Gedruckte und organische Elektronik

»Einige Startups mussten sich schlafen legen«

28. Februar 2022, 14:00 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

European Chips Act auch positiv für die gedruckte und organische Elektronik?

Im letzten Jahr wurden vor allem die dynamischen Entwicklungen im Bereich Medizin und Pharma hervorgehoben. War das ein Covid-Effekt? Hat sich die Dynamik in diesen Bereichen inzwischen verlangsamt?

Man könnte sagen, dass in der Multiplizierung die Dynamik in diesen Anwendungsbereichen nicht mehr ganz so groß ist wie noch vor ein, zwei Jahren. Aber auch hier kann man auf der diesjährigen Lopec Exponate besichtigen, die so vor Kurzem noch nicht denkbar waren. Da ist zum Beispiel eine gedruckte MRT-Weste mit FDA-Zulassung! Kleine Kinder schiebt man ungern in die Röhre des MRT. Das lässt sich durch diese Weste in Zukunft anders lösen. Ähnlich verhält es sich bei einer Weste zur Behandlung von Gelbsucht bei Neugeborenen. Dank gedruckter Elektronik und integrierten LEDs macht sie eine Lichttherapie möglich, die den Säugling nicht einschränkt und sich sogar für Frühgeborene eignet.

In den USA hat zwar vor einem Jahr die Administration gewechselt, aber der Wirtschafts- und Technologiekonflikt mit China setzt sich fast unverändert fort. Macht sich das auch im Bereich gedruckter und organischer Elektronik bemerkbar oder zählen diese Bereiche noch nicht zu den von der chinesischen Regierung ausgewählten Fokusbranchen?

Ich sehe, dass man das Thema in China durchaus auf dem Radar hat. Aber es hat bislang nicht die Bedeutung wie etwa das Thema Displays. Was wir sehen, sind lokale Investitionen in die Beyond-Display-Forschung. Hier sucht man auch den Kontakt zur OE-A und möchte sich austauschen. Ich würde sagen, im Bereich der flexiblen, gedruckten und organischen Elektronik bewegen wir uns noch im Bereich des Vorwettbewerbs. Zweifelsfrei hat China hier eine sehr starke Materialseite! Und man ist mit sehr großem Engagement in den internationalen Normungs- und Standardisierungsgremien tätig. Auch wenn China in der organischen Elektronik noch am Anfang der Lernkurve ist, sollten wir uns die Normierung und Standardisierung nicht aus der Hand nehmen lassen. Auch wenn das teilweise eine staubtrockene Angelegenheit sein mag, in diesen Gremien werden Entscheidungen getroffen, die Märkte und Wertschöpfungsketten auf Jahrzehnte hinaus definieren und gestalten können.

Für die klassische Elektronik war 2021 vor allem das Jahr steigender Lieferzeiten und Bauelementepreise. Ist die gedruckte und organische Elektronik davon auch betroffen oder gestalten sich die Liefer- und Wertschöpfungsketten dort anders?

Solange wir über wirklich gedruckte und organische Elektronik sprechen, bewegen wir uns bei völlig normalen Lieferzeiten. Betrachten wir dagegen den Bereich der Hybrid-Lösungen, wird es schwierig, da schlagen die Probleme in der Halbleiterbranche voll durch. Hier stellt sich dann oftmals die Frage, wie sich die Integration der Halbleiter vielleicht noch verbessern lässt, um die Arbeitsprozesse unter diesen schwierigen Bedingungen zu verbessern.

Das Europäische Parlament hat am 8. Februar über den European Chips Act diskutiert. Könnten sich die angedachten Anstrengungen im Halbleiterbereich auch positiv auf die gedruckte und organische Elektronik auswirken?

Aus meiner Sicht ist die alles entscheidende Frage bei diesen Bemühungen: Welche Wertschöpfungskette lässt sich lokal erfolgreich und nachhaltig in Europa abbilden? Es muss eine Entscheidung getroffen werden, welche Systeme in Zukunft in Europa entwickelt und produziert werden sollen. Dafür müssen wir dann eine möglichst geschlossene, lokale Wertschöpfungskette aufbauen. Von diesen Anstrengungen dürfte dann in den nächsten Jahren wahrscheinlich auch unsere Branche profitieren, weil in Europa, nahe an den Kunden, entsprechende Kompetenzzentren entstehen werden, die von der Vorfeldforschung bis zum Endprodukt reichen werden.

Die Ampel-Koalition strebt eine produktive und nachhaltige Verbindung von Ökonomie und Ökologie an. Könnte Ihre Branche davon profitieren?

Ich meine, da muss ein neues Denken in die Verwaltungen Einzug halten. In der Endphase der Großen Koalition und auch in den ersten Monaten der Ampel-Koalition war da noch nichts zu merken; der politische Wechsel ist, wenn es um Fördermaßnahmen geht, noch nicht durchgesickert. Hier müssen in Zukunft neue Priorisierungen getroffen werden, das wäre absolut zu begrüßen!

Sie sagten, die gedruckte und organische Elektronik ist inzwischen im Mittelstand angekommen. Wie lässt sich das belegen?

Unsere Industrie ist reifer geworden. Heute beschäftigen sich weltweit erfolgreiche Mittelständler mit der Frage, wie sie die technischen Vorteile der gedruckten und organischen Elektronik in genau ihr Produkt einbringen können, um sich damit einen Differenzierungs- und Wettbewerbsvorteil am Markt zu verschaffen. Das Reifen der Branche lässt sich auch an einem anderen Beispiel aufzeigen: Lange Jahre hat jedes Unternehmen seine eigenen Testgeräte hergestellt, um die Zuverlässigkeit der Produkte zu prüfen. Inzwischen ist dafür ein eigener Industriezweig entstanden, der Testsysteme zur Qualitätssicherung anbietet – und das nicht nur für faltbare Handys.


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