Rüdiger Stahl ist einer der Gründer und Geschäftsführer der TQ-Group. Im exklusiven Interview mit Markt&Technik schildert er, wie TQ »Made in Germany« umsetzt und wie das Unternehmen mit der Energiekrise umgeht. Ein ganz besonderes Highlight hat sich TQ außerdem für die embedded world aufgehoben.
Markt&Technik: Herr Stahl, die TQ-Group hat sich »Made in Germany« auf die Fahnen geschrieben. Ist es tatsächlich so, dass TQ komplett in Deutschland entwickelt und produziert?
Rüdiger Stahl: Ja, das stimmt, und wir sind stolz auf unsere hohe Fertigungstiefe. Diese erstreckt sich über die Flachbaugruppenfertigung, Mechanikproduktion und der Montage von Komplettgeräten. Ein Beispiel: Für unseren neuen E-Bike-Antrieb produzieren wir Getriebeteile und die verwendeteten Elektronikbaugruppen und montieren die kompletten Antriebe. Wir setzen bei Entwicklung und Produktion auf den Standort Deutschland, und zwar quer über die Bundesrepublik hinweg: Angefangen bei unserem Hauptstandort in Delling bei Seefeld und unserer E-Bike-Sparte in Inning über den Robotik-Bereich in Durach im Allgäu bis hin zu Standorten in Chemnitz, Leipzig oder Wetter an der Ruhr. Wir investieren weiter in unsere deutschen Standorte und haben beispielsweise gerade unser Werk in Peiting komplett umgebaut und erweitert.
Selbst wenn wir Komponenten aus dem Ausland dazukaufen, so steht »Entwickelt und produziert in Deutschland« definitiv im Mittelpunkt unserer Strategie. Beim Realisieren einer wettbewerbsfähigen Fertigung in Deutschland hilft uns der hohe Automatisierungsgrad, den wir mithilfe der kollaborativen Roboter von Franka Emika erreichen, sehr. Flankiert wird unser Commitment zum Standort Deutschland von zwei internationalen Standorten in Chesapeake, USA und in Shanghai in China. Sie dienen vor allem der Kundennähe samt Service vor Ort – in China darüber hinaus der Qualitätssicherung und Betreuung von Lieferanten.
Sie haben TQ 1994 zusammen mit Detlef Schneider gegründet. Seitdem ist das Unternehmen stark gewachsen. Wie haben Sie so ein starkes und konstantes Wachstum erreicht?
Ich möchte an der Stelle »gesundes Wachstum« ergänzen und damit den wichtigsten Grund für unseren Erfolg nennen. Wir haben von Beginn an sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir aus eigener Kraft heraus wachsen, sprich: ohne Fremdkapital oder Investoren, die vor allem eigene Interessen verfolgen. Für uns ist das deshalb so wichtig, weil wir nicht von externen Faktoren abhängig sind und so unsere eigene, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensstrategie verfolgen können. Eine zweite wichtige Voraussetzung für unser Wachstum ist unsere Innovationskraft. Wir adressieren gezielt und breit aufgestellt die Wachstumsmärkte des 21. Jahrhunderts. Der dritte Erfolgsfaktor ist, dass die TQ-Group stets ihre Kunden fest im Blick hat – und das über alle Geschäftsbereiche hinweg.
Was uns außerdem hilft, sind die vielen »Ready to use«-Bausteine – zum Beispiel Embedded-Systeme, die wir in all unseren Geschäftsbereichen anbieten. Das heißt, wir müssen nicht immer wieder alles neu entwickeln, sondern können Entwicklungszeiten, -kosten sowie -risiken reduzieren sowie in der Serie und Produktpflege Zeit und Kosten sparen.
TQ bedient Trends wie Robotik, Digitalisierung, Industrie 4.0, künstliche Intelligenz (KI), E-Mobilität sowie Energiemanagement. In welchem Bereich steckt für TQ bis 2025 das größte Wachstumspotenzial?
Ganz ehrlich: in allen genannten Branchen. Uns ist mit dem E-Bike-Antrieb »TQ-HPR50« ein großer Wurf gelungen, der die Bike-Welt auf den Kopf gestellt hat. Beim Thema Digitalisierung haben wir zum Beispiel mit dem »cannyboard« ein Produkt im Portfolio, das in Sachen hybride Meetings neue Maßstäbe setzt. Industrie 4.0, KI und Robotik sind ebenfalls große Themen. Wir haben hier mit dem »Franka Emika FP3« einen der besten Industrie-Cobots an Bord, den wir nicht nur fertigen, sondern sogar selbst in unserer Produktion einsetzen. Gerade in Bezug auf den Fachkräftemangel ist das ein entscheidender Faktor, weil Mitarbeitende sich so auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren können; die monotonen, einfachen Aufgaben erledigt der Roboter. Was KI-Applikationen betrifft, so unterstützen wir unsere Kunden beispielsweise mit Neuronal-Processing-Units auf unseren Modulen und KI-Applikationsbeispielen.
Ebenso war der Bereich Energiemanagement bereits in den vergangenen Jahren ein wichtiger Wachstumsmarkt für uns und ist es auch in Zukunft. Wir produzieren mittlerweile sechsstellige Stückzahlen unseres »Energy Manager«. Ebenso sind wir in Sachen Energiespeichersysteme – mit einem technischen Kundenprodukt – im Markt ganz weit vorne mit dabei.
Laut Statistischem Bundesamt haben sich Energieprodukte im letzten Jahr um 24 Prozent verteuert. Inwieweit spüren Sie bei TQ die Energiekrise und welche Schritte unternehmen Sie gegen die hohen Energiekosten?
Die hohen Energiepreise beeinträchtigen ganz klar die Wettbewerbsfähigkeit, denn wir können nicht einfach alles teurer machen, sondern stehen im internationalen Wettbewerb. Was uns in der jetzigen Situation hilft, sind unsere seit vielen Jahren etablierten Prozesse zum Einsparen von Energie und der eigenen Erzeugung. Hierzu zählen ein systematisches Energiemanagement nach ISO 50001, viele Energieeinsparmaßnahmen sowie Investition in energiesparende Betriebsmittel.
Viel diskutiert wird in dem Sinne derzeit das Thema Nachhaltigkeit. Hierzu zählt zum Beispiel der verantwortliche Umgang mit Ressourcen. Können Sie Beispiele nennen, mit denen TQ zur Nachhaltigkeit beiträgt?
Vor knapp vier Jahren haben wir uns das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 ein klimaneutrales Unternehmen zu sein. Um das Ziel zu erreichen, haben wir über alle Standorte hinweg einen umfassenden Aktionsplan erarbeitet und setzen derzeit konkrete Maßnahmen daraus um. Hierin verankert sind viele kleine Aktionen, zum Beispiel der Bezug von Ökostrom, der Einsatz effizienter Beleuchtung sowie Belüftungsanlagen mit Wärme- und Kälterückgewinnung. Zudem größere Vorhaben wie das Realisieren energieeffizienter Produktionsprozesse.
Darüber hinaus wurden am Standort Durach ein Blockheizkraftwerk zum Erzeugen von Strom und Wärme sowie flächendeckend Photovoltaikanlagen auf unseren Gebäuden installiert (Bild 1). Nicht zuletzt stellen wir unsere Firmenflotte so weit wie möglich auf E-Fahrzeuge um. Außerdem nehmen wir unsere Mitarbeitenden mit auf den Weg und binden sie aktiv in unsere Nachhaltigkeitsthemen ein.
Im März findet in Nürnberg die 21. embedded world statt. Welche Neuheiten präsentieren Sie auf der Messe, vor allem im Embedded-Bereich?
Wir legen den Fokus auf Module mit den neuesten Prozessoren von Intel, NXP Semiconductors und Texas Instruments. Unsere Kunden sollen möglichst einfach Zugang zu deren Technologie erhalten. So ist das »TQMa93xx« beispielsweise als auflötbares sowie als steckbares Modul erhältlich (Bild 2). Designs auf Basis des i.MX93-Prozessors von NXP bieten sich als Upgrade-Pfad für Applikationen an, die bislang i.MX-6UL-Designs nutzen, jedoch eine höhere Leistung, zum Beispiel für KI-Applikationen, benötigen.
Außerdem zeigen wir auf der Messe unsere neuen »Alder Lake-P«-basierten COM-Express-Module der »TQMx120«-Familie mit 12 bis 45 W Leistung. Sie bieten mit der Hybrid-Technik von Intel eine hohe Effizienz mit bis zu 14 Cores sowie bis zu 96 Execution-Units. So sind sie zum Beispiel für KI-Applikationen prädestiniert und bieten eine hohe Grafikleistung. Auf Basis von Texas Instruments-»Sitara AM62xx«-CPUs ist das »TQMa62xx(L)« ein Upgrade-Pfad für »AM335x«-Designs, die mehr Leistung, Kommunikationsfähigkeit und Sicherheit benötigen.
Gerade der Low-Power-Bereich erfährt mit Open-Standard-Module (OSM) und energieeffizienten Prozessoren eine starke Nachfrage. Welche Produkte entwickelt TQ speziell für diesen Markt?
Wir haben am OSM-Standard mitgearbeitet, konnten jedoch bislang keinen Prozessor oder Mikrocontroller identifizieren, der richtig passt: Häufig haben die Chips einen zu großen Funktionsumfang, um ihn vollständig mit OSM auf das Board zu übernehmen. Für den Standard passendere Chips sind oftmals weniger für die Industrie geeignet. Aktuell können wir hier mit unseren designspezifischen Pinouts oft technisch die besseren Produkte hinsichtlich Größe, Funktion und Kosten generieren.
Viele Experten sind sich einig: Ohne KI-Applikationen zu entwickeln, können Tech-Unternehmen nicht mehr überleben. Stimmt das in Ihren Augen und inwieweit entwickelt TQ KI-Applikationen?
Das ist definitiv richtig. KI ist eine wichtige Zukunftstechnologie, die in immer mehr Produkten Einzug hält. Etwa in der Muster-, Bild- oder Spracherkennung, aber auch in Bereichen wie der vorausschauenden, bedarfsgerechten Wartung. Bei TQ setzen wir KI bereits in Prüfständen zur Qualitätssicherung ein. Außerdem automatisieren und optimieren wir mit KI unsere Fertigungsfeinplanung. Zudem adaptieren wir KI auf unseren Embedded-Systemen, die hiermit beispielsweise eine schnelle Bilderkennung ermöglichen. Ebenso können wir kundenspezifische Wünsche in Bezug auf individuelle KI-Funktionen umsetzen und in die entsprechenden Produkte integrieren.
Ein weiterer Trend, der sich mehr und mehr anbahnt, ist das Metaverse. Können Sie sich vorstellen, dass es in den nächsten drei Jahren Einzug in der Produktentwicklung, aber auch im fertigen Produkt hält?
Der Metaverse-Hype setzt auf eine Zukunft mit erlebnisorientierten Erfahrungen. Aufkommende digitale Trends wie das Weiterentwickeln virtueller Welten und räumlicher Medien, aber auch die Einführung von Remote-Produktivität haben zu dem uns bekannten Metaverse-Konzept geführt. Wir beobachten die Entwicklung und verfolgen die Trends sowie die Richtung, in die die Entwicklungen gehen. Aus meiner Sicht ist es eher unwahrscheinlich, dass innerhalb von drei Jahren breitflächig Technologien aus dem Metaverse in der indistriellen Produktentwicklung oder im fertigen Produkt Einzug halten. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass wir Technologien aus dem Metavese für Remote-Work, Fernwartung und Service – inhouse wie bei unseren Kunden – nutzen. Erste Versuche mit Virtual-Reality(VR)-Systemen haben wir bereits durchgeführt.
Noch eine Frage zum MINT-Nachwuchs: Vielfach ist zu hören, dass es schwer ist, Stellen adäquat zu besetzen. Sehen Sie das ebenfalls so und, falls ja, wie gehen Sie das Thema an?
Ja, das sehen wir definitiv auch so. Und zwar nicht nur im MINT-Bereich, sondern es besteht insgesamt ein Mangel an Arbeitskräften – auch, weil mehr Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, als neue hinzukommen. Im Bereich der MINT-Nachwuchskräfte begegen wir der Herausforderung mit einer direkten Ansprache auf Fach- sowie Inhouse-Events. Zudem präsentieren wir Interessenten unsere Produkte aus den Bereichen E-Mobilität, Robotik oder Medizintechnik auf Workshops direkt zum Anfassen. Der einfach zu programmierende Roboterarm von Franka ist beispielsweise ein echtes Highlight auf jeder Ausbildungs-, Hochschul- und Jobmesse. Weiterhin bauen wir unsere Social-Media-Präsenz im Recruiting-Bereich aus und bieten auf Instagram, LinkedIn & Co. spannende Inhalte und einen Blick hinter die Kulissen von TQ.
Wir entwickeln zudem unser Ausbildungsangebot ständig weiter mit dem Ziel, die MINT-Nachwuchskräfte nicht nur im Haus auszubilden, sondern später im Betrieb zu halten. So bieten wir – neben den klassischen kaufmännischen oder technischen Ausbildungsrichtungen – Jobs für Werkstudenten und Praktikumsplätze, betreuen Bachelor- oder Masterarbeiten und bieten duale Studiengänge an.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Stahl.