Leistungshalbleiter für Windkraftanlagen

Von Mikro- bis Megawatt

2. Mai 2011, 11:10 Uhr | Von Dr. Martin Schulz
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Azimut-Regelung

Prinzipiell ähnelt die Azimut-Regelung der Pitch-Regelung, allerdings ist der Leistungsbedarf deutlich höher. Gondelgehäuse, Generator, Nabe und Rotoren wiegen in Anlagen im Leistungsbereich von 5 MW bis 6 MW heute bereits mehr als 600 t.

In der Regel kommen für die Drehbewegung der Gondel Antriebe mit einigen hundert Kilowatt zum Einsatz. Diese Leistung ist notwendig, um das enorme Gewicht und die daraus resultierenden Trägheits- und Losbrechmomente zu beherrschen.

Da der Bauraum in der Gondel begrenzt ist, sollen die Umrichter für diese Applikation sehr kompakt sein. Dafür hat Infineon kürzlich das FF600R12ME4 vorgestellt, ein Halbbrückenmodul im EconoDUAL 3-Gehäuse.

Bild 6: Das neue 600-A/1200-V-Modul EconoDUAL 3 mit thermisch optimierter Keramik und Kupferbonds für hohe Stromtragfähigkeit
© Infineon Technologies

Speziell für die Erhöhung der Leistungsdichte konzipiert, beinhaltet das neue Design thermisch optimierte Trägerkeramiken, auf denen Kupferbonddrähte für größere Stromtragfähigkeiten sorgen (Bild 6). Kommen mehrere Antriebe zum Einsatz, kann eine entsprechende Ansteuerung das Spiel der mechanischen Komponenten kompensieren. Hierzu wird ein Drehmoment in entgegengesetzter Richtung aufgebracht - eine Funktion, die im Betrieb oft durch eine mechanische Bremse unterstützt wird.

Aus diesem Grund tritt ein Dauerbetrieb mit Drehzahl null nicht oder nur höchst selten auf. Die Gondelrotation agiert weniger oft als die Rotorblätterkontrolle. Darüber hinaus ist die Azimut-Regelung kein zeitkritischer Prozess. Als Konsequenz ist dieser Antrieb bezüglich thermischer Wechsellast weniger stark strapaziert.

Energieerzeugung hat über die letzten Jahre zur Entwicklung unterschiedlicher Topologien in der Leistungselektronik geführt. Vollumrichter an Synchrongeneratoren koexistieren neben der doppelt gespeisten Asynchronmaschine. Während der Hauptumrichter üblicherweise mit Modulen für hohe Leistungen wie PrimePACK bestückt ist, sind in Umrichtern zur Speisung der Rotoren asynchroner Anordnungen oft Module mit mittlerer Leistung im Einsatz.

Bild 7: D-Serie des EconoPACK + mit PressFIT-Pins, Ultraschallschweißung und eingespritzten Anschlüssen
© Infineon Technologies

Das EconoPACK + wurde im Jahr 2000 zusammen mit dem IGBT3 vorgestellt und hat in der 1700-V-Variante in dieser Applikation weite Verbreitung gefunden.

Im Zuge stetiger Verbesserungen wird auch dieser Modultyp weiterentwickelt.

Das überarbeitete EconoPACK + ist mit PressFIT-Pins ausgestattet und weist ebenfalls die per Ultraschall geschweißten Anschlüsse auf.

Diese sind darüber hinaus als eingespritzte Metallteile ausgeführt, was der mechanischen Robustheit dient (Bild 7).

Trotz der Detailänderungen bleiben alle elektrischen Verbindungsstellen in Position und elektrischer Funktion zum Vorgängermodell kompatibel.

Neue Verbindungstechniken

Um die Anforderungen von netzgekoppelten Umrichtern im Megawattbereich noch besser zu erfüllen, wurde das PrimePACK speziell für Applikationen mit erhöhter Lebensdaueranforderung entwickelt.

Es war das erste Modul für hohe Leistungen, das von der Ultraschallschweißtechnik profitierte, und es bietet zusätzlich den modularen Ansatz, Halbbrückenmodule von 600 A bis 1400 A in einem einheitlichen mechanischen Aufbau zu integrieren.

Bild 8: PrimePACK 2 und 3 mit vergrößerten Luft- und Kriechstrecken
© Infineon Technologies

Auf Bild 8 sind die für 3,3-kV-Module ausgelegten Luft- und Kriechstrecken zu erkennen. Bestückt mit 1700-V-IGBTs eignen sich PrimePACK-Module besonders für Applikationen mit rauen Umgebungsbedingungen und erhöhten Anforderungen an Verschmutzungsklassen. Speziell Off-Shore-Windparks mit der hier herrschenden Kombination von atmosphärischen Bedingungen, Temperaturanforderungen und Lastprofilen stellen eine Herausforderung für den Entwurf der Leistungselektronik dar.

Angesichts dieser Herausforderung hat Infineon unter der Bezeichnung ».XT« ein neues System von Verbindungstechniken entwickelt. Dieses konzentriert sich auf die Verbesserung jeder im Modul enthaltenen Verbindungsstelle. Heute sind es drei markante Fehlermechanismen die der Lebensdauer leistungselektronischer Komponenten Grenzen setzen:

  • Power-Cycling, das zu Ausfällen der Bond-Verbindungen führt;
  • bei längeren Zykluszeiten und abhängig vom Temperaturhub tritt die Delamination der Chip-lötung ein;
  • thermisches Cycling führt zu Rissbildung in der Lotschicht zwischen DCB und Bodenplatte.

Die stetig steigende Leistungsdichte sowie die damit einhergehende Erhöhung der Chiptemperaturen wird durch das Einführen neuer Halbleitermaterialien wie Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) weiter forciert. Dies macht die Entwicklung von neuen Verbindungstechniken unumgänglich, da beispielsweise heutige Lötprozesse den gestiegenen thermischen Anforderungen nicht mehr genügen.

Die .XT-Technik führt zu drei grundlegenden Änderungen für die nächsten Generationen von Halbleitermodulen. Zuerst wird die Lötung der Keramik in eine hoch zuverlässige Lötung überführt, um die Stabilität bezüglich des thermischen Cyclings zu erhöhen. Der zweite Schritt ist die Einführung von Diffusionslötprozessen für das Silizium anstelle der heutigen Lötung.

Bild 9: PrimePACK 2 mit den .XT-Details Kupferbondung, neue Chip-Oberflächen und Diffusionslöten
© Infineon Technologies

Abschließende Maßnahme ist die Überarbeitung der Chip-Oberflächen, um das Kupfer-Bonden zu ermöglichen. Die Kombination dieser drei Maßnahmen führt zu einer um den Faktor 10 gesteigerten Lebensdauer im Vergleich zu heute verfügbarer Technologie. Teile der .XT-Entwicklung sind bereits an anderer Stelle implementiert, die Kupfer-Bonds im FF600R12ME4 in Bild 6 gehen auf diese Entwicklung zurück.

Das erste Bauteil, das alle Details von .XT vereint, wird das PrimePACK-Modul FF900R12IP4LD für 900 A/1200 V sein (Bild 9).

Eine Erweiterung der Technik auf 1700-V-Typen ist für den späteren Verlauf des Projektes in Planung. Ziel des Projektes ist es ebenfalls, die .XT-Technik in Zukunft für weitere Modultypen zu adaptieren.

Der wiederkehrende Wunsch nach vorgefertigten Leistungsteilen führte bei Infineon zur Fertigung von Stacks.

Bild 10: Baugruppe ModSTACK HD
© Infineon Technologies

Solche Stacks bestehen aus dem eigentlichen Halbleiter, thermischem Management und Ansteuerelektronik. Baugruppen wie der in Bild 10 dargestellte ModSTACK HD stellen modulare Blöcke dar, die den Aufbau vollständiger Systeme erleichtern.

Da keine Steuerelektronik im Sinne eines Mikroprozessors enthalten ist, sind Stacks keine kompletten Umrichter. Der Aufbau aus Leistungselektronik, Kühlkörper, Zwischenkreis und Treiberschaltung inklusive Schutzfunktionen beschleunigt die kundenseitige Entwicklung. Der in Bild 10 gezeigte Aufbau eignet sich für Zwischenkreisspannungen bis 1100 V und Ausgangsleistungen bis 2 MW.

Auf Grund ihres modularen Designs lassen sich Stacks leicht kombinieren, um die gewünschte Topologie für eine individuelle Applikation zu erhalten.

Parallelschaltung von Baugruppen ist möglich, falls die 2 MW sich als unzureichend erweisen. Auch kundenspezifische Lösungen sind möglich, ihre Umsetzung ist aber von der jeweiligen Anforderung abhängig.

 

Neue MOSFETs im »CanPAK«
Die MOSFETs »OptiMOS« von Infineon für Spannungen von 60 V bis 150 V sind jetzt auch in »CanPAK«-Gehäusen verfügbar. Diese Produkte werden in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt, wie zum Beispiel DC-DC-Wandlern, Mikroinvertern, MPP-Trackern (Maximum Power Point) in Solaranlagen, Motorensteuerungen und Synchrongleichrichtung. Der Wärmewiderstand auf der Oberseite des CanPAK beträgt 1,5 K/W und erlaubt eine sehr effiziente Gerätekühlung. Zudem wiest es kaum gehäusespezifische, parasitäre Induktivitäten auf. Der RDS(on) liegt zwischen 2,8 mΩ und 28 mΩ. Produktionsstart ist im April 2011.

Der Autor:

Dr. Martin Schulz ist in der Application Enegineering Group bei Infineon Technologies in Warstein tätig.


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