Bei aufkommenden neuen Technologien kämpfen oft mehrere Standards um die Gunst der Anwender. Bei Single Pair Ethernet gilt das für die verschiedenen Steckgesichter der Steckverbinder. Doch gerade für die Gebäudeautomatisierung gibt es eine Lösung, die diese Problematik elegant umgeht.
Sobald die Sonne blendet, fahren die Rollläden nach unten, und sie gehen wieder nach oben, wenn sich eine Wolke vor den leuchtenden Ball am Himmel schiebt. Türen öffnen sich, sobald man in ihre Reichweite kommt, und das Licht leuchtet automatisch auf, wenn man durch den Flur geht. Für all diese intelligenten Gebäudesteuerungen müssen Daten übertragen werden. Eine besonders geeignete Möglichkeit für die schnelle Datenübertragung ist Single Pair Ethernet.
Bei Single Pair Ethernet – kurz SPE – handelt es sich um eine echte Ethernet-Verbindung, die allerdings mit nur zwei verdrillten Kupferadern auskommt, statt den üblichen vier oder acht Drähten. »Zukünftig kann somit jede Kommunikation, die aktuell noch über das vier- oder achtadrige Ethernet oder über WLAN läuft, über SPE stattfinden«, weiß Marco Henkel, Vice President Technology Management bei Wago. Die Technologie ist über das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) genormt. Dadurch ist eine Interoperabilität zwischen SPE-Geräten verschiedener Hersteller gewährleistet.
Zudem unterstützt SPE die Leistungsübertragung – Power over Data Line (PoDL) – bis zu 50 W auf demselben Adernpaar, auf dem es kommuniziert. So können entsprechende Endgeräte, sogenannte Powered Devices (PD), nicht nur informationstechnisch über weniger Adern angebunden, sondern auch mit Energie versorgt werden. Dazu muss die Gegenstelle den Strom einspeisen und als sogenanntes Power Sourcing Equipment (PSE) fungieren.
Der Vorteil: Eine zusätzliche Verdrahtung für die Energieversorgung entfällt. Darüber hinaus hat Single Pair Ethernet mit Multidrop dem heutigen Ethernet etwas voraus: Damit lassen sich mehrere Geräte an einer Leitung betreiben, ohne dass zusätzliche Infrastrukturkomponenten wie Switches erforderlich sind. Mit diesem Feature werden neben den üblichen Sterntopologien zukünftig auch Bustopologien möglich.
Zum Einsatz kommen wird Single Pair Ethernet unter anderem in Gebäude-steuerungen, zum Beispiel für Rollläden, Türen oder die Lichtsteuerung. Aber auch in der Prozessautomatisierung wird diese Art der Datenübertragung Anwendung finden. Von der schnellen Kommunikation profitieren zukünftig insbesondere komplexere Sensoren, die die Menge an Daten über gängige, Ethernet-basierte Feldbusprotokolle der Anwendung zur Verfügung stellen. Bei IIoT-Anwendungen profitieren die SPE-Teilnehmer von der durchgängigen IP-Kommunikation – vom Sensor bis in die Cloud.
»Aktuell befindet sich Single Pair Ethernet noch in der Markteinführung. Das heißt, viele Geräte setzen heute noch auf klassisches Ethernet oder auf die serielle Verdrahtung auf Basis von RS-232, RS-485 oder RS-422«, erklärt Henkel. Laut dem Technology Manager wird der Umstieg von klassischer zu neuer Technologie eine Herausforderung, da nicht sofort alle denkbaren und prädestinierten Geräte mit der neuen Kommunikations-technologie verfügbar sein werden. In der Übergangszeit ist daher mit einem Mischbetrieb zu rechnen. »Mit der zunehmenden Verbreitung und Technologieimplementierung wird SPE aber in den Anwendungen immer sichtbarer«, prognostiziert Marco Henkel.
So könnte Single Pair Ethernet auch zur Schlüsseltechnologie im IIoT und der Industrie 4.0 werden, allerdings nicht als alleinige Möglichkeit zur Datenübertragung, da Kommunikation auf viele Arten und über unterschiedliche Medien stattfinden kann. SPE ist aber ein Beschleuniger für die Sensor-to-Cloud-Communication. Das liegt daran, dass Single Pair Ethernet vielfältige Ausprägungen hat, die die bisherige vieladrige Kommunikations-verkabelung ablösen kann. Dazu gehören 10Base-T1L für bis zu 1000 m Kabellänge, PoDL und Multidrop bzw. 10Base-T1S. Zusätzlich ermöglicht SPE eine durchgehende IP-Kommunikation.
Neben den Vorteilen in der Kommunikation gibt es auch andere Punkte, die Single Pair Ethernet zu einer zukunftsfähigen Technologie machen. So hat es eine hohe Reichweite von bis zu 1000 m ohne den Einsatz von aktiven Infrastrukturkomponenten. Gegenüber kabellosen Möglichkeiten zur Datenübertragung ist SPE dank seiner Kabelgebundenheit höher verfügbar und sicherer in der Übertragung.
Single Pair Ethernet gemeinsam voranbringen |
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»Auch für uns bei Wago ist Single Pair Ethernet ein wichtiges Thema. Deshalb sind wir seit vergangenem Jahr auch Mitglied in der Single Pair Ethernet System Alliance (SPESA), einer Plattform, auf der die unterschiedlichsten Hersteller mit ihren jeweiligen Marktzugängen gemeinsam die Technologie implementieren und voranbringen wollen. Im Fokus der firmenübergreifenden Zusammenarbeit steht der Anwender und seine Use Cases. Für die Anwender ist es wichtig, den Nutzen der Technologie herauszuarbeiten und bekannt zu machen. Da wollen wir mit in der ersten Reihe stehen«, erklärt Marco Henkel die Bedeutung von SPE beim Mindener Anbieter für Verbindungs- und Automatisierungstechnik. Auf der Hannover Messe ist die SPE System Alliance aktuell mit einem eigenen Stand vertreten. Dieser ist als offener, firmen- und branchenübergreifender Hub konzipiert. Das gemeinsame Thema ist die Etablierung von Single Pair Ethernet als internationaler Standard für alle Bereiche, in denen Ethernet-Verbindungen ersetzt oder neu aufgebaut werden. Expertinnen und Experten aus verschiedenen Branchen werden am Stand für Gespräche zur Verfügung stehen. Die SPE System Alliance finden Sie in Halle 9, Stand D28.
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»SPE ist nicht nur ein technologisches Thema, SPE ist ein Standard – und zwar ein IEEE-Standard für die unterschiedlichsten Anwendungen der IT und OT«, ist sich Marco Henkel sicher. Er sieht SPE schon auf der Meta-Ebene als Problemlöser, denn es spart Rohstoffressourcen und kann damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. SPE benötigt nur zwei Adern für die Kommunikation – in ausgewählten Anwendungen können diese sogar über PoDL gleichzeitig für die Stromversorgung von Endgeräten und Sensoren genutzt werden. Es wird weniger Kupfer und weniger Isolationsmaterial benötigt; das Kabel ist leichter und kommt deshalb mit weniger Transportressourcen aus, wodurch wiederum mehr transportiert werden kann. Das gestaltet den Versand effizienter.
Vereinfacht gesagt: Man bekommt mehr Kommunikationsleistung pro Kilogramm, pro Volumen oder im Transportcontainer. Zusätzlich sinkt der CO2-Fußabdruck in der Herstellung, im Transport und letztendlich damit auch der des Gebäudes bzw. der Applikation. Da es nur zwei, statt vier oder acht Drähte für die Ethernet-Kommunikation zu konfektionieren gibt, ist der Zeitaufwand sowohl für die Verdrahtung als auch die eventuelle Fehlersuche ge- ringer, was ebenfalls Ressour- cen und auch Kosten spart.
Außerdem schafft die schlankere, einpaarige SPE-Verkabelung mehr Platz in der sogenannten Digital Ceiling – der digitalen Decke. Ganz gleich, ob im Bürogebäude, im Einzelhandel, in Krankenhäusern oder in Hotelzimmern – viele Geräte werden in abgehängten Decken verkabelt. Dort kann es durch die Vielzahl an benötigen Endgeräten auch mal eng werden. Mit den dünneren SPE-Verkabelungen lassen sich Beleuchtung, Präsenzmelder, IP-Kameras und mehr mit weniger Platzbedarf anschließen, was auch zu einer geringeren Brandlast führen kann und so zum Sicherheitsaspekt wird.
Aktuell gibt es sechs IP20-Steckgesichter am Markt, die für SPE-Verbindungen genormt sind. »Der schlimmste Fall wäre es, dass der Anwender, obwohl er ausschließlich Produkte einsetzt, die der Norm folgen, immer wieder mit dem falschen Stecker vor der falschen Buchse steht«, beschreibt Marco Henkel den Nachteil vieler Steckgesichter. Genau hier setzt Wago mit seinen Leiterplattenklemmen der Serien 2601 und 2086 an. Diese sind gemäß IEC 63171 qualifiziert und ermöglichen eine SPE-Verbindung mit besonders einfachem Anschluss, da kein Spezialstecker nötig ist. »Einfach den Leiter auf die passende Länge zuschneiden, abisolieren, in die Leiterplattenklemme einfügen und los geht es«, erklärt Viktor Dick, Produkt Manager PCB-Connections bei Wago, die Verdrahtung einer SPE-Verbindung mit Leiterplattenklemmen. Der Vorteil an dieser Art der Verdrahtung ist, dass die Steckgesichterproblematik wegfällt. »Der beste Stecker ist der, den man nicht benötigt«, macht Viktor Dick deutlich.
Für eine besonders komfortable und fehlervermeidende Verdrahtung ist der Anschluss für Single Pair Ethernet auf der Leiterplattenklemme der Serie 2601 farblich markiert (Bild 1). Diese Leiterplattenklemme hat zudem eine Hebelbedienung. Konkret heißt das, dass der Anwender die zwei abisolierten Adern der Leitung in der gewünschten Länge bloß in die Klemme mit geöffnetem Hebel einstecken muss. Sobald er den Hebel schließt, ist der Leiter sicher verbunden und die SPE-Verbindung ist physikalisch hergestellt – werkzeugfrei und ohne auf ein spezielles Steckgesicht Rücksicht nehmen zu müssen.
Ähnlich geschieht die Verdrahtung mit der Serie 2086 (Bild 2). Diese Klemme hat einen Drücker. Auch hier kann der Anwender den Leiter einfach durch Drückerbetätigung in die jeweilige Klemmstelle führen, um eine Datenübertragung über Single Pair Ethernet herzustellen. Eindrähtige, mehrdrähtige und feindrähtige Leiter lassen sich bei beiden Klemmen dank Push-in Cage Clamp sicher einsetzen. Weitere Leiterplattenklemmen befinden sich derzeit in der Qualifizierung, um für nahezu jedes Gerät eine passende Anschlussmöglichkeit zu gewährleisten.
Geräte mit Wago-Leiterplattenklemmen der Serien 2601 und 2086 bieten eine besonders einfache Möglichkeit für SPE-Installationen. So lassen sich zum Beispiel Gebäude-steuerungen für Rollladen oder Türen, aber auch Sensoren in der industriellen Automatisierungstechnik werkzeuglos, fehlerfrei, schnell und sicher anschließen. »Single Pair Ethernet wird Veränderung schaffen«, ist sich Marco Henkel sicher. Durch diese Art der Datenübertragung werden unsere intelligenten Gebäudesteuerungen und Industrieanwendungen in Zukunft noch effizienter und gleichzeitig ressourcenschonender arbeiten.
Die Autorin
Patrizia Schmidtpeter-Lerch ist Content Managerin bei Wago.