So sieht die Materialkombination aus: eine ultradünne Schicht aus einer einzigen Lage von Bismut-Atomen, die auf einer Unterlage aus Siliziumkarbid aufgebracht wird.
Was macht diese Kombination so besonders? »Die kristalline Struktur des Siliziumkarbid-Trägers führt bei der Abscheidung des Bismut-Films zu einer wabenförmigen Anordnung der Bismut-Atome – sehr ähnlich der Struktur des Wundermaterials Graphen, das aus Kohlenstoffatomen aufgebaut ist«, erklärt Prof. Ralph Claessen. Wegen dieser Analogie wird der ultradünne Film als »Bismuten« bezeichnet.
Die chemische Bindung – der entscheidende Unterschied
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zum Graphen: »Bismuten bildet eine chemische Bindung an die Unterlage aus«, erläutert Professor Ronny Thomale Theoretiker vom Lehrstuhl für Theoretische Physik I der Universität Würzburg. Diese Bindung spiele eine zentrale Rolle in dem neuen Konzept, denn sie verleiht dem Material die gewünschten elektronischen Eigenschaften.
Eine computergestützte Modellierung zeigt dies sehr deutlich, wie Thomale erklärt: »Während herkömmliches Bismut ein elektrisch leitfähiges Metall ist, bleibt die wabenartige Monolage ein ausgeprägter Isolator, und das selbst bei Raumtemperatur und weit darüber.« Nur durch die ausgeklügelte Kombination der schweren Bismut-Atome mit dem ebenfalls isolierenden Siliziumkarbid-Substrat gelinge es, diese so dringend erwünschte Ausgangssituation künstlich zu erzeugen.
Elektronenautobahn in Randlage
Die elektronischen Leitungspfade kommen am Rand eines Bismuten-Stückchens ins Spiel. Dort befinden sich die metallischen Randkanäle, die bei der Datenverarbeitung der Zukunft genutzt werden sollen. Das haben nicht nur die theoretischen Überlegungen des Würzburger Forschungsteams ergeben. Mithilfe mikroskopischer Techniken konnten die Physiker den Zustand auch experimentell eindeutig nachweisen.
Für die Nutzbarkeit der Randkanäle in elektronischen Bauelementen ist es allerdings wesentlich, dass es keinen Kurzschluss durch das Innere des topologischen Materials oder durch das Substrat gibt. »In bisherigen topologischen Isolatoren musste dies mithilfe der extremen Kühlung sichergestellt werden«, erklärt Jörg Schäfer. Mit dem neuen Bismuten-Konzept sei dieser Aufwand jedoch nicht mehr erforderlich: Wegen des ausgeprägten Isolatorverhaltens der Schicht und der Unterlage seien keine störenden Kurzschlüsse mehr möglich.
Spintronics – bisher nur mit aufwändiger Kühlung
Das gab es bisher nicht. »Denn mit zunehmender Temperatur eines topologischen Isolators werden alle Quanteneffekte ausgewaschen und damit auch die besonderen Eigenschaften der elektrisch leitenden Ränder«, sagt Dr. Jörg Schäfer.
Aus diesem Grund mussten alle bisher bekannten topologischen Isolatoren auf sehr tiefe Temperaturen – meist bis zu minus 270 Grad Celsius – gekühlt werden, um die Quanteneigenschaften der Randkanäle studieren zu können.
Das Team der Universität Würzburg
Zum Team, das das völlig neuartige Konzept entwickelt hat, mit dem sich das Problem der Kühlung elegant zu umgehen lässt, gehören die Experimentalphysiker aus dem Lehrstuhl für Experimentelle Physik IV, Professor Ralph Claessen und Privatdozent Dr. Jörg Schäfer, sowie die Theoretiker vom Lehrstuhl für Theoretische Physik I, Professor Ronny Thomale, Professor Werner Hanke und Dr. Gang Li. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler jetzt in der aktuellen Ausgabe von Science veröffentlicht.
Ergebnis kooperativer Forschung
Dieser Durchbruch im Forschungsgebiet der Topologischen Physik ist ein direktes Ergebnis der engen Zusammenarbeit der Würzburger Physiker im Rahmen des DFG-finanzierten Sonderforschungsbereichs SFB1170 "ToCoTronics" (Topological and Correlated Electronics at Surfaces and Interfaces).