Auf seiner Entwicklerkonferenz TechCon hatte Arm im Oktober 2018 das Neoverse-Brand angekündigt und jetzt überraschend schnell erstes 7-nm-Silizium geliefert. Nachdem der Erfolg von Arm und seinen Lizenznehmern insbesondere im Bereich der Rechenzentren überschaubar war und blieb, hat man in Cambridge offenbar die Einsicht bekommen, dass die letztendlich für Smartphones entwickelten Cortex-A-Prozessoren – auch wenn sie im 2. Schritt auch in Embedded-Anwendungen ihren Platz finden – für Infrastruktur-Anwendungen nur bedingt geeignet sind. Insbesondere das Speicher-Subsystem ist bei den Cortex-MPUs natürlich nicht auf diese Datendurchsätze ausgelegt.
Mit den Neoverse-N1/E1-CPUs hat man die Mikroarchitekturen von Cortex-A76 bzw. Cortex-A55 zielgerichtet auf die Bedürfnisse der Infrastruktur-Märkte weiterentwickelt. Das dickste Pfund, mit dem Arm gegen Platzhirsch Intel, dessen Xeon-Chips in Rechenzentren einen Marktanteil von 95 % + x haben, hausieren gehen kann, ist die überragende Energieeffizienz. Damit kann man in Anwendungen mit limitiertem Energiebudget eine konkurrenzlos hohe Rechenleistung bereitstellen oder im Fall von Rechenzentren dieselbe Rechenleistung mit weniger Energiekosten (incl. Kühlung) um den Betreibern Kosten zu sparen.
Der Erfolg oder Misserfolg von Neoverse wird jedoch sicher nicht an der IP oder am Silizium von Arms Lizenznehmern, sondern am Ecosystem hängen. Die Frage wird sein, wieviele Partner kann Arm auf seine Seite ziehen, um das etablierte X86-Universum um Intel wirklich angreifen zu können. Dass man Erfahrung mit dem Aufbau und der Pflege eines Ecosystems hat, hat Arm im Konsumer-Bereich hinreichend bewiesen. Bei den Mobilgeräten heisst es mittlerweile 100 % Arm, Intel und andere mussten früher oder später kapitulieren. Und selbst Apple hängt an einer Arm-Architekturlizenz und baut seine SoCs auf Basis der Armv8-A-Architektur.
Einen ersten Schritt in die richtige Richtung konnte Arm mit dem Gewinn von Amazon-Web-Services (AWS) machen: AWS-Instanzen (EC2 A1) werden jetzt auf Basis von selbstentwickelten Arm-CPUs angeboten, welche den Namen "Graviton" tragen. Laut AWS sind diese 45 % billiger als vergleichbare x86-basierte Lösungen. Auch die Verfügbarkeit von VMware ESXi für Arm dürfte speziell den Weg in Mikro- und Nano-Rechenzentren öffnen. Den Rest muss die Zeit zeigen. Anders als das börsennotierte Intel wird allerdings Arms Inhaber Softbank und dessen 300-Jahre-Visionär und CEO Masayoshi Son die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen, falls das Marktanteil-Wachstum in den ersten Jahren übersichtlich bleiben sollte.
Intel wird sich in seinem Kernmarkt, der die höchsten Umsätze/Chip und die höchsten Renditen abwirft, ab sofort erstmals in seiner Historie mit einem ernsthaften Wettbewerber auseinandersetzen müssen.