Was passiert, wenn neue Produktionsmaschinen die Herstellung noch besserer Produkte ermöglichen, z.B. Produkte, welche in deren Nutzung weniger Ressourcen verbrauchen? Klar, es kommt zu einem weiteren höchst attraktiven Multiplikationseffekt. Dazu ein Beispiel der Firma MAG IAS mit Sitz in Göppingen (D), welche für die Kurbelwellenfertigung eine neue Prozesskette entwickelte und in einer neuen Maschinenreihe umgesetzt hat. Insgesamt wurden hier drei Bereiche optimiert:
MAG ermöglicht neu die Herstellung von Kurbelwellen, welche eine deutlich reduzierte Reibung im Motor bewirken und somit den Treibstoffverbrauch in den neuen Fahrzeugflotten reduzieren. Interessant sind hier die folgenden Multiplikatoren:
zusätzlich Treibstoffeinsparungen von knapp 135 CHF bzw. eine Reduktion von ca. 180 kg CO2 über die ganze Nutzungsdauer eines Pkw (Annahme: durchschnittlicher Verbrauch von 6,44 l Diesel auf 100 km; 1 l Diesel kostet CHF 2.00 bzw. 1,60 Euro.). Nimmt man nun als Beispiel ein neues Produktionssystem von MAG mit einer Ausbringung von rund 125.000 Kurbelwellen pro Jahr (Multiplikator für nachfolgende Rechnung), resultieren Einsparungen von 8,4 Mio. Liter Treibstoff sowie weitere ca. 23 Mio. CHF (19 Mio. Euro) für geringere CO2-Abgaben.
Bereits nach einer Jahresproduktion (konkret wären es dann „nur“ 125.000 neue und effiziente Kurbelwellen von einer einzelnen Bearbeitungsmaschine) resultiert insgesamt ein Nutzen 3. Art von ca. 40 Mio. CHF bzw. 32 Mio. Euro. Dies ist weit mehr, als die Maschine kostet. Bei Anwendung herkömmlicher Wirtschaftlichkeitsrechnungen ergäbe dies ein „Pay Back“ von 10 bis 20 Tagen (!).
Einen Nutzen 3. Art zu generieren ist nicht trivial. Im Rahmen von Ecodesign muss man eine weit breiter gefasste Systemabgrenzung vornehmen. Der Betrachtungsraum ist dann sehr breit und der Lösungsraum erweitert sich; weitaus attraktivere Lösungsfelder werden sichtbar. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung, dass Firmen im Rahmen von Ecodesign-Workshops, die der Autor häufig mit Firmen durchgeführt hat, auf die Frage nach dem Nutzen 3. Art ungemein interessiert reagieren und bereits nach kurzer Zeit ganz neue Lösungsansätze vorliegen.
Mit Ecodesign Energie und Material einsparen
Energiekosten sind im produzierenden Gewerbe gering – in der Regel sind es 3 bis 4 % der gesamten Kosten. Der Anteil der Materialkosten ist jedoch deutlich höher. Dieser variiert gemäß einer aktuellen Studie in der Schweiz [9] zwischen 20 % und 90 %. Im Durchschnitt resultiert ein Wert von ca. 45 %. Materialeffizienz ist deshalb ein Mega-Thema und wird die Diskussion über Ecodesign massiv beeinflussen.
Es ist interessant festzustellen, dass in fast allen befragten Firmen der oben zitierten Studie, die sich bereits mit Umweltfragen und Nachhaltigkeit ernsthaft beschäftigen, Ansätze von Ecodesign umgesetzt sind. So ist dort die Materialspezifikation ein Thema: Zum einen geht es um die Wiederverwendbarkeit des Materials (Recycling), also insbesondere um die Wiederverwertung von Kunststoff in der (eigenen) Produktion. Zum anderen wird aktiv der Frage nachgegangen, ob und in welcher Art Sekundärmaterial verwendet werden kann (in erster Linie Fragen zur Qualität) und ob genügende Mengen verfügbar sind. Zudem wird auch die konstruktive Ausgestaltung der Produkte hinterfragt.
Die Firmen versuchen vielfach, in diesem Bereich Optimierungen – in Koordination mit dem Kunden – bezüglich der eigenen Produktion zu erzielen. Insbesondere bei Herstellern von eigenen Produkten wird die Produktion und je nach Relevanz auch die Nutzung „vorgedacht“ und frühzeitig, also proaktiv optimiert. Diese Firmen haben bereits weitgehend einen (gelebten) Ecodesign-Prozess in der Produktentwicklung realisiert.
Materialeffizienz ist ohne Zweifel wirtschaftlich interessant. Deshalb braucht es hier keine Gesetze, Verbote oder Lenkungsmaßnahmen, sondern Schulung, gute Beispiele, Erfolgsgeschichten, täglich neue Anreize; wie in ganz vielen anderen Bereichen auch. Die oben zitierte Studie kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Kompetenz der Leute zu fördern ist, dass hier Planungshilfen und Normen helfen könnten und dass gute Beispiele erfasst, aufbereitet und verbreitet werden müssten. Gelebtes, fruchtbares (und nicht furchtbares) Ecodesign kombiniert deshalb die Vorteile von Energie- und Materialeffizienz in neuen Produkten und Lösungsansätzen und hilft mit, die Marktposition der Firmen zu stärken. Dazu braucht es insbesondere engagierte und gut qualifizierte Fachkräfte und ein Management in den Firmen, welches die Vorteile von Ecodesign sieht und diese auch aktiv einfordert.