Mangels Implementierung in einem realen Mobilgerät konnten wir Intels Angaben zur Leistung von Z34/Z35 nicht nachprüfen. Diese wurden in einem Referenzdesign-Smartphone gemessen, das Intel seinen potentiellen Kunden zur Verfügung stellt. Die Angaben beziehen sich relativ auf den Atom-Prozessor Z2580, der u.a. in Lenovos Smartphone K900 eingesetzt wird. Genutzt hat Intel den Benchmark WebXPRT 2013, der sowohl HTML- als auch Javascript-Verarbeitung im Browser als auch Photo-Verarbeitung und Gesichtserkennung berücksichtigt.
In diesem erzielt der Dual-Core-Z3480 bei seiner Nenn-Taktfrequenz von 2,13 GHz 216 % der Rechenleistung eines mit 2,3 GHz getakteten Qualcomm Snapdragon-800 im Samsung Galaxy S4 und 116 % eines Apple-A7 im iPhone 5S (64-bit-ARMv8-kompatibler Dual-Core mit 1,3 GHz). Beim speziell für Android entwickelten MobileXPRT, der u.a. Photo-Effekte, Slideshows, Verschlüsselung von Content und Scrollen von unterschiedlichstem Content misst, zeigt der Z3480 eine um 145 % höhere Leistung als der Snapdragon-800, einen Vergleichswert für den A7 gibt es nicht, da der Benchmark für iOS nicht verfügbar ist.
Jetzt könnte man ja annehmen, dass diese hohe Rechenleistung auf Kosten der Leistungsaufnahme und damit Batterielaufzeit geht – laut Intels Messungen weit gefehlt: Der Benchmark BatteryXPRT misst die Batterielaufzeit bei typischen Workloads, wie sie in MobileXPRT und WebXPRT abgebildet sind. Intels Smartphone-Referenzdesign kam auf eine Laufzeit von 19,2 h, während Sonys Xperia Z1F mit Qualcomms Snapdragon-800 “nur” 16,9 h erreichte – und das mit einer Batterikapazität von 8,74 Wh gegenüber 8,14 Wh beim Intel-Referenzdesign.
Warum haben wir keinen Vergleich mit Samsungs Galaxy S4 herangezogen? Dieser wäre unfair gewesen, da das S4 einen größeren Bildschirm als das Intel-Design und das Xperia hat. Zur Vollständigkeit: Das Galaxy S4 kommt auf 14,5 h Batterielebensdauer bei einer Batteriekapazität von 9,88 Wh, was wie gesagt allerdings dem größeren Bildschirm (5 Zoll) gegenüber 4,3 Zoll bei Sony und Intel geschuldet ist.
Beim Thema Grafik ist Intel jetzt endlich auch wettbewerbsfähig, wenn auch zumindest beim Dual-Core Qualcomm weiterhin an der Spitze liegt. So kommt der Z3480 beim GPU-Benchmark “GFXBench 2.7.-Egypt HD Offscreen” auf 66 Frames/s, was etwas weniger ist als Qualcomms Snapdragon-800 mit seiner Adreno-330-GPU im Galaxy S4, die auf 69 Frames/s kommt. Apples A7, der ebenfalls auf Imaginations “Rogue” setzt, bleibt mit 57 Frames/s zurück – die Folge der Fertigung in Samsungs 28-nm-Prozess mit Planartransistoren gegenüber Intels 22-nm-FinFET-Transitoren.
Bei der höher getakteten Quad-Core-Variante Moorefield Z3580 erwartet Intel nochmal 10-12 % mehr GPU-Leistung, was beim GFXBench rechnerisch einen Wert von 73 Frames/s ergeben könnte und Intel auch bei der Mobilgrafik an die Spitze setzen würde.
Santa Clara, haben wir ein Problem?
Das, was Intel und Prof. Eul in drei Jahren geleistet haben, kann sicherlich gar nicht noch genug eingeschätzt werden: Von gar “nicht konkurrenzfähig” zu “Spitze” in kurzer Zeit könnte man die Entwicklung in Santa Clara bezeichnen, mit den neuen LTE-Chips und Mobilprozessor-SoCs hat sich Intel vom bemitleidenswerten Nischenanbieter zu einem ernsten Konkurrenten für – in diesem Segment - Marktführer Qualcomm entwickelt.
Das einzige Problem für Intel dürfte sein, dass auch der Wettbewerber in San Diego nicht schläft. Den Anfang wird der auf 2,5 GHz taktende Snapdragon 805 mit verbesserten Krait-450-Prozessor-Cores machen, der Speicherbandbreiten bis zu 25,6 GB/s unterstützen wird. Dank Hardware-Unetrstützung für 4K-Decoding und -Encoding ist der nicht nur für Smartphones konzipiert, sondern soll auch in künftigen Smart TVs zum Einsatz kommen. In Kombination mit einem Gobi-Modem wird dann sogar das Streamen von 4K-Inhalten möglich, und zwar durch ein neues WLAN-Modul, das dank Dual-Band-Wifi Datenraten von theoretisch bis zu 600 Mbit/s unterstützt, andererseits nativer Hardware-Support für den neuen Encoding-Standard H.265, der gegenüber dem verbreiteten Vorgänger H.264 dieselbe Bildqualität bei halbierter Bitrate verspricht.
Auch die neue Adreno 420-GPU wird wohl ein merkliches Leistungsplus im Bereich Gaming bringen: Rund 40 Prozent leistungsfähiger als die Adreno-330 soll diese neue GPU im Schnitt performen. Erstmals unterstützt sie auch Hardware-Tesselation und Geometry-Schattierer und dürfte damit einen weiteren wesentlichen Schritt hin zu Konsolen-Grafikqualität in mobilen Geräten darstellen.
Intel erwartet im Jahr 2014 nicht weniger als 300 Design-Wins, mehr als 1 Milliarde ausgelieferte SoCs und mehr als 2 Mrd. Transceiver. 2013 hielt Qualcomm bei LTE-Chips laut dem marktforschungsinstitut IHSiSuppli einen Marktanteil von 97 % (Samsung kam auf 3 %) - jetzt haben die Kunden endlich eine gleichwertige Alternative.
Was allerdings die Mobilprozessoren angeht, dürfen wir uns jetzt langfristig auf ein Hase- und Igel-Spiel einstellen – die Frage, wer der Jäger und wer der Gejagte ist, dürfte dabei nicht mehr eindeutig zu beantworten sein.