Um noch mal auf das Thema Energie im weiteren Sinne zurückzukommen: Infineon hatte sich ja von den Elektroautos viel versprochen. In Deutschland sind wir allerdings recht weit von Zielen wie 1 Million Elektroautos bis 2020 entfernt?
Auch hier sind die USA mit ihrer pragmatischen Art – sie tun es einfach – sehr schnell. Auf diesem Gebiet verspüre ich einen stärkeren Druck als aus dem Industriesektor. Bei uns gibt es aber in diesem Bereich auch sehr ermutigende Entwicklungen. Auf der Seite der Ladeinfrastruktur hat sich vieles getan, und erst kürzlich hat BMW mit dem i8 wieder ein sehr interessantes Elektrofahrzeug auf den Markt gebracht. Deutschland ist insgesamt sehr engagiert, das Kosten-Leistungsverhältnis hat sich deutlich verbessert.
Die Batterien sind aber immer noch sehr teuer.
Aber ihr Preis ist viel schneller gesunken, als viele gedacht hätten. Die Innovationsfähigkeit in Deutschland ist enorm, und das globale Interesse an deutscher Technologie und Produkten ist auch da. »Es geht nicht, weil…«, diese Haltung hört man nicht mehr. Dabei gibt es natürlich noch Hürden zu überwinden, wie etwa den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur für das Laden vieler Autos. Selbst ein Land wie China, das zentral regiert wird, tut sich damit schwer. Und auch wenn hierzulande Industrie und nicht zuletzt auch die Politik einiges unternehmen, um den Einstieg in die E-Mobilität zu fördern: Das wird nicht reichen. Die Leute müssen es schon selber wollen.
Wenn man Umfragen glauben darf, dann wollen die Leute auch die Energiewende und Smart Grids. Infineon hatte sich noch 2010 sehr viel vom Aufbau des Smart Grid versprochen, das scheint für das Unternehmen derzeit aber nicht so der Renner zu sein?
Aus meiner Sicht wurde bei der Energiewende versäumt, die erneuerbaren Energien in ein langfristiges Konzept einzubinden. Jetzt fließt teilweise viel zu viel Strom ungenutzt aus erneuerbaren Quellen, und Geld wird verschwendet. Die richtige Frage müsste daher lauten: Wie können wir Energie nicht nur CO2-effizient erzeugen, sondern auch effizient verbrauchen? Wenn es gelänge, die Verbraucher an der Optimierung der Energienutzung zu beteiligen, dann entstünde ein Wert für sie.
Auf den Wert bzw. Umsatz für Infineon warten Sie noch. Inwieweit ist es für den Erfolg von Infineon wichtig, dass die Energiewende gelingt?
Die großen Endmärkte für erneuerbare Energien – vor allem Photovoltaik und Windkraft – sind nicht mehr hier vor Ort. In China sind wir sehr gut aufgestellt, wir kooperieren beispielsweise mit Unternehmen wie Goldwind, an die wir komplett aufgebaute Stacks liefern, und Sungrow. Global gesehen entwickelt sich unser Geschäft mit erneuerbaren Energien moderat gut.
Wie sieht es in der Energieübertragung aus, Stichworte HGÜ und FACTS?
Mittlerweile sind chinesische Firmen auf dem Gebiet HGÜ (Hochspannungsgleichstromübetragung) aktiv, China hatte ja ursprünglich im Rahmen der Zusammenarbeit auch den Transfer von Know-how gefordert. Von den Flexible Alternating Current Transmission Systems, kurz FACTS (Flexible Alternating Current Transmission System), verspreche ich mir sehr viel. Die wesentlichen Bauelemente für FACTS waren bisher die Thyristoren, IGBTs lösen sie jetzt ab. Hier wird auf technischer Ebene noch einiges passieren. Mit Blick auf die Technologie sind sehr interessante Entwicklungen denkbar, um die Versorgung auf Basis von IGBTs so sicher zu machen, wie das bisher auf Basis von Thyristoren war. Für die Netzstabilität und Netzqualität werden sie künftig eine wichtige Rolle spielen.
Doch in Deutschland und Europa sind für Infineon die schönen Träume von neuen Umsätzen rund um Energiewende und Elektromobilität erst einmal beendet? Kann das Geschäft weltweit diesen Ausfall kompensieren?
Zunächst einmal: Wenn wir das Infineon-Geschäft auf Träumen aufbauen würden, gäbe es uns nicht mehr lange. Als global agierender Halbleiterhersteller sind wir bei der Energiewende in einer relativ komfortablen Position, denn Asien konnte den sinkenden Bedarf an erneuerbaren Energien in Deutschland gut kompensieren. Japan und China sind jetzt die wesentlichen Märkte, auch in den USA gewinnt Photovoltaik an Bedeutung. Grund dafür ist vor allem die gute Skalierbarkeit der Kosten und benötigten Flächen sowie die Aussicht auf autarke und wirtschaftlich rentable Systeme mit Batteriespeichern. Ähnlich positiv sieht es bei der Windkraft aus.