Die Beschaffung von Bauteilen war in den letzten zwei Jahren sehr turbulent. Doch Staaten und Unternehmen haben ihre Lehren aus dieser Zeit gezogen, die das Einkaufsverhalten der Industrie nachhaltig prägen.
Engpässe bei Komponenten führten dazu, dass Produkte nicht fertig gestellt werden konnten, weil eine Komponente fehlte. Solche »golden screws« haben sich Broker in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes »vergolden« lassen.
In der Zwischenzeit haben Halbleiterhersteller ihre Kapazitäten hochgefahren und Foundries verlagern Kapazitäten auf die Bereiche, in denen immer noch Engpässe bestehen. Langfristig wird sich die Situation also wieder entspannen. Doch Staaten und Unternehmen haben ihre Lehren aus dieser Zeit gezogen und diese werden das Einkaufsverhalten der Industrie nachhaltig prägen.
1. Der Stellenwert von Halbleitern ist gestiegen: Die Herstellung von Chips wird wieder breiter aufgestellt. Mit Qimonda ist in der letzten Wirtschaftskrise der letzte deutsche Speicherchiphersteller untergegangen. Mit Intel und TSMC planen jetzt zwei der größten Halbleiter-Hersteller der Welt Werke in Deutschland aufzubauen. Weltweit zeichnet sich ein ähnliches Bild. Und auch wenn nicht alle Werke, die zur Zeit geplant werden auch tatsächlich gebaut werden, zeigt das doch den Stellenwert, den die Halbleitertechnologie seit 2008 eingenommen hat.
2. Der Preis ist nicht mehr alles: Die Situation für Einkäufer wird sich deutlich verbessern, doch der Preis wird nicht mehr das wichtigste Kriterium bleiben. Industriekunden können viel besser planen als Konsumgüterhersteller und ihren Bedarf durch langfristige Vereinbarungen mit Distributoren zu einem Festpreis sichern, der für beide Seiten vorteilhaft ist. Gerade bei qualitativ hochwertigen Produkten können es sich Hersteller nicht leisten, beim nächsten Engpass keine Produkte zu erhalten oder noch schlimmer Fake-Produkten im Graumarkt aufzusitzen.
3. Vorsicht bei Oversupply: Nur weil Preise von Speicherchips gerade drastisch fallen und von einem massiven Überschuss gesprochen wird, heißt das nicht, dass das alle Speicherchips betrifft und noch weniger, alle Halbleiter. Es gibt nach wie vor Komponenten, die Lieferzeiten von bis zu einem halben Jahr haben können. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen und vorausschauend zu planen. Insbesondere, wenn es keine Alternative zu der Komponente gibt.
4. Geopolitik bleibt: Geopolitik wird die ohnehin komplexe Beschaffung auch weiterhin beeinflussen und Unternehmen müssen sich auf eine weitere, unbeständige Wirtschaftslage einstellen müssen. Es ist durchaus sinnvoll, Bezugsquellen aus verschiedenen Regionen zu suchen und dabei auch die Nähe zur eigenen Produktion zu berücksichtigen. Aber ein komplettes De-Coupling ist nicht möglich. Das würde Produkte sehr teuer machen und den Fortschritt bremsen.
Gerade in der Halbleiterbranche ist die Kollaboration sehr groß, da Entwicklungen geteilt werden, damit schneller Fortschritte erzielt werden können. Werden wieder Silos hochgezogen, nehmen wir uns wichtige Innovationsimpulse.
5. Nichts ist beständiger als der Wandel: Naturkatastrophen, Terroranschläge, Cyberattacken, Pandemie und Krieg – in den letzten Monaten und Jahren mussten Unternehmen mit immer neuen, unvorhergesehenen Ereignissen umgehen. Dieser Zustand der Unsicherheit wird bestehen bleiben und Unternehmen müssen lernen, mit einem ständigen Unbekannten zu leben, um zu bestehen.
Das mag jetzt vielleicht düster klingen, aber ungerührt von diesen Entwicklungen und manchmal auch angetrieben davon, gehen die Fortschritte in Bereichen wie Elektromobilität, autonomes Fahren, Internet of Things, Artificial Intelligence, Industrie 4.0 ungebremst weiter und treiben die Wirtschaft weiter an. Es bleibt ein spannendes Umfeld und nie war es so klar, dass die Halbleiterindustrie dabei eine zentrale Rolle spielt.