Diskreter Draht vs. FPC

Hi-Rel-Systeme sicher verbinden

6. Juni 2023, 9:20 Uhr | Von John Brunt, Harwin
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High-Reliability-Anwendungen stellen hohe Anforderungen an die Verbindungstechnik. Für die richtige Wahl muss man wissen, welche Unterschiede zwischen den jeweiligen Verbindungsoptionen bestehen und wann diskrete Einzeldrahtanordnungen oder flexible gedruckte Schaltungen besser sind.

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Für den Großteil der Standardanwendungen sind diskrete Litzen- oder Massivkabel ausreichend. Wenn jedoch Platz- oder Gewichtsbeschränkungen für das System bestehen, sollten besser optimierte Verbindungslösungen in Betracht gezogen werden.

Flexible gedruckte Schaltungen (Flexible Printed Circuits, FPCs) haben in jüngster Zeit ein enormes Wachstum erlebt. Hier werden komplizierte Schaltungsebenen direkt auf ein sehr dünnes kupferkaschiertes Polymersubstrat geätzt. Mit niedrigen Bauhöhen und wenig Gewicht sind FPCs in der Consumer-Elektronik sehr beliebt. Mittlerweile kommen sie auch zunehmend in modernen Satelliten-, Roboter- und Avionik-Systemen zum Einsatz.

Ein wesentliches Merkmal von FPCs ist ihre Fähigkeit, engere Biegungen als andere Verkabelungsformen zu unterstützen. Sie sind auch besser in der Lage, dynamische Bewegungen zu bewältigen, während sie Biegungen ausgesetzt sind. Dies ist gerade für lineare Aktuatoren, robuste Laptops und Flugsteuerungsoberflächen von Vorteil, bei denen es zu ständigen periodischen Bewegungen in einer einzelnen Achse kommt.

FPCs sind so aufgebaut, dass sie sich im rechten Winkel zur Kabelebene biegen lassen, aber nicht in andere Richtungen. Bei ihrem Einsatz verliert man die Möglichkeit, sie gleichzeitig in mehreren Achsen zu biegen.

Kriterien für die richtige Entscheidung

Ob man sich für eine Kabelkonfektion auf der Basis von FPC oder diskreten Drähten entscheidet, hängt von den Betriebsparametern des Systems und der Anwendungsumgebung ab. Im Folgenden sind die wichtigsten Fragen aufgeführt, die zu berücksichtigen sind:

1. Welche Stromstärken sind erforderlich?
FPCs beruhen auf sehr dünnen Kupferbahnen, daher sind ihre Nennwerte für Normal- und Spitzenstrom niedriger als die anderer Verkabelungsarten, was vor einer Entscheidung für deren Einsatz berücksichtigt werden muss. Es ist unwahrscheinlich, dass FPCs in der Lage sind, Ströme von 1 A pro Bahn zu überschreiten. Die einzige Möglichkeit, die Strombelastbarkeit zu erhöhen, wäre eine Verdickung der Kupferbahnen, was die Flexibilität des FPC beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu sind diskrete Drähte in der Lage, Ströme zu liefern, die mindestens dreimal so hoch sind wie bei FPCs. Sie eignen sich daher sowohl für die Energieversorgung als auch für die Datenübertragung.

2. Muss das Gesamtgewicht des Systems so gering wie möglich gehalten werden?
Die Kabelkonfektionierung kann erheblich zum Gesamtgewicht eines Systems beitragen. Bei einem Hi-Rel-System, das batteriebetrieben ist oder von gespeicherten Energiereserven abhängt, ist das Gewicht ein wichtiges Kriterium. Die Spezifikation einer geeigneten Verkabelung ist daher entscheidend. Zum Beispiel ein unbemanntes Luftfahrzeug (UAV): Für diese Anwendung kann es ratsam sein, FPCs einzusetzen, um Gewicht zu sparen – vorausgesetzt, die unterstützten Stromstärken liegen im Rahmen dieser Verbindungsart.

3. Wieviel Platz ist nötig?
Betrachtet man den Platzbedarf einer Leiterplatten-Kabel-Verbindung sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen, dass die Höhe des Kabelsteckers die Höhe des entsprechenden Steckers für die Leiterplattenmontage übersteigt. Zum anderen müssen die Kabel, die die Rückseite des Anschlusses vertikal verlassen, ausreichend Platz haben, um den Biegeradius zu berücksichtigen. Es kann sogar notwendig sein, das gegenüberliegende Gerät, die Platine oder das Gehäuse zu polstern, um sicherzustellen, dass das gebogene Kabel während seiner Betriebszeit nicht abgenutzt wird. Bei FPCs bedeutet das Belassen des SMD-Steckverbinders im rechten Winkel, dass diese Bedenken bezüglich des Platzes für die Verbindung entfallen.

4. Welchem Biegeradius wird die Verkabelung voraussichtlich ausgesetzt sein?

Veranschaulichung des Biegeradius von Kabeln
Bild 1. Veranschaulichung des Biegeradius von Kabeln.
© Harwin

Ein Biegeradius vom 6- bis 10-fachen der Isolationsdicke des Kabels ist akzeptabel (Bild 1). Durch seinen wesentlich dünneren Aufbau kann ein FPC weitaus spitzere Biegungen verkraften als diskrete Kabelbaugruppen. Dies gilt jedoch nur in einer Richtung (entlang der Kabellänge). Etwas anderes ist es, wenn ein Roboterarm mit mehreren Achsgelenken komplexe Bewegungen ausführt. Für solche Anwendungen ist eine diskrete drahtbasierte Baugruppe, die sich drehen und wenden kann, die bessere Wahl.

5. Bleibt die Biegung immer konstant oder muss die Verkabelung im Laufe ihrer Lebensdauer dynamische Biegungen verkraften?
Durchläuft die Verkabelung viele Biegezyklen, wird sich die Haltbarkeit eines FPC wahrscheinlich von anderen Formen der Verkabelung unterscheiden. Materialien in diskreten Kabeln werden spröder, wenn sie wiederholten Biegebewegungen ausgesetzt sind.

6. Wo genau wird die Verkabelung in Bezug auf das System verlegt?
Dies ist ein wichtiger Aspekt, da FPCs einen dünneren Außenschutz haben und sehr exponiert sind. Idealerweise sollten sie sich innerhalb eines Gehäuses befinden, um einen kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten. Im Gegensatz dazu weisen diskrete Kabelbaugruppen einen dickeren Polymerüberzug auf, der sie besser vor möglichen Schäden schützt. Sie sollten daher in einem Kabelsatz verwendet werden, wenn dieser sich an der Außenseite eines Geräts befindet. Außerdem ist es einfacher, Kabelbündel mit Zubehör für das Kabelmanagement zu sichern. Dadurch werden unerwünschte Vibrationen sowie Abrieb an anderen Bauteilen und des Gehäuses vermieden. Es erleichtert auch das Anbringen eines zusätzlichen Schutzes um die Kabelbündel herum.

7. Welche Materialien sollten spezifiziert werden?
Steckverbinder, Kabel, FPCs und Zubehör sind in einer Vielzahl verschiedener Materialien erhältlich. Das frühzeitige Festlegen der Temperaturanforderungen und anschließende Überprüfen, ob alle Bestandteile des gewählten Kabels oder der FPC-Verbindung den Anforderungen standhalten, vermeidet Probleme im weiteren Verlauf. Auch die Auswirkungen von EMI oder HF-Störungen sollten bei der Wahl der Materialien berücksichtigt werden. In direkter Zusammenarbeit mit dem Lieferanten lässt sich prüfen, ob ein Endprodukt für alle beteiligten Faktoren geeignet ist. Ist die Umgebung zu harsch, sind eventuell Schutzmaßnahmen erforderlich. Ein externes Drahtgeflecht am Kabelbündel kann nötig sein, um EMI zu beseitigen. Flexible Verbindungen sind hier die bessere Wahl, da sie weniger anfällig für elektromagnetische Störungen sind.

8. Welche Faktoren sind noch zu berücksichtigen?
Bei Satelliten-Hardware beispielsweise muss auf die Ausgasungseigenschaften der Baugruppe geachtet werden, da sonst im Vakuum des Weltraums Stoffe freigesetzt werden, die den Betrieb kritischer elektronischer Schaltkreise beeinträchtigen können. Besteht die Möglichkeit einer Verunreinigung durch Öle, Kraftstoffe und andere Chemikalien oder die Aussicht auf Pilzbefall, müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.

Diskrete und FPC-Verbindungen von Harwin

Beispiel einer diskreten Kabelkonfektion von Harwin
Bild 2. Beispiel einer diskreten Kabelkonfektion von Harwin.
© Harwin

Neben diskreten Kabelkonfektionen (Bild 2) bietet Harwin auch Hi-Rel-Steckverbinder mit angeschlossenen FPCs an. Diese FPC-Optionen sind für die Datamate-J-Tek- (Raster 2 mm) und für die Gecko-Produkte (Raster 1,25 mm) erhältlich und eignen sich für Designs mit begrenztem Platzangebot. Ihre niedrige Bauhöhe ermöglicht, dass die Leiterplatten viel näher aneinander gestapelt werden können. Die rechtwinkligen Steckerkomponenten machen die gesamte Verkabelung leichter zugänglich, da sich die Anschlüsse am Rand der Platine und nicht in der Mitte platzieren lassen.

Die in diesen Baugruppen verwendeten FPCs haben eine kupferkaschierte Polyimid-Basis mit einer verklebten Deckschicht. Der starre Bereich am freien Ende ist so konzipiert, dass er mit verschiedenen FPC-Steckertypen (ZIF, Zero Insertion Force und LIF, Low Insertion Force) kompatibel ist.

Die FPC-Baugruppen von Harwin (Bild 3) haben ein Rastermaß von 0,5 mm und unterstützen eine Stromstärke von 0,4 A für Gecko beziehungsweise ein Raster von 1 mm und eine Stromstärke von 1 A pro Leiterbahn für Datamate.

FPC-Kabelkonfektionen für die Produktlinien Datamate und Gecko von Harwin
Bild 3. FPC-Kabelkonfektionen für die Produktlinien Datamate und Gecko von Harwin.
© Harwin

Entsprechend den Spezifikationen der Steckverbinder wird ein breites Spektrum an Betriebstemperaturen unterstützt. Ergänzend zum bestehenden Sortiment gibt es auch andere FPC-Baugruppen (mit unterschiedlichen Größen und Längen), um spezielle Kundenanforderungen zu erfüllen.

Harwins diskrete Kabelkonfektionen sind mit einer PTFE-Isolierung versehen und entsprechen dem internationalen Kabelkonfektionsstandard IPC WHMA-A-620. Sie sind in verschiedenen Kabellängen erhältlich, mit einer Auswahl an ein- oder doppelseitigen Anordnungen. Darüber hinaus gibt es auch Baugruppen, die auf die Anforderungen von Kunden ausgelegt sind. Die Mindestbestellmengen sind klein, sodass solche Baugruppen speziell für die Entwicklung und das Prototyping bereitstehen. (kv)

Der Autor

John Brunt
ist Product Manager High Reliability Connectors bei Harwin.


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