Das Produktspektrum wird vielfältiger

Die GaN-Branche wird reifer und liefert vollständige Plattformen

23. September 2024, 9:10 Uhr | Dr. Denis Marcon, General Manager, Innoscience Europe
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Galliumnitrid (GaN) etabliert sich immer mehr im Markt für Leistungselektronik und hat sich mit den Ladegeräten weiterentwickelt. Diese benötigen die Leistungs- und Effizienzvorteile von GaN, um das Versprechen von USB-PD zu erfüllen.

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Die Branche liefert mittlerweile Millionen von Bauteilen in den lukrativen Markt mit GaN-Ladegeräte, der im Jahr 2023 auf 1,1 Mrd. Dollar geschätzt wurde. Laut Next Move Strategy Consulting soll das Marktvolumen bis 2030 auf 4,22 Mrd. Dollar steigen, was einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 19,9 Prozent zwischen 2024 und 2030 entspricht. GaN ist also mit dem Markt für Ladegeräte »erwachsen« geworden, da es große Mengen zuverlässiger Produkte ermöglicht hat. Jetzt ist die Technologie bereit für ihr nächstes Kapitel. Das Angebot verfügbarer GaN-Bauteile wächst von einigen wenigen Schlüsselprodukten hin zu einer großen Vielfalt für hohe und niedrige Spannungen und mit integrierten Lösungen sowie diskreten HEMTs. Dies erschließt ein wesentlich breiteres Anwendungsfeld.

GaN revolutioniert den Markt für Leistungselektronik, weil es mehr Leistung, eine höhere Leistungsdichte und einen höheren Wirkungsgrad bei nahezu null Schaltverlusten bietet. GaN hat eine Leistungskennzahl (Ron × Qg), die 10-mal besser ist als die von Silizium. Daher können Systeme bei einer höheren Frequenz schalten, ohne an Effizienz zu verlieren. Entwicklern gibt dies die Freiheit, kleinere passive Bauelemente zu verwenden und die Gesamtstückliste zu reduzieren. Ein hoher Wirkungsgrad bedeutet auch, dass weniger Wärme abgeleitet werden muss, so dass die Anforderungen an das Wärmemanagement geringer sind und Kühlkörper und Lüfter entfallen oder verkleinert werden können.

GaN ist auch deshalb eine überzeugende Lösung, weil einfache Leistungswandlertopologien verwendet werden können. GaN hat keine Body-Diode, so dass der Sperrverzögerungsstrom gleich Null ist. Daher kann z. B. eine brückenlose Totem-Pole-Leistungsfaktorkorrektur (PFC) verwendet werden, anstatt der komplexeren, brückenlosen PFC-Schaltung mit doppelter Verstärkung und einer größeren Anzahl von Bauteilen, die selbst bei Verwendung der besten Silizium-MOSFETs erforderlich wäre, um den Wirkungsgrad hoch zu halten.

Wenn sich GaN in einem breiten Anwendungsbereich durchsetzen soll, wie es auf dem Markt für USB-PD-Ladegeräte bereits geschehen ist, wird eine viel größere Auswahl an GaN-Bauteilen erforderlich sein. Die Branche reagiert darauf: so bietet Innoscience als größter Hersteller von 8-Zoll-GaN-on-Silicon-Bauelementen jetzt ein breites Angebot an GaN-Leistungsbauelementen für Anwendungen mit niedrigen, mittleren und hohen Spannungen an. Das Unternehmen bietet Low-Voltage-Bauteile (LV) im Bereich von 30 bis 150 V mit einem Durchlasswiderstand von nur 1,2 mΩ und High-Voltage-Bauteile (HV) bis 700 V mit RDS(on)-Werten zwischen 30 und 600 mΩ. Diese GaN-FETs sind in verschiedenen Gehäusen erhältlich, einschließlich Wafer-Level-CSP, Flip-Chip-QFN mit Kühlung an der Ober- oder Unterseite, DFN und TO-xxx. Entwickler, die aufgrund ihrer Erfahrung mit Silizium-Bauelementen an diese Gehäuse gewöhnt sind, können so problemlos auf GaN umsteigen. Um diese Bauelemente zu unterstützen, hat Innoscience kürzlich einen Einkanal-Gate-Treiber vorgestellt, der für GaN-HEMTs optimiert ist.

Die Umstellung auf GaN kann zu erheblichen Leistungssteigerungen führen. Durch die Kombination neuer GaN-Bauelemente lassen sich sogar noch mehr Fortschritte erzielen. Betrachten wir das 4,2-kW-Netzteil in Bild 1, das einen 700V-HV-GaN-Baustein auf der Primärseite zusammen mit einem 150V-GaN-Bauteil auf der Sekundärseite verwendet. Das Totem-Pole-PFC+LLC-Design verwendet 30- und 70mΩ-RDS(on)-HV-GaN-Leistungsschalter im TOLL-Gehäuse für die Primärseite und für die Sekundärseite vier Paare von 3,2mΩ-RDS(on)-LV-GaNs im Flip-Chip-QFN-Gehäuse. Das Ergebnis misst nur 185 mm × 69 mm × 37 mm und erreicht eine hohe Leistungsdichte von 130 W/in3, einen Spitzenwirkungsgrad von 97,5 Prozent und übertrifft damit problemlos den 80-Plus-Titan-Standard. Zum Vergleich: Ein entsprechendes Silizium-MOSFET-Netzteil wäre doppelt so groß.

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Bild 1: Durch GaN im Primär- und Sekundärkreis des Netzteils lassen sich hohe Leistungsdichten erzielen
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Weitere Beispiele für den Einsatz mehrerer GaN-ICs sind: LED-Treiber, bei denen die höhere Leistungsdichte des GaN-Treibers für Beleuchtungsschienen ausgelegt ist und ein GaN-basierter 1000-W-DC/DC-Wandler für einen 300-W-Fernseher mit den Abmessungen 220 mm × 180 mm × 8,5 mm, der 70 Prozent kleiner und effizienter ist als ein 600-W-Silizium-basierter Wandler. Wechselrichter, Motortreiber und Photovoltaiksysteme profitieren in ähnlicher Weise.

Integrierte GaN-Lösungen

Anfangs war GaN weitgehend nur in Form von diskreten GaN-Transistoren erhältlich. Während diese Komponenten hohe Designflexibilität bieten, werden zunehmend auch integrierte Lösungen angeboten. Diese vereinfachen die Entwicklung und reduzieren die Anzahl der Bauteile und die Baugröße. Bild 2 vergleicht die beiden unterschiedlichen Ansätze.

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Bild 2: Diskreter und integrierter GaN-Ansatz im Vergleich
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Innoscience stellt seine Reihe integrierter SolidGaN-Lösungen vor, die Leistungstransistoren, Treiber, Stromsensoren und andere Funktionen in einem einzigen 6 mm × 8 mm QFN-Standardgehäuse vereinen. Die 700-V-ISG610x-Reihe deckt den Bereich von 140 bis 450 mΩ ab, spart Platz auf der Leiterplatte und verkleinert die Stückliste, während sie den Wirkungsgrad erhöht und das Design für Anwendungen wie USB-PD-Ladegeräte, LED-Beleuchtung, AC/DC- und DC/DC-Stromversorgungen sowie PFC-, QR-Flyback-, ACF-, Halbbrücken- und Vollbrückenschaltungen vereinfacht. Die integrierten Bausteine verfügen über einen weiten UCC-Bereich von 9 bis 80 V, was bei USB-PD-Anwendungen, die einen Ausgang von bis zu 28 V erfordern, von Vorteil ist.

Bild 3
Bild 3: Integrierte GaN-ICs von Innoscience lassen sich einfach einsetzen
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Die ICs der Reihe ISG610x zeichnen sich durch einen geringen Ruhestrom von 115 µA aus. Dieser ist einem neuen automatischen Standby-Modus zu verdanken, der aktiviert wird, wenn die PWM-Signalspannung eine bestimmte Zeit lang unter UPWM_LO liegt. Während dieser Zeit wird der größte Teil der internen Schaltkreise abgeschaltet, was die Energieverschwendung reduziert und Leerlauf- und Niedriglastspezifikationen von Regulierungsbehörden wie ENERGYSTAR erfüllt.

Die verlustfreie Stromerfassung mit 7 Prozent Genauigkeit der neuen SolidGaN-Bauelemente bietet mehrere Vorteile. Erstens lässt sich ein größerer RDS(on) ohne Leistungseinbußen unterbringen, da der Verlust des Strommesswiderstands entfällt, was die Kosten verringert. Zweitens reduziert sich die Anzahl der Komponenten und der Platzbedarf auf der Leiterplatte. Die Bausteine verfügen über eine einstellbare Einschalt-/Anstiegsgeschwindigkeit, um EMI zu minimieren. Ein interner linearer Spannungsregler sorgt für eine 6,5-V-Versorgung, was die Leistungseffizienz maximiert und die Zuverlässigkeit des GaN-HEMTs gewährleistet. Ebenfalls integriert sind Unterspannungs-Lockout (UVLO), Überstrom- (OCP) und Übertemperaturschutz (OTP).

Mythen über Preis und Zuverlässigkeit werden widerlegt

Integrierte Lösungen bieten viele Vorteile, dennoch sorgen diskrete GaN-Lösungen für optimale Design-Flexibilität und können bei höheren Leistungen die einzige verfügbare Option sein, bis eine weitere Parallelisierung integrierter Bauelemente erreicht ist – was in der Roadmap vorgesehen ist. Aber wie auch immer die Designanforderungen sind, GaN – in einem beliebigen Format – ist wahrscheinlich die Antwort. Warum zögern dann bestimmte Bereiche der Elektronikindustrie immer noch, auf GaN umzusteigen?

Leider arbeiten einige Entscheidungsträger mit veralteten Informationen über Preis und Zuverlässigkeit. Dazu nun mehr.

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Bild 4: Vergleich der Preise zwischen Silizium-Superjunction-/SJ-Bauelementen (von verschiedenen Anbietern) und InnoGaNs von Innoscience für ähnliche Strom- und Spannungswerte. Katalogpreise entnommen von www.digikey.com und www.richardsonrfpd.com.
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Anfangs waren GaN-Bauelemente natürlich teurer. Das lag zum Teil daran, dass sie in relativ geringen Stückzahlen produziert wurden (im Vergleich zu Silizium-MOSFETs), aber auch daran, dass die Unternehmen ihre Investitionskosten wieder hereinholen müssen und einige traditionelle Halbleiterhersteller ihr Geschäft mit Standard-Siliziumbauteilen schützen wollen. An sich sollten Transistoren, die im GaN-auf-Silizium-Prozess gefertigt werden, jedoch nicht teurer in der Herstellung sein als Standard-Siliziumbauteile.

InnoGaN-GaN-HEMTs von Innoscience auf der Grundlage allgemein zugänglicher Daten können preislich mit Silizium-Superjunction-Bauelementen konkurrieren. Darüber hinaus bietet GaN die Möglichkeit, auf Systemebene weitere Kosten einzusparen, da die erhöhte Effizienz zu einer kleineren Baugröße der erforderlichen passiven und magnetischen Komponenten führt.

Innoscience hat durch den Bau der größten 8-Zoll-GaN-on-Si-Fabs mittlerweile Preisparität erreicht. Da das Unternehmen alle wichtigen Fertigungsprozesse, einschließlich Epitaxie, im eigenen Haus kontrolliert, erzielt es konstant hohe Fertigungsausbeuten. Zudem lassen sich so enorme Skaleneffekte nutzen.

Nach dem Preis nun zur Frage der Zuverlässigkeit: Es ist einfach, auf die Millionen Jahre an Betriebslebensdaten zu verweisen, die Silizium angehäuft hat, um dann Fragen zur Zuverlässigkeit von GaN zu stellen. Doch während GaN noch keine 50+ Jahre an gesammelten Testergebnissen vorweisen kann, gibt es die Technik bereits seit über 20 Jahren, und sie ist gut erforscht und verstanden. Die Bauelemente werden jetzt gemäß der internationalen JEDEC-Norm und den speziellen JEDEC-Richtlinien für WBG-Bauelemente mit breiter Bandlücke (JEP 180) getestet, bei denen sie unter Schaltbelastung beansprucht werden, um reale Anwendungen zu simulieren. Innoscience führt weitere extrapolierte Lebensdauertests durch, darunter HTGB (jenseits der maximalen Gate-Spezifikationen) und HTRB (jenseits der maximalen Off-State-Drain-Spannungsspezifikationen).

Fazit

GaN hat seine Leistungsvorteile in einfachen, stromsparenden USB-PD-Ladegeräten bewiesen und wird sich von dort aus zur dominierenden Technik entwickeln. Da GaN in der Lage ist, auf solch preissensiblen Märkten erfolgreich zu konkurrieren, sollten Fragen bezüglich seiner kommerziellen Rentabilität in anderen höherwertigen Anwendungen leicht zu beantworten sein. Daher steht GaN kurz vor dem Übergang in andere Märkte für Leistungselektronik. Die Anbieter bringen eine Vielzahl integrierter GaN-basierter Lösungen auf den Markt, die auf immer mehr Anwendungen abzielen. So lassen sich Leistungswandlungs- und Power-Management-Lösungen kleiner, leichter, effizienter und einfacher (mit weniger Bauteilen) gestalten. GaN-Bauelemente haben sich als zuverlässig erwiesen, und der Preis muss kein Hindernis mehr sein.


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