Klimafreundliche Gebäude

Single Pair Ethernet als Wegbereiter für Netto-Null-Emissionen

24. November 2024, 11:00 Uhr | Von Meghan Kaiserman, Analog Devices; Redaktion: Kathrin Veigel
© Artinun|stock.adobe.com

Um die Net-Zero-CO2-Emissionsziele zu erreichen, muss der Gebäudesektor seine Kommunikationsinfrastruktur modernisieren. Optimale Unterstützung hierbei bietet Single Pair Ethernet. Damit lassen sich Gebäude mit älteren Standards wie RS-485 auf den neuesten Stand der Technik bringen.

Diesen Artikel anhören

Ein wesentlicher Faktor für das Erreichen von Net Zero ist die Reduzierung der CO2-Emissionen über alle Branchen hinweg. Nach Angaben der International Energy Association (IEA) hinkt der Gebäudesektor aktuell noch hinterher, die globalen Net-Zero-Ziele für CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen. Insbesondere wird für 2030 eine Senkung des Energieverbrauchs pro Quadratmeter um 35 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 angestrebt.

Da heute 30 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf Gebäude entfallen, besteht die Sorge, dass die Emissionsziele nicht erreicht werden können, wenn die Branche keine konkreten Maßnahmen zur Digitalisierung der Systeme und zur Einführung der Automatisierung ergreift. Erschwerend kommt hinzu, dass für eine wirksame Automatisierung mehr Datenerfassung in Echtzeit erforderlich ist, und zwar in einem Umfang, der die derzeitige Durchsatzkapazität und Reaktionsfähigkeit der alten RS-485-basierten Infrastruktur übersteigt.

Darüber hinaus sind Geräte und Gebäudesysteme durch den Anschluss an das Netz Cyberangriffen ausgesetzt, was fortschrittliche Sicherheitsmaßnahmen erfordert, die über die derzeitigen Möglichkeiten dieser alten Netzwerke hinausgehen.

Single Pair Ethernet (SPE) kann der Gebäudeindustrie helfen, die Net-Zero-Ziele zu erreichen und gleichzeitig KI-basierte Automatisierung auf sichere und kostengünstige Weise zu unterstützen. SPE ermöglicht sowohl bei Neuinstallationen als auch bei Nachrüstungen eine weitreichende Konnektivität bis zum Netzwerkrand und ist damit ein wichtiges Instrument für die nahtlose Datenübertragung zwischen IT- und OT-Bereichen.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

Energieeinsparung durch Digitalisierung

Gewerbegebäude zunehmend zu digitalisieren, ermöglicht es den Betreibern nicht nur, Optimierungen zu ermitteln, sondern bildet auch die Grundlage dafür, den Betrieb zu automatisieren. Der Zugang zu Sensordaten und Regelungsmöglichkeiten erlaubt es, den Betrieb von Gebäuden zu optimieren, um den Energieverbrauch zu senken und gleichzeitig den Menschen darin bestmöglichen Nutzen zu bieten.

So stellt beispielsweise das Ziel, die Luftqualität in Innenräumen zu verbessern, zusätzliche Anforderungen an den Gebäudebetrieb. Neue Vorschriften wie ANSI/ASHRAE 62.1 verlangen die Zufuhr von mehr Außenluft, wobei zusätzliche Mengen erforderlich sein können, um optimale Voraussetzungen für Gesundheit und Hygiene zu gewährleisten. Diese Belüftungsstandards führen zu einem höheren Energiebedarf, der eher weiter gesenkt werden müsste. Um also einen optimalen Betrieb zu erreichen, müssen die vielen HLK-Systeme (Heizung, Lüftung, Klimatechnik) in einem Gebäude zusammenarbeiten können, um zu vermeiden, dass sich die Systeme gegenseitig behindern.

Der konvergierende Betrieb grundverschiedener HLK-, Beleuchtungs-, Brand- und Zugangskontrollsysteme erfordert den Zugriff auf die richtigen Daten und Steuerungs- beziehungsweise Regelelemente. Diese lassen sich durch künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) verbessern, um die ideale Nutzung von Licht, Heizung oder Kühlung auf der Grundlage der aktuellen und geplanten Aktivitäten der Nutzer des Gebäudes zu bestimmen. Sie ermöglichen zudem die Steuerung des Luftstroms, um eine angemessene Raumluftqualität zu gewährleisten und gleichzeitig den Energieverbrauch anzugleichen.

Konvergierende Systeme ermöglichen die Visualisierung von Daten über ein einziges Fenster, was bei gleichzeitiger Verwendung von Automatisierung und KI/ML Energieeinsparungen ermöglicht
Konvergierende Systeme ermöglichen die Visualisierung von Daten über ein einziges Fenster, was bei gleichzeitiger Verwendung von Automatisierung und KI/ML Energieeinsparungen ermöglicht
© Analog Devices

Der IEA-2030-Net-Zero-Plan fordert eine Reduzierung der Emissionen um circa 15 Prozent, was sich beispielsweise durch Verhaltensänderungen und Digitalisierung erreichen lässt. Zwar ist es hilfreich, Menschen zum Energiesparen anzuleiten. IEA-Fallstudien haben aber belegt, dass das größte Potenzial zur Energieeinsparung in der Automatisierung und nicht in der Verhaltensänderung liegt.

Es ist jedoch schwierig, Daten aus mehreren Systemen zusammenzuführen, da verschiedene Anbieter getrennte Datenbanken unterhalten, was zu separaten Datensilos führt. Laut der IEA-Gruppe, die an Leitlinien für die gemeinsame Nutzung von Daten für Gebäude und HLK-Systeme arbeitet, besteht die Herausforderung darin, verschiedene Datenquellen in einem einzigen Fenster zusammenzuführen, sodass Trends verglichen und Analysen angewandt werden können, um neue Erkenntnisse zu gewinnen (Bild).

Modernisierung der Kommunikationsinfrastruktur

Ein wesentlicher Faktor beim Zusammenführen der vielen verschiedenen Datenquellen in einem Gebäude ist die verwendete Mess- und Verbindungsinfrastruktur. Traditionell wurden Sensoren und Steuerungen in gewerblichen Gebäuden über serielle Kommuni-kationsverbindungen mit RS-485-Transmittern und Protokollen wie BACnet, Modbus und LonWorks verbunden.

RS-485 ist jedoch eine veraltete Schnittstelle, die sowohl beim Durchsatz als auch bei der Datensicherheit Einschränkungen unterliegt. So beträgt beispielsweise die maximale Baudrate für BACnet MS/TP – ein gängiges Gebäudeautomatisierungsprotokoll, das auf einer physikalischen RS-485-Schicht arbeitet – 115,2 kbit/s. Darüber hinaus wurden Legacy-Kommunikationsprotokolle wie BACnet und Modbus für geschlossene Netzwerke entwickelt und verfügten daher nicht über integrierte Verschlüsselungs- und Authentifizierungsfunktionen. Dies stellt eine große Bedrohung hinsichtlich der Cybersicherheit dar, da diese Geräte über Gateways zur IT-Infrastruktur mit dem Internet verbunden sind.

Single Pair Ethernet, insbesondere 10BASE-T1L, ist eine neue Kommunikationsmethode, die im November 2019 ratifiziert wurde (IEEE 802.3cg) und jetzt unter anderem in Gebäuden zum Einsatz kommt. Das serielle Verbindungskabel, das für RS-485-Verbindungen verwendet wird, lässt sich für 10BASE-T1L-Ethernet-Daten wiederverwenden. Somit kann die vorhandene Infrastruktur an Single Pair Ethernet angepasst werden.

Dies hat viele Vorteile:
➔ Die Knoten können jetzt höhere Bandbreiten von bis zu 10 Mbit/s unterstützen.
➔ Die Knoten sind IP-adressierbar, was die Verwaltung der einzelnen Komponenten vereinfacht.
➔ Die Reichweite erhöht sich auf 1 km, was ausreicht, um die maximalen Längen für bestehende RS-485-Verkabelungen zu unterstützen. Dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Standard-Ethernet mit 10 Mbit/s/100 Mbit/s, dessen Reichweite bei nur 100 m liegt.
➔ In IEEE 802.3cg ist die Klasse 15 spezifiziert, die die Übertragung von bis zu 52 W Leistung über ein einzelnes Twisted-Pair-Kabel zusammen mit 10BASE-T1L-Daten ermöglicht. Der kürzlich vorgestellte Power-over-Ethernet(PoE)-Controller LTC4296-1 ermöglicht die Stromversorgung einer breiten Palette von Komponenten. Es ist allerdings zu beachten, dass diese Art der Stromversorgung aufgrund von Schwankungen in der Kabelqualität nur für Neuinstallationen empfohlen wird.

Als erster Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung wurden Gebäudesteuerungen mit Standard-Ethernet (10 Mbit/s/100 Mbit/s) eingesetzt, die mit Ethernet-basierten Versionen dieser Legacy-Protokolle kommunizieren, nämlich BACnet/IP und Modbus TCP/IP. BACnet/IP-Geräte verwenden die gleichen Datenobjekte wie BACnet MS/TP-Geräte, sodass sich Systeme mit beiden Gerätearten leicht implementieren lassen.

Über Ethernet verbundene Installationen mit IP-basierten Protokollen wie BACnet/IP und Modbus TCP/IP, die moderne Cybersicherheitsmaßnahmen unterstützen, sind auf dem Vormarsch. BACnet hat weltweit einen Marktanteil von circa 60 Prozent, und circa 80 Prozent der Neuinstallationen verwenden eine kabelgebundene RS-485-basierte serielle Kommunikation.

Die Building Services Research and Information Association (BSRIA) schätzt, dass im Jahr 2019 etwa fünf Prozent der HLK-Sensoren drahtlos waren, wobei die geringere Zuverlässigkeit der Verbindung und die Notwendigkeit von Batterien die Einsatzmöglichkeiten einschränken.

Verbesserte Kommunikation

Heiz- und Kühlsysteme bestehen aus mehreren Komponenten, die Informationen austauschen müssen, um den Temperatursollwert zu erreichen, darunter Thermostate, Regler, Luftbehandlungseinheiten und Geräte mit veränderlichem Luftdurchsatz. Die Erhöhung der Kommunikations-geschwindigkeit von den üblichen seriellen Baudraten von 9,6 kbit/s bis 115,2 kbit/s auf eine Ethernet-Bandbreite von10 Mbit/s bedeutet einen erheblichen Anstieg des Datendurchsatzes des Systems.

Eine solche IP-basierte Hochgeschwindigkeitskommunikation bringt einige Vorteile mit sich:

Analysen statt Stichproben: Die langsamen Datenübertragungsraten älterer Kommunikationssysteme zwangen die Gebäudemanager dazu, Prioritäten bei der Datenerfassung zu setzen und die erfassten Daten stichprobenartig zu überprüfen. Mit Single Pair Ethernet müssen sich Gebäudemanager keine Gedanken mehr über die Abtastraten der seriellen Kommunikation machen, sondern können sich auf die Entwicklung einer breiten Palette fortschrittlicher Analysen kon- zentrieren, die sie nun mit den zusätzlichen Daten, die vom System erfasst werden können, durchführen können.
Energieeinsparungen: Zusätzliche Daten ermöglichen größere Energieeinsparungen durch schnellere Regelkreise oder rechenintensive Ener- gieoptimierungen unter Verwendung von Modellen und Echtzeit-Sensoreingaben.
Zusammenführung von Daten und Beseitigung von Datensilos: Bei der herkömmlichen kabelgebundenen seriellen Kommunikation ist ein Gateway erforderlich, um die Daten von den angeschlossenen Geräten in Ethernet-basierte Pakete umzuwandeln, bevor diese an die Cloud weitergeleitet werden. Durch die Aufrüstung der kabelgebundenen seriellen Kommunikationsverbindungen auf Single Pair Ethernet, 10BASE-T1L, werden diese Gateways überflüssig, und die vorhandene Verkabelung lässt sich weiterverwenden. Das vermeidet Datensilos, reduziert Fehlerquellen, Kosten für Gateways entfallen und die Gesamtlatenzzeit verringert sich.
Echtzeit-Reaktionsvermögen: Kommunikationsprotokolle und Software, die auf Gateways laufen, verlangsamen die Reaktionszeit in der Größenordnung von Sekunden, während Anwendungen in der Gebäudeautomatisierung wie die E/A-Überwachung Latenzen von 100 Millisekunden oder weniger erfordern können. Der höhere Durchsatz von Single Pair Ethernet in Verbindung mit dem Wegfall von Gateways bedeutet einen insgesamt schnelleren Durchsatz, sodass Systeme in Echtzeit reagieren können.

Sichere Kommunikation

Memoori, ein Unternehmen, das auf dem Gebiet der Forschung zu intelligenten Gebäuden tätig ist, führt an, dass das Fehlen eines wirksamen Cyberschutzes schnell zum Haupthindernis für die künftige Einführung intelligenter Gebäude wird.

Eine der größten Herausforderungen bei der Digitalisierung von Gebäuden ist die Zusammenführung der IT- und OT-Bereiche. Zwar ist es möglich, ältere RS-485-basierte Feldbus-OT-Netzwerke durch die Aufrüstung auf Protokolle wie BACnet/SC nachzurüsten, doch ist dies kostspielig sowie zeitaufwendig und man übersieht leicht Schwachstellen im bestehenden System.

Effektive Sicherheit ist jedoch von entscheidender Bedeutung, da laut einer Studie von Kaspersky aus dem Jahr 2020 Gebäudeautomationssysteme von allen industriellen Steuerungssystemen am häufigsten Opfer von Cyberangriffen wurden, noch vor den Bereichen Öl und Gas, Energie oder Automotive.

Zur Sicherung der Kommunikation wurde das alte kabelgebundene serielle Kommunikationsprotokoll BACnet auf BACnet/SC12 angepasst, das eine sichere Kommunikation über eine kabelgebundene serielle Verbindung mit Verschlüsselung unterstützt. Allerdings müssen alle BACnet-Geräte im Netzwerk gleichzeitig umgerüstet werden, um die Vorteile dieser neuen Funktionen voll auszuschöpfen. Vorhandene Geräte, die das alte BACnet verwenden, müssen überarbeitet und gewartet werden, um die für BACnet/SC erforderlichen zusätzlichen Kryptografiefunktionen hinzuzufügen.

Single Pair Ethernet, insbesondere 10BASE-T1L, ermöglicht es, Randknoten, die über kabelgebundene, unsichere serielle Kommunikation wie BACnet verbunden waren, aufzurüsten und über das BACnet/IP-Protokoll mit Ethernet-basierter Sicherheit zu verbinden. Entscheidend dabei ist, dass diese neue und verbesserte Sicherheitslage erreicht wird, ohne dass neue, kostspielige Ethernet-Kabel entlang bestehender Signalpfade verlegt werden müssen.

Indem man Geräte in OT-Netzwerken auf sichere Ethernet-basierte Protokolle aktualisiert, kann man einen Großteil des mit Cyberangriffen verbundenen Risikos reduzieren. Single Pair Ethernet, 10BASE-T1L, ermöglicht den Übergang von unsicherer Legacy-Kommunikation zu sicherer Ethernet-basierter Kommunikation mit einer Generation von Hardware-Upgrades bei gleichzeitiger Wiederverwendung der bestehenden Verkabelungsinfrastruktur.

Fazit

Single Pair Ethernet, 10BASE-T1L, ist eine wichtige Technologie, die IP-Konnektivität bis an den Netzwerkrand bringt, die Sicherheit verbessert, Verkabelung wiederverwendet, IT- und OT-Netzwerke zusammenführt und sogar die Stromversorgung bereitstellen kann. Mit einem deutlich höheren Durchsatz, optimaler Sicherheit und der Eliminierung von Gateways hilft Single Pair Ethernet der Gebäudeindustrie dabei, das IEA-Net-Zero-Ziel für 2030 zu erreichen und die Emissionen um 15 Prozent zu reduzieren.

Die Modernisierung der Kommunikationsinfrastruktur von Gebäuden ermöglicht den Zugriff auf eine enorme Menge an Echtzeitdaten innerhalb eines Gebäudes, während gleichzeitig Datensilos beseitigt und ein einheitlicher Ansatz für die Verwaltung möglich ist. Neben einer schnelleren Schließung des Regelkreises für konventionelle Regelungsschemata und der Unterstützung von KI- und ML-Optimierungen werden Gebäudemanager künftig in der Lage sein, umsetzbare Erkenntnisse zu gewinnen, die zu deutlichen Energieeinsparungen führen.
 
Analog Devices verfügt über Expertise bezüglich nachhaltiger Gebäude und entwickelt Technologien, die den digitalen Wandel ermöglichen, darunter Single Pair Ethernet (10BASE-T1L) und intelligente E/As sowie isolierte und kabelgebundene RS-485-Transmitter für ältere Systeme. Der Hersteller hat SPE-Produkte auf den Markt gebracht, die sowohl Punkt-zu-Punkt- (z. B. der Ethernet-PHY ADIN1100 und der Ethernet-MAC-PHY ADIN1110) als auch Line-and-Ring-Architekturen (z. B. der Ethernet-Switch ADIN2111) ermöglichen. Für Single-Pair-Power-over-Ethernet eignet sich der Controller LTC4296-1 auf der Stromversorgungsseite und der Controller LTC9111 auf der Geräteseite.

 

Die Autorin

Meghan Kaiserman
ist strategische Marketingleiterin für nachhaltige Gebäude bei Analog Devices und beschäftigt sich mit Digitalisierungstechnologien einschließlich intelligenter E/As, Single Pair Ethernet und Sicherheit


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Analog Devices GmbH

Weitere Artikel zu Single-Pair-Ethernet

Weitere Artikel zu Verbindungstechnik sonstige

Weitere Artikel zu Smart Home / Smart Building