Bisher gab es für den breiten Erfolg der Wide-Bandgap-Technik allerdings zwei Hindernisse: Die relativ hohen Fertigungskosten und technische Einschränkungen, die Bauteile in Standardanwendungen einzusetzen. STMicroelectronics will mit neuen Bausteinen beide Themen angehen und kleinere Derivate einsetzen, die preislich im Bereich herkömmlicher MOSFETs liegen und gleichzeitig alle Vorteile von Silizumkarbid aufweisen. Laut Angaben des Herstellers lassen sich im Vergleich zu Standardlösungen mit 45% der Fläche bessere Schaltleistungen erreichen. Damit können Entwickler die gleiche Energie mit höheren Frequenzen schalten und so die Energieeffizienz steigern. Als Folge wird die gesamte Schaltung kleiner, auch die Induktivitäten lassen sich kleiner und leichter auswählen. So kann ein Motor beispielsweise auf höheren Frequenzen laufen bei gleichzeitig geringerem Gewicht des gesamten Antriebssystems.
Darüber hinaus werden sich die Bauteile mit Standardtreibern ansteuern lassen, zielen also genau auf die Sockel, in denen derzeit normale MOSFETs zum Einsatz kommen. Aufgrund ihrer kleineren Schaltenergien und der geringeren Gateladung sind die neuen SiC-Transistoren wesentlich schneller im Schaltverhalten − die Schaltgeschwindigkeit wird in der Realität eigentlich nicht durch den Baustein selbst sondern durch das externe Schaltungslayout und die parasitären Kapazitäten des Designs begrenzt. Kleinere Gatekapazitäten sorgen zudem für eine leichtere Ansteuerbarkeit, und die Bauteile benötigen für die Ansteuerung nur eine positive Gatespannung, kommen also mit einer einfachen Single-Supply-Spannungsversorgung aus. Allerdings liegt die benötigte Spannung mit etwa 20 V höher als bei normalen MOSFETs. Eine negative Spannung wird im Normalbetrieb nicht benötigt, sie kann allerdings hilfreich sein, um mehr Margin für eine höhere Sicherheit zu bekommen, vor allem bei höheren Schaltfrequenzen und großem dV/dt.
Bei der Charakterisierung der neuen 1200-V-SiC-MOSFETs des Herstellers zeigte sich, dass sich der normalisierte typische RDS(on) im Bereich von 80 Ω mit der Temperatur wenig ändert (Bild 1). Daher kann STMicroelectronics das Bauteil jetzt bis +200 °C spezifizieren, wobei der typische RDS(on) von +25 °C bis +200 °C nur auf 100 mΩ ansteigt und das Derating nur 25% beträgt. Durch den durchgehend positiven RDS(on)-Temperaturkoeffizienten lassen sich die Bauteile wie Standard-MOSFETs problemlos und ohne besondere Schutzvorrichtungen parallel schalten, um höhere Leistungen schalten zu können. Im Vergleich zu den Mitbewerbern reklamiert STMicroelectronics das beste Temperaturverhalten der Bausteine für sich und kann so einen ursprünglich eigentlich nur bis 30 A geplanten Baustein nun bis 45 A spezifizieren.
Als typische Anwendungsbereiche für die SiC-Transistoren im proprietären »HiP247«-Gehäuse nennt der Hersteller die Stromversorgung von Rechenzentren, Solarinverter, Elektromobilität, aber auch spezielle Industrieantriebe. Dabei bieten die Bauteile zum Beispiel in Spanungswandleranwendungen hoher Leistung Wirkungsgrade, die mit denen von IGBTs vergleichbar sind – bei der vierfachen Schaltfrequenz (Bild 2).
Zum Start kamen zunächst die 80-mΩ-Variante und jetzt auch das kleinere Derivat bis 20 A (SCT20N120) mit typisch 215 mΩ für niedrigere Leistungen auf den Markt. Durch deren kleinere Die-Fläche kommt der Preis sehr nahe an den herkömmlicher MOSFETs heran, gleichzeitig wird der kleine Die durch die hohe maximale Sperrschichttemperatur kompensiert. Die erweiterte »Safe Operating Area« wird also nicht wie bisher einfach durch eine größere Diefläche erreicht, sondern durch eine größere Spanne im Temperaturbereich. So lassen die Bauteile eine höhere Temperaturdifferenz zu, beispielsweise beim Inrush-Current oder auch bei kurzzeitigen Leistungsspitzen. Auf diese Weise stehen sehr robuste Bauteile zu moderaten Kosten bereit, die den Markt der MOSFETs für hohe Schaltfrequenzen abdecken.
IGBTs sind dagegen im mittleren Frequenzbereich anzusiedeln...