»Semicon Coalition«

Der EU-Chips-Act muss überarbeitet werden

30. September 2025, 7:57 Uhr | Iris Stroh
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Die Semicon Coalition, die sich aus allen 27 Mitgliedstaaten zusammensetzt, ruft zu einer Überarbeitung des EU-Chips-Acts zur Stärkung und Wiederbelebung der europäischen Position in der globalen Halbleiterindustrie auf.

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In dem Aufruf der Semicon Coalition wird zunächst von allen Unterzeichnern ihr Bekenntnis zur Stärkung des europäischen Halbleiter-Ökosystems bekräftigt. Sie betonen aber, dass es angesichts der zentralen Bedeutung von Halbleitern für Gesellschaft, Wirtschaft und Sicherheit die Dringlichkeit, notwendig ist, den EU-Chips-Act zu überarbeiten und eine zukunftsorientierte Fassung zu erstellen. Halbleiter seien der Schlüssel für KI, Automobil, Energie, Telekommunikation, Verteidigung und Gesundheit – und damit für Europas Wohlstand und Resilienz.

Um die globale Position Europas zu sichern und auszubauen, fordern die Unterzeichner, dass die EU den Halbleitersektor als strategische Industrie behandelt – gleichrangig mit der Luft- und Raumfahrt oder der Verteidigungsindustrie – und ihn als zentrales Ziel für Investitionen, Forschung und Entwicklung sowie Innovation priorisiert. Wenn nötig, sollten die vorhandenen Instrumente genutzt werden, um diesen Sektor zu schützen und gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Es heißt weiter: »Die EU-Wirtschaftssicherheitsstrategie und der EU-Chips-Act sind erste wichtige Schritte, reichen jedoch nicht aus. Denn während globale Wettbewerber ihre öffentlichen Investitionen massiv erhöhen, findet ein Großteil der Wertschöpfung außerhalb Europas statt. Dies macht deutlich, dass es einer ehrgeizigen, vorausschauenden zweiten Phase des EU-Chips-Gesetzes bedarf.«

Ein überarbeiteter Chips-Act müsse die bestehenden Verwundbarkeiten Europas adressieren, auf geopolitische, technologische und ökologische Herausforderungen reagieren und sowohl bestehende Stärken als auch neue Marktchancen nutzen, wie sie etwa im Draghi-Bericht zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit beschrieben sind.

Strategische Ziele eines überarbeiteten EU-Chips-Gesetzes

Wie auch der Bericht des Europäischen Rechnungshofs von 2025 feststellt, ist das bisherige Ziel eines 20-Prozent-Marktanteils unrealistisch und zudem zu unspezifisch, da es keine klaren Prioritäten aufzeigt, wo und warum Europa in der Halbleiter-Wertschöpfungskette führen soll.

Ein revidiertes EU-Chips-Gesetz sollte daher auf drei strategischen Zielen beruhen:

  • Wohlstand – Aufbau eines wettbewerbsfähigen europäischen Halbleiter-Ökosystems, das Wirtschaftskraft, Wohlstand und Wertschöpfung in allen Endmärkten steigert.
  • Unverzichtbarkeit – Erhalt und Ausbau der technologischen Führungsrolle Europas, um kritische Kontrollpunkte in der globalen Wertschöpfungskette zu sichern.
  • Resilienz – zuverlässige Versorgung mit vertrauenswürdigen Halbleitern für die wichtigsten europäischen Branchen, insbesondere in Zeiten globaler Krisen oder geopolitischer Unsicherheit.

Die Unterzeichner fordern, dass diese Ziele durch messbare Vorgaben untermauert werden, die regelmäßig von der Europäischen Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und allen relevanten Akteuren überprüft werden. Zudem ist ihre Umsetzung mit gleichgesinnten internationalen Partnern abzustimmen und, wo sinnvoll, mit Initiativen in wichtigen europäischen Zielmärkten (z. B. Verteidigung, Automobil, Telekommunikation) sowie in Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz, Photonik oder Quantenforschung zu verzahnen.

Politische Prioritäten zur Umsetzung der strategischen Ziele

Damit diese Ziele erreicht werden, legen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner folgende Handlungsschwerpunkte fest:

  • Ein starkes Ökosystem: Europa soll engere Kooperationen zwischen Industrie, Forschungsorganisationen, Hochschulen, KMU, Start-ups und mittelständischen Unternehmen fördern, insbesondere im Chipdesign. Der gesamte Innovationspfad – von der Grundlagenforschung bis zum ersten industriellen Einsatz – muss gestärkt werden. Zudem braucht es verlässliche Rahmenbedingungen wie Genehmigungsverfahren, Energieversorgung, Infrastruktur und Wohnraum, um die Industrie vor Ort wachsen zu lassen.
  • Öffentliche und private Finanzierung: Nationale, europäische und private Investitionen müssen gebündelt und besser koordiniert werden, um Skaleneffekte und Schlagkraft zu erzielen. Dazu zählen auch neue Förderinstrumente, schnellere Verfahren für wichtige Investitionsprojekte sowie eine stärkere Unterstützung von Start-ups und Scale-ups. Venture Capital und Kapitalmärkte sollen öffentliche Mittel ergänzen, um große Investitionsvorhaben zu ermöglichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Aufbau einer europäischen Halbleiter-Wertschöpfungskette für KI.
  • Fachkräfte: Die Entwicklung von Talenten und Fachkräften ist entscheidend. Europa muss die Zusammenarbeit von Hochschulen fördern, ein europäisches »Chips Skills Programme« aufbauen und Maßnahmen ergreifen, um hochqualifizierte Fachkräfte anzuziehen und langfristig zu halten.
  • Nachhaltigkeit: Die Branche soll durch energieeffiziente Chips, neue Materialien, integrierte Photonik und Kreislaufwirtschaft zur grünen Transformation beitragen. Produktion und Wertschöpfungsketten müssen umweltfreundlicher gestaltet werden – mit erneuerbaren Energien, effizienter Wassernutzung und der Substitution gefährlicher Stoffe.
  • Internationale Partnerschaften: Um eine offene, sichere und belastbare Lieferkette aufzubauen, soll Europa die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnerländern vertiefen. Unternehmen außerhalb der EU sollen Joint Ventures mit europäischen Firmen bilden und Zugang zu EU-geförderten Forschungsinfrastrukturen erhalten können.

Aufruf zum Handeln

Alle Unterzeichnerinnen und Unterzeichner erklären ihre Bereitschaft, mit der Europäischen Kommission eine starke Überarbeitung des EU-Chips-Gesetzes vorzuschlagen, zu erarbeiten, zu verabschieden und umzusetzen. Ziel ist es, das Wachstum eines robusten und innovativen europäischen Halbleiter-Ökosystems voranzutreiben. Auch Dritte sind eingeladen, diese Erklärung zu unterstützen und an der Gestaltung einer wohlhabenden, widerstandsfähigen und strategisch unverzichtbaren europäischen Halbleiterlandschaft mitzuwirken.

Unterzeichner

Die Erklärung wurde von Wirtschafts- und Forschungsministerinnen und -ministern aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet: Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Spanien und Schweden.

SEMI Europe

SEMI Europe und mehr als 75 Unternehmen, Forschungs- und Technologieorganisationen sowie Branchenverbände haben offiziell die Erklärung der Semicon-Koalition unterzeichnet. »Der Aufbau eines europäischen Halbleiter-Ökosystems erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der auch wirtschaftliche Sicherheit, KI und Quantentechnologien einschließt«, betont Laith Altimime, Präsident von SEMI Europe. Die EU müsse daher im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) eine gesicherte Haushaltslinie für Halbleiter vorsehen, mit vereinfachten Verfahren und modernisierten Wettbewerbsregeln, um Forschungsergebnisse schneller in die Praxis zu bringen.


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