Agentic Engineering

Wie KI-Agenten digitale Entwicklungsprozesse transformieren

8. Dezember 2025, 13:00 Uhr | Arian van Hülsen, PTC / ak
KI-Assistenten machen Engineering-Prozesse agiler.
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Agentic AI hat das Zeug dazu, die Produktentwicklung grundlegend zu verändern, zu straffen und zu beschleunigen. Doch was können KI-Agenten in Anwendungen wie etwa CAD, PLM, ALM, Simulation sowie Änderungs- und Varianten-Management konkret leisten, und wie verändern sie die Rolle von Entwicklern?

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Intelligente Systeme verändern nicht nur Tools, sondern auch Denkweisen. Wer heutzutage KI-basierte Prozesse etabliert, definiert die Produktentwicklung von morgen neu. Vor allem im Engineering bietet Agentic AI das Potenzial, Prozesse agiler zu gestalten, Entscheidungen zu beschleunigen und neue Innovationsspielräume zu schaffen. Und das ist dringend nötig: Die steigende Variantenvielfalt, kürzere Entwicklungszyklen und ein wachsender Fachkräftemangel fordern klassische Entwicklungsmethoden zunehmend heraus.

Engineering-Systeme lernen denken

Moderne CAD-, PLM- und ALM-Umgebungen entwickeln sich zu aktiven Mitdenkern. KI-Agenten analysieren Anforderungen, erkennen Muster, verknüpfen Wissensbasen und unterstützen beim Variantenmanagement. Besonders in komplexen Umgebungen mit hoher Individualisierung, etwa im Automotive-Engineering, zeigt sich der Wert dieser Systeme: Wo früher zeitraubende Regelprüfungen manuell erfolgten, schlagen KI-Systeme nun automatisch konforme Designoptionen vor.

Ein intelligentes System kann heutzutage erkennen, wie sich eine Designänderung auf Materialien, Fertigungsprozesse, Compliance-Vorgaben oder Wartung auswirkt – und liefert automatisiert Empfehlungen. Im modellbasierten Systems Engineering (MBSE) entstehen damit neue Assistenzsysteme, die nicht nur dokumentieren, sondern proaktiv Handlungsoptionen entwickeln. Das spart nicht nur Zeit, sondern verbessert auch die Konsistenz und Nachverfolgbarkeit von Entscheidungen.

Simulation neu gedacht - mit KI

Im Bereich Simulation eröffnet Agentic AI neue Dimensionen. KI-gestützte Tools bewerten Entwurfsvarianten, simulieren Szenarien und analysieren in Echtzeit, wie sich einzelne Änderungen auf das Gesamtsystem auswirken – lange bevor der erste physische Prototyp entsteht. Dadurch lassen sich Entwicklungszyklen drastisch verkürzen und Risiken frühzeitig erkennen.

Ein Beispiel: Im Kunststoffspritzguss reduziert KI die Anzahl von Validierungsschleifen bis zur Serienreife. Auch bei Hill Helicopters wird mithilfe von KI-gestützter CAD- und PLM-Software die Konstruktion beschleunigt. Solche Lösungen ermöglichen eine datenbasierte Vorauswahl geeigneter Designoptionen mit klaren Vorteilen für die Time-to-Market und den Ressourceneinsatz.

Änderungsmanagement 2.0

Mit wachsender Komplexität steigen auch die Anforderungen an Änderungsprozesse. Agentic AI erschließt implizite Zusammenhänge zwischen Anforderungen, Funktionen, Softwareständen und physischen Komponenten. Es entsteht ein semantisches Netz, das dem System hilft, Auswirkungen zu bewerten, Risiken zu identifizieren und Zielkonflikte aufzulösen, noch bevor der Mensch eingreift.

Im Automotive-Engineering, wo Time-to-Market, Sicherheit und Variantenabsicherung entscheidend sind, schafft dies enorme Vorteile. Änderungen an Fahrzeugsystemen, Steuergeräten oder Softwarekomponenten lassen sich automatisch hinsichtlich Regulatorik, Zertifizierung und Supply Chain prüfen – eine neue Stufe der Engineering-Effizienz.

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Arian van Hülsen von PTC
Arian van Hülsen ist Director Solutions Consulting – AI & Digital Engineering bei PTC.
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Intelligent Product Lifecycle als Basis

Der Intelligent Product Lifecycle ist das Fundament dieser Transformation. Er verknüpft von der ersten Anforderung bis zur Stilllegung alle relevanten Informationen über den Lebenszyklus hinweg. Nur durch diese durchgängige, kontextsensitive Datenstruktur können KI-Agenten zuverlässig agieren.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Rückverfolgbarkeit, Konsistenz und eine klare Informationsbasis für alle Beteiligten. Der Intelligent Product Lifecycle reduziert manuellen Aufwand, erhöht die Transparenz über Systemgrenzen hinweg und ermöglicht Automatisierung, die auf fundierten Entscheidungen beruht.

Praxisbeispiele: KI-Anwendungen mit Impact

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig – und längst real. Im Automobil-Karosseriebau erkennt KI Lackierfehler oder Unregelmäßigkeiten in Echtzeit. In der Kabelfertigung identifizieren KI-basierte Prüfzellen Abweichungen bei Farbe, Durchmesser oder Isolierung. Die Kombination mit dem Intelligent Product Lifecycle ermöglicht eine präzise Nachverfolgung und schnelle Nachjustierung, auch über Produktionsstätten hinweg.

Generative KI wiederum unterstützt Rapid Prototyping: Sie schlägt auf Basis bestehender Daten neue Designs vor, die hinsichtlich Kosten, Machbarkeit und Performance optimiert sind. In Projekten mit Unternehmen wie Ferrari oder BMW wird deutlich, wie KI das Engineering revolutioniert: Die Zahl der Designschleifen sinkt, die Innovationsrate steigt, die Produktqualität verbessert sich messbar.

Agentic AI beschleunigt das Engineering.
Agentic AI beschleunigt das Engineering.
© PTC

Der Mensch wird zum Orchestrator

Mit der Einführung intelligenter Systeme verändert sich auch das Rollenverständnis. Konstrukteure und Ingenieurinnen werden zu Orchestratoren digitaler Prozesse. Sie konfigurieren Regelwerke, pflegen Datenmodelle, trainieren KI-Agenten und überwachen deren Interaktionen mit realen Systemen.

Gefragt sind dabei nicht nur Engineering-Kompetenzen, sondern auch systemisches Denken, Datenkompetenz und die Fähigkeit, technische Inhalte maschinenlesbar zu modellieren. Wer diese Skills beherrscht, wird zum Wegbereiter für eine zukunftsfähige Entwicklungsorganisation und zum unentbehrlichen Teil der Produktstrategie von morgen.

Vertrauen, Nachverfolgbarkeit, Skalierbarkeit

Ein kritischer Erfolgsfaktor ist Vertrauen. Agentic AI darf nicht als »Black Box« agieren. Die Entscheidungen, die KI-Agenten treffen, müssen nachverfolgbar und überprüfbar sein. Der Intelligent Product Lifecycle bietet hier das entscheidende Fundament: Durch vollständige Datenketten, Versionskontrolle und transparente Regelwerke werden Entscheidungen für Auditoren, Management und Entwicklungsteams gleichermaßen erklärbar.

Zudem braucht es skalierbare Architekturen. Erst wenn KI-Agenten über Domänen, Regionen und Produktlinien hinweg agieren, entsteht ein echter strategischer Nutzen. Dies verlangt ein durchdachtes Zusammenspiel aus Technologie, Governance und Engineering-Disziplin – ein Feld, auf dem sich Early Adopters klare Wettbewerbsvorteile sichern.

Fazit: Agentic Engineering ist mehr als ein Trend

Agentic AI transformiert den Produktentwicklungsprozess: weg von fragmentierten Tools und linearen Abläufen, hin zu vernetzten, lernenden Systemen mit hoher Adaptivität. Wer heutzutage KI-Agenten strategisch einbindet, beschleunigt nicht nur Prozesse, sondern schafft eine neue Qualität von Produktinnovation.

Im Automotive-Engineering entsteht damit ein neues Paradigma: Entwicklung, Fertigung und Betrieb wachsen über Intelligenz und Daten zusammen. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, sichern sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern auch die nötige Resilienz für eine sich schnell entwickelnde Industrie.

Und nicht zuletzt bringt Agentic AI die Menschen wieder dorthin, wo sie am wirkungsvollsten sind: als strategische Entscheider, kreative Problemlöser und kritische Sparringspartner einer neuen Generation intelligenter Systeme. Die Technologie ist bereit. Jetzt kommt es auf den Mut zur Umsetzung an.


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