive Schliffbildlabor. Damit liefern wir Produkte anschlussfertig  -  sei es eine angepasste Litzenlänge oder eine komplette Lüfter-Kühlkörper-Baugruppe für die Medizintechnik, mit Stecker, Markierung und Spezialverpackung. Wir fertigen fünfzig Stück genauso wie mehrere Zehntausend. Je flexibler der Kunde sein muss, desto wertvoller ist diese Fähigkeit.

Wo sehen Sie heute den stärksten Innovationsschub und die stärkste Nachfrage?

Wir waren immer breit aufgestellt: Medizintechnik, Embedded-Systeme und Industrierechner, Automatisierungstechnik, Studio- und Tontechnik, erneuerbare Energien, Luftfahrtsysteme und auch die Kfz-Technik gehören zu unseren Märkten.

Die größte Dynamik sehe ich aktuell bei Embedded-Systemen und in der Automatisierung. Hier entstehen ständig neue Anwendungen, die technisch anspruchsvoll sind und oft besondere thermische Anforderungen stellen. Es geht selten um Massenstückzahlen, sondern um technisch spannende Lösungen.

Der Kfz-Bereich ist für uns dagegen eher ein Randgeschäft  -  meist Spezial- oder Sonderfahrzeuge. Für Serienanwendungen sind wir nicht optimal aufgestellt. Hinzu kommt, dass unsere Erfahrungen im Automotive-Einkauf in der Vergangenheit nicht immer angenehm waren. Unsere Partner in Japan und Taiwan begleiten wir dort gern, für uns selbst sehen wir diese Branche aber nicht mehr im Fokus.

Flügelausschnitt der LF40P-Serie
Flügelausschnitt der LF40P-Serie
© SEPA Europe

Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken: Wo werden sich Ihre Produkte am stärksten verändern, vielleicht sogar „smart“ werden?

Ein Teil bleibt klassisch: Der oft totgesagte, nie wirklich geliebte Lüfter wird weiterhin gebraucht. Lüfterlose Systeme haben ihren Platz, aber nur in bestimmten Bereichen. Viele Geräte werden trotz lüfterloser Optionen doch wieder mit einem kleinen Lüfter bestückt, weil sie damit höhere Rechenleistung oder breitere Umgebungsbedingungen abdecken können  -  ohne enorme Kühlkörpermassen zu verbauen.

Unsere Entwicklungen konzentrieren sich auf Leistungsdichte: Motorwirkungsgrade steigern, Aerodynamik verbessern, Bauformen verkleinern, ohne Luftleistung und Geräusch aus dem Blick zu verlieren.

Smarte Lüfter gibt es bereits im Bereich großer Axialventilatoren. Ob sich solche Konzepte für kleine Modelle durchsetzen, hängt davon ab, welche Anwendung sie überhaupt lösen sollen. Konkrete Kundenfragen sehen wir dazu bisher nicht.

MagFix ist eine Ihrer Eigenentwicklungen. Was war der ursprüngliche Anstoß für diese Lagertechnik, wer hat sie erfunden – und wo zeigt sich ihr Vorteil im realen Dauerbetrieb?

MagFix ist ein Name, den wir von Sepa Europe verwenden und schützen lassen haben. Die Technik entstand gemeinsam mit unserem japanischen Partner  -  zu einer Zeit, in der es im Wesentlichen einfache und „bessere“ Gleitlager gab. Entscheidend ist der konstruktive Aufbau um das Gleitlager herum, der verhindert, dass Öl abwandert und das Lebensdauerende vorgezogen wird.

Heute sind Gleitlager weitverbreitet. Sie sind kostengünstig und im Dauerbetrieb sehr stabil, getragen vom hydrodynamischen Effekt. Kugellager sind dagegen überlegen, wenn hohe Drehzahlen, häufige Start-Stopp-Zyklen oder schmutzige Umgebung vorliegen. Bei Stoßbelastungen spielt die Lagergröße eine Rolle. Und die reine Tragzahlberechnung sagt wenig aus, weil Temperatur, Einsatzfall und Schmierstoffalterung die reale Lebensdauer erheblich beeinflussen.

Miniaturisierung und hohe Leistungsdichten bringen thermische Systeme an ihre Grenzen. Welche Kombinationen aus Lüftern, Airflow-Management und ergänzenden Technologien wie Heatpipes oder Vapor Chambers entwickeln sich heute zum neuen Standardbaukasten?

Der Baukasten ist groß  -  und genau das macht ihn wertvoll. Mit Heatpipes und Vapor Chambers haben wir momentan noch wenig zu tun, aber das Interesse steigt. Airflow-Management gehört dagegen zu jeder Systemberatung: Strömungswege analysieren, Wirbel erkennen, Optimierungen finden.

Immer häufiger liefern wir anschlussfertige Systeme, bei denen Stecker und Litzen bereits final vorbereitet sind. Unser Schwerpunkt liegt eindeutig darin, Kunden Arbeit abzunehmen und ihnen Produkte zu liefern, die ohne weitere Bearbeitung ins Gerät passen. Unsere gut aufgestellte Kabelkonfektionierung ist dabei ein zentraler Baustein.

Viele Ihrer Produkte sind robust ausgelegt: hohe Temperaturen, Vibration, IP-Schutzarten. Birgt das perspektivisch Potenzial für Dual-Use- oder Defense-Anwendungen, oder sehen Sie Sepa Europe weiterhin klar im zivilen Bereich?

Es ist ein sensibles Thema, das wir intern bewusst diskutieren. Dual-Use im rechtlichen Sinne bedeutet vor allem Dokumentations- und Prüfpflichten. Lüfter und Zubehör sind zunächst Industriegüter. Die meisten Anwendungen sind zivil, doch die Zahl der Anfragen im Bereich Drohnenabwehr steigt. Die Vielfalt der Projekte nimmt zu  - das ist eine reale Entwicklung.

Simulationen liefern nur dann verlässliche Ergebnisse, wenn reale Lüfterdaten einfließen. Wie unterstützen Sie Entwickler heute dabei?

Simulation ist bei uns gelegentlich ein Thema. Wir greifen dabei auf einen externen Partner zurück, der darin exzellent aufgestellt ist. Simulation lebt von Erfahrung, Routine und dem täglichen Umgang mit der Software  - all das können wir intern nicht leisten. Wir nutzen die Ergebnisse und Empfehlungen, um mit dem Kunden zusammen die passende Lösung umzusetzen.

KI hält in fast allen Elektronikbereichen Einzug. Werden Lüfter künftig Teil intelligenter, selbstregelnder Systeme werden  - zum Beispiel für adaptive Akustik, Lebensdauerprognosen oder prädiktive Wartung?

Derzeit spielt KI in unseren Systemen noch keine Rolle. Aber die Weiterentwicklung in Richtung intelligenter Diagnosesysteme wird kommen. Es gibt bereits Lüfter, die anhand von Temperatur, Staubbelastung, Drehzahl und Start-Stopp-Zyklen mögliche Wartungsintervalle errechnen und per Signal melden. Ob man das schon künstliche Intelligenz nennt, ist eine Frage der Definition. Intelligent sind diese Systeme aber durchaus.

Lebensdauer und Geräuschcharakteristik sind für viele Anwendungen entscheidend. Wie testen Sie heute MTBF/L10 und Psychoakustik  -  und wo weichen Laborwerte und Felddaten am stärksten voneinander ab?

Die Lebensdauerdaten kommen vom jeweiligen Werk beziehungsweise von den Entwicklungsabteilungen der Hersteller. Wir berechnen sie nicht selbst. Geräuschdaten stammen ebenfalls dorther, doch wir diskutieren sie mit Kunden und führen bei Bedarf eigene Messungen durch. Unsere Geräuschkammer ist nicht universitäres Niveau, aber sie bietet verlässliche Orientierung.

Die eigentliche Wahrheit zeigt sich erst im Einbau. Zwei Lüfter können auf dem Papier identisch wirken und im Gerät völlig unterschiedlich klingen. Luftschall, Körperschall, Gehäusematerial und Positionierung bestimmen die Psychoakustik. Wir beraten intensiv  -  und manchmal ist es eben das Produkt eines anderen Herstellers, das in der konkreten Anwendung besser passt.

Die Herausforderungen globaler Lieferketten sind heute groß. Wie sichern Sie kritische Komponenten  -  Magnete, Lager, Elektronik  -  langfristig ab? Und welche Rolle spielt „Design for Availability“ für Ihre zukünftige Produktstrategie?

Wir versuchen, Bedarfe bestmöglich vorauszusehen. Dazu gehört, Kunden regelmäßig anzusprechen  -  selbst wenn das im Einkauf manchmal als störend empfunden wird. Doch am Ende dient es der Versorgungssicherheit. Ich wünsche mir generell wieder mehr echten Austausch in Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Die Erreichbarkeit war früher gefühlt besser. „Design for Availability“ ist unser Claim, vergleichbar mit einer Null-Fehler-Strategie. Wir versuchen, dieses Ziel zu erreichen. Aber die heutige volatile Zeit macht es nicht leicht, ein Bauteil, das heute problemlos verfügbar ist, morgen noch zu denselben Bedingungen zu bekommen.

Viele langjährige Kunden schätzen Sepa für Zuverlässigkeit und kurze Wege. Wie hat sich Ihr Verständnis von Kundenpartnerschaft in 35 Jahren verändert?

Wir sind gemeinsam mit unseren Kunden gewachsen. Dank unserer kurzen Wege und unserer internen Prozesse -  ein Schlüssel unseres Erfolgs - und die möchten wir unbedingt beibehalten. Ich möchte mich bei der Gelegenheit auch bei unseren Kunden, unseren Partnern und unserer stetig gewachsenen Mannschaft bedanken. Sie alle tragen dazu bei, dass wir seit 35 Jahren am Markt bestehen. Trotz aller aktuellen Herausforderungen glaube ich fest an unseren technologischen Pioniergeist und die Stärke unseres Standorts.

Herr Cap, zum Schluss nochmal kurz und knackig: Der größte Mythos über
Lüfterkühlung?

Dass Lüfter grundsätzlich laut sind. Richtig ist: Sie müssen von Anfang an mit geplant werden.

Der meistunterschätzte Fehler im thermischen Design?

Die Annahme, man könne einen Lüfter später „noch dazupacken“. Meist ist dann kein Raum mehr vorhanden – und das Ergebnis ist eine Notlösung.

Geräusch, Leistung, Kosten: Wo gehen Sie zuletzt Kompromisse ein?

Das entscheidet letztlich der Kunde: Womit kann er leben?

Welche Branche unterschätzt heute ihren zukünftigen Kühlbedarf am stärksten?

Der Gebäudesektor. Mit steigenden globalen Temperaturen wird Kühlung hier ein strukturelles Thema. Rechenzentren und KI-Infrastrukturen haben das längst erkannt.

Ihr persönliches Lieblingsprodukt aus 35 Jahren Sepa Europe - und warum?

Ganz klar der HFB44B Chip Cooler. Ein Produkt aus der 386/486-Ära - heute quasi H-Kennzeichen-würdig - und immer noch geliebt.


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